Familie vor Weihnachten obdachlos: Nachbarn spenden Hoffnung nach Brandkatastrophe
Obdachlos kurz vor Heiligabend: Die Familie Bauer aus Fürmoosen hat dieses Schicksal getroffen, als ein Feuer nachts ihr Haus zerstörte. Dann eilten Freunde und Nachbarn zu Hilfe. Zu Weihnachten schenkten sie der Familie vor allem eins: Hoffnung.
Fürmoosen – Lustlos hängt ein Fetzen rot-weißes Flatterband vom verkohlten Treppengeländer. Martin Bauer steht in Turnschuhen zwischen rußschwarzen Wänden, das Schuhregal im Flur ist mit dem Inhalt verschmolzen. „Wir haben nichts mehr“, sagt er. Die vom Feuer zerfressene Küchentür öffnet den Blick auf Tisch und Anrichte. Geschirr, Flaschen, die Ebersberger Zeitung – ein Anschein von Normalität. Doch der Boden schwimmt, alles ist verrußt und stinkt nach Rauch. Nach den Feiertagen kommen die Container. „Wir können alles wegschmeißen“, sagt der 47-Jährige über die Einrichtung, das Geschirr, die Wäsche, alles. Nur die Scheine aus dem Geldbeutel behält die Familie, obwohl auch die nach Rauch riechen. Geld stinkt doch.

Die Mutter (72) erwischt plötzlich keine Luft mehr - Vielleicht rettet das ihr Leben
Keine Woche ist vergangen, seit der Hof der Familie Bauer in Fürmoosen (Gemeinde Moosach) mitten in der Nacht in Flammen aufging. Es ist kurz vor 2 Uhr, als Resi Bauer (72) plötzlich keine Luft mehr erwischt. Verwundert zieht sie ihr Apnoe-Gerät von der Nase, das ihr im Bett beim Schnaufen hilft. Der Strom ist weg. Mit der Handylampe schlappt sie durchs Haus. Als sie die Tür zur Waschküche öffnet, schlägt ihr Hitze entgegen. Am Trockner geht ein Feuerball auf, wie ein zorniger Weihnachtsstern.
Wenige Tage später und ein Haus weiter sitzen Resi und Martin Bauer, Mutter und Sohn, am Küchentisch. Vor ihnen stehen zwei grüne Fantaflaschen, im Fenster spiegeln sich die leuchtenden Weihnachtssterne. Auf dem Handy zeigt der 47-Jährige Bilder von der Überwachungskamera. Sie dokumentieren in der Außenansicht, wie der Feuerball im Waschraum binnen Minuten zum Inferno aufblüht. Den Feuermelder verschlucken die Flammen, kaum dass er zu fiepen beginnt. „Ich weiß nicht, ob ich das gehört hätte“, sagt der Sohn.
Die Bauers stehen in der Nachtwäsche da - dann helfen die Nachbarn
Obwohl die herbei geschrieenen Nachbarn sofort mit dem Feuerlöscher anrücken und die Einsatzleitstelle Großalarm auslöst, ist das Feuer erst zu stoppen, als der Hof, auf dem die Familie seit Generationen lebt, unbewohnbar ist. Wäre Resi Bauer nicht wach gewesen, hätte sie nicht ihren Sohn, der ebenfalls im ersten Stock schläft, geweckt – vermutlich wären beide tot.
Außer ihrer Nachtwäsche haben die zwei nur die nackte Haut retten können. Trotz versengter Augenbrauen und Schorf auf Nase und Lidern, streicht sich Resi Bauer mit einem Lächeln über den schwarzen Pullover. „Nichts, was ich anhabe, ist meins“, sagt sie. „Wir haben die besten Nachbarn der Welt.“
Wir haben die besten Nachbarn der Welt!
Meine news
Gleich am Morgen, nachdem die Bauers hilflos zuschauen mussten, wie sich die Flammen von der Waschküche im Erdgeschoss bis zum Speicher fraßen, geht sie los: die Fürmooser Hilfsbereitschaft. Josef und Maria mussten vor über 2000 Jahren auf der Suche nach Obdach vergeblich an zahlreiche Türen klopfen. Martin Bauer muss nur einen Anruf tätigen.

