Manche in der SPD stören sich an der Verschärfung der Bürgergeld-Regeln. Mit einer Unterschriften-Aktion wollen sie dem Vorhaben entgegentreten.
Berlin – Im groß angekündigten „Herbst der Reformen“ einigte sich die schwarz-rote Regierungskoalition um Kanzler Friedrich Merz (CDU) auf eine Reform des Bürgergelds. Anfang Oktober wurden Verschärfungen für diejenigen Bürgergeldempfänger beschlossen, denen fehlende Mitwirkung nachgewiesen werden könne. Merz hatte angekündigt, dass die Änderungen spätestens im Frühjahr 2026 in Kraft treten sollen. Vorgesehen ist unter anderem, Leistungen nach dem dritten versäumten Termin komplett zu streichen.
„Wir verschärfen die Sanktionen bis an die Grenze dessen, was verfassungsrechtlich zulässig ist“, erklärte Arbeitsministerin Bärbel Bas seinerzeit am 9. Oktober in einer Pressekonferenz. Schnelle Arbeitsvermittlung statt Qualifizierung und Weiterbildung, potenzielle Streichung aller Leistungen, auch Miet- und Heizkosten – das sind Maßnahmen, die vielen Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei übel aufstoßen. Daher wurde mit einer entsprechenden Unterschriftensammlung bereits ein SPD-Mitgliederbegehren in die Wege geleitet.
SPD-Mitglieder organisieren Mitgliederbegehren gegen Verschärfung des Bürgergelds
Eine der Initiatorinnen, die frühere Juso-Chefin Franziska Drohsel, übergab am 10. November die nötige Anzahl von mindestens 4000 Unterschriften an den Vorstand, wobei es nun darum geht, innerhalb von drei Monaten mindestens 20 Prozent der Mitglieder von dem Anliegen zu überzeugen. Wird das Begehren dann nicht als Beschluss umgesetzt, findet ein verbindlicher Mitgliederentscheid statt. Der Vorstand musste das Begehren jedoch noch prüfen, und diese Hürde ist jetzt genommen.
Wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel aktuell berichtet, hat der SPD-Vorstand das Mitgliederbegehren für zulässig und der Parteisatzung entsprechend erklärt. Zu den Initiatoren gehört auch Juso-Chef Philipp Türmer. „Selbstverständlich erwarte ich von meiner Parteiführung, dass sie da noch mal rangehen – und wenn das Mitgliederbegehren ihnen dabei hilft, ist doch super“, hatte Türmer gegenüber den Sendern RTL und ntv kommentiert. Sanktionen im Bürgergeld sollten nicht verschärft werden, entscheidend sei, Empfänger besser und schneller wieder in Arbeit zu vermitteln. „Sanktionen helfen da gar nicht weiter.“
SPD-Vorstand soll „realen Ursachen“ von Armut benennen und Bürgergeld weiterentwickeln
Der Spiegel zitiert aus dem Beschlussvorschlag, der den SPD-Vorstand unter anderem auffordert, „das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum nicht durch Sanktionen“ zu unterschreiten. Zudem solle das Bürgergeld zu einer „armutsfesten Grundsicherung“ werden – mit „besserer Unterstützung, Qualifizierung, Coaching und psychosozialen Hilfe“. Gleichsam müsse die SPD-Führung der Debatten „über vermeintliche ‚Arbeitsverweigerung‘“ entgegentreten und den Fokus auf die Ursachen von Armut und „reale Probleme wie den Niedriglohnsektor, Wohnungsmangel und Bildungsungleichheit“ lenken.
Von SPD-Chef Lars Klingbeil ist wohl keine Unterstützung zu erwarten. Er kritisierte seiner Partei und betonte, dies sei „genau das falsche Signal“. Bei einer Diskussionsveranstaltung der Wochenzeitung Die Zeit in Hamburg Anfang Oktober erklärte Klingbeil, er stehe weiterhin „zu 100 Prozent“ hinter den Plänen der Bundesregierung. „Ich halte das für total richtig, dass wir beim Bürgergeld jetzt Entscheidungen getroffen haben.“ (Quellen: dpa, AFP, eigene Recherche) (ktho)