Experten warnen: Irrweg der Europäischen Union in der Flüchtlings- und Asylreform
Laut einem neuen Bericht zur Migrations- und Flüchtlingssituation in Europa fordern Experten eine dringende Überarbeitung der europäischen Asylpolitik.
Berlin – Europa hat im Jahr 2023 deutlich über eine Million Flüchtlinge aufgenommen – eine ganze Menge. Das sieht auch Migrationsforscher Frank Düvell von der Universität Osnabrück ähnlich. „Einen bedeutenden Beitrag“, wie der Forscher das Zutun der Bundesregierung bewertet. Doch für ihn ist das nur ein Teil der zu bewältigenden Aufgabe. Im Bericht „Report Globale Flucht 2024“ den Forscher über das Thema Flucht und Migration veröffentlicht haben, ist nicht alles rosig. Es gibt noch einiges zu verbessern.
So kritisiert Düvell beispielsweise, dass sich „die aktuellen Flucht-Debatten auf Abschreckungsmaßnahmen konzentrieren“ würden. Anfang April hatte das Europäische Parlament über eine Reform der Asylverfahren abgestimmt, Mitte Mai hatten auch die EU-Mitgliedsstaaten dem Gesetzespaket zugestimmt.

Schärfere Asylregeln für die Europäische Union – Asylverfahren an den EU-Außengrenzen
In dem Paket geht es um schärfere Asylregeln und eine Entlastung der Hauptankunftsländer am Rande der Europäischen Union, wie beispielsweise Italien, oder der Inselstaat Zypern. Im vergangenen Jahr hatte die EU einen Rekordwert an Asylanträge seit 2015 und 2016 verzeichnet, wie der Deutschlandfunk berichtet. Bereits an den EU-Außengrenzen sollen nun Asylverfahren durchgeführt werden, um die Identität der Flüchtlinge vor Ort zu überprüfen.
Teil der von Düvell angesprochenen Abschreckungsmaßnahmen ist wohl eine Art Untersuchungshaft in den Auffanglagern, in denen die Flüchtlinge untergebracht beziehungsweise inhaftiert werden sollen. Viel in der Kritik stand bisher das Lager Moria auf der Griechischen Insel Lesbos. Ursprünglich für 2800 Menschen ausgestattet und konzipiert beherbergte das Lager zeitweise 20.000 Männer, Frauen und Kinder – das zehnfache.
Mehr Asyllager wie Moria – Bessere Abwicklung der Asylverfahren in der EU verlangen Experten
In den Lagern inhaftiert, können die Asylanträge unter Umständen bis zu zwölf Wochen in Bearbeitung sein, bis final über den Verbleib der Migranten entschieden wird, wie die Deutsche Welle schreibt. Düvell ist sich daher sicher: „Wir werden ganz viele Morias bekommen.“
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Und Düvell wie auch Petra Bendel von der Universität Erlangen-Nürnberg ist der Meinung: „Ob sich die herrschenden Missstände in den zahlreichen Aufnahme-Einrichtungen an den Außengrenzen zu effizienten Verfahren entwickeln, wird sich in der Umsetzung zeigen müssen.“ Des Weiteren mache man sich abhängig von Despoten, kritisiert der Experte. „Europa begibt sich in eine große Abhängigkeit von Despoten.“
Viel umstritten war auch der sogenannte Ruanda-Deal Rishi Sunaks, Premierminister Großbritanniens. Der Plan sieht vor, dass alle Migranten, die nach Großbritannien kommen – egal von wo – direkt nach Ruanda abgeschoben werden können. Viele konservative Politiker sehen in dem britischen Plan ein Vorbild und in Großbritannien erhofft man sich in den kommenden Wahlen mehr Stimmen für Sunaks Partei, wie es in der Tagesschau heißt.
Faires Asylverfahren in Ruanda? Sunaks Ruanda-Deal heftig umstritten
Sunak erklärte Ruanda zum sicheren Drittstaat, um das Gesetz zu verabschieden. Ob die Asylsuchenden hier aber tatsächlich auf ein faires Verfahren hoffen können, ist fraglich. Ähnlich sieht auch der Report eine mögliche Ausweitung der Zahl sicherer Drittstaaten in der EU kritisch. So sollen nämlich auch solche Staaten als sicher bewertet werden, „die teils zweifelhafte menschenrechtliche und flüchtlingsrechtliche Situationen aufweisen“.
Angesichts dieser „Abschreckungsmaßnahmen“ verschließe sich Europa vor der eigentlichen Realität der Flüchtlingskrise – die Mehrheit der Geflüchteten suche nämlich Schutz in Ländern des globalen Südens. Der Report verlangt angesichts der neuen EU-Asylrichtlinien eine „Rückbesinnung auf jene Menschen und flüchtlingsrechtlichen Standards, die dem GEAS (gemeinsames Europäisches Asylsystem) eigentlich zugrunde liegen sollten.“ (sischr)
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