Sein Nachbar Georg Stinauer (37) räumt am selben Tag die Wohnung seiner Freundin im elterlichen Hof. „Wir wollten eh zusammenziehen“, kommentiert er schulterzuckend. „Dann hat der liebe Gott den Trockner angezündet.“ Lachen müssen bei dem Spruch alle am Tisch. Die Möbel sind für die Bauers in der Wohnung geblieben. Bett, Tisch, Stühle, Garderobe – nichts fehlt, außer der Kaffeemaschine. „Die kommt aber bald. Ein Spezl bringt uns eine mit“, sagt Martin Bauer und nickt dankbar.
Die Gemeinde, der Arbeitgeber, der Motorradclub: Alle wollen den Bauers helfen
Nicht nur Freunde und Bekannte ruft das Schicksal der Bauers auf den Plan. Die gesamte Dorfgemeinschaft will helfen, nahezu ununterbrochen klingelt das Telefon. Nachbarn decken Resi und Martin Bauer mit Kleidung ein. Außer ein paar Schuhen und einer Hose haben die beiden alles verloren. „Die Hilfsbereitschaft ist wahnsinnig“, sagt Resi Bauer. Die Gemeinde Moosach richtet ein Spendenkonto ein. Das Glonner Marienheim, wo Martin Bauer als Altenpfleger arbeitet, lässt intern den Hut kreisen. Sein ehemaliger Motorradclub, eigentlich aufgelöst, bietet Hilfe an. Mutter und Sohn können nur annehmen und Danke sagen.

Dass die Fürmoosener zusammenhalten, haben die Bauers schon vorher gespürt. Auf den Tag genau einen Monat vor dem Brand starb Resis Mann Richard mit 74 Jahren. Die Beerdigung fiel auf den Samstag des Schneechaos Anfang Dezember. Die Nachbarn schaufelten in der Früh den Friedhof frei, einer räumte mit dem Schneepflug die Straßen, damit alle Abschied nehmen konnten.
(Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s jetzt auch in unserem regelmäßigen Ebersberg-Newsletter.)
„Heimat ist Heimat“: Trotz Feuers der Versuch von Normalität an Heiligabend
Die Dorfgemeinschaft kann mit ihrer Hilfe nach dem Brand die Uhr nicht zurückdrehen. „Heimat ist Heimat“, sagt Resi Bauer über den Hof, den die Familie schnellstens renovieren will. Das deckt die Versicherung. Wenn die Einrichtung raus ist, muss der Putz von den Wänden. Zurück auf Rohbau. Es dürfte mindestens ein halbes Jahr dauern, bis an den Weg zurück in die eigenen vier Wände zu denken ist, eher länger. „Wir wissen nicht, was noch auf uns zukommt“, sagt die 72-Jährige.
Bis dahin dürfen die Bauers bei ihrem Nachbarn Georg Stinauer wohnen, ihrem Herbergswirt. Und Resi Bauer muss nur über die Straße, um die Tiere zu versorgen: Neun Hühner, einen Gockel und eine Katze mit angesengtem Fell, die stur in dem ausgebrannten Haus auf dem rußigen Sofa schläft.
Nun kommt Heiligabend. Es wird nicht das Weihnachten, das sich die Bauers gewünscht haben. Und doch schwingt Normalität mit, als Resi Bauer erzählt, dass sie in die Christmette geht. Am Abend kommt die Familie zu Besuch. Es gibt Fisch mit Kartoffelsalat.
Die Gemeinde Moosach hat ein Spendenkonto eingerichtet. Verwendungszweck: „Unterstützung Familie Bauer“; IBAN: DE20 7025 0150 0000 9300 16.
Mehr News finden Sie in unserer brandneuen Merkur.de-App, jetzt im verbesserten Design mit mehr Personalisierungs-Funktionen. Direkt zum Download, mehr Informationen gibt es hier. Sie nutzen begeistert WhatsApp? Auch dort hält Sie Merkur.de ab sofort über einen neuen Whatsapp-Kanal auf dem Laufenden. Hier geht‘s direkt zum Kanal.
