Bittere Bilanz: Neue Zahlen belegen, wie das Bürgergeld „gescheitert“ ist

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Die Kritiken am Bürgergeld reißen nicht ab. Neue Zahlen belegen, dass es an entscheidenden Stellen nach Einführung des Bürgergelds hakt.

Berlin – Hält das Bürgergeld seine Versprechen? Die Einführung des Bürgergelds galt als eine der größten Reformen des Sozialstaats. „Mein Ziel ist, wo immer es geht, erwerbsfähige Menschen aus der Bedürftigkeit in Arbeit zu bringen. Und ich will dafür sorgen, dass sich Arbeit zukünftig noch mehr lohnt“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Doch exklusive Einblicke in Zahlen des Bundesarbeitsministeriums zeigen, dass gewisse Versprechen wohl schwer einzuhalten sind. So gibt es neue Erkenntnisse bei der Job-Integration von Bürgergeld-Empfängern, die aus einer Antwort einer Kleinen Regierungsanfrage der Unionsfraktion hervorgehen.

Bittere Bilanz beim Bürgergeld: „Gescheitert auf Kosten von Langzeitarbeitslosen und Steuerzahlern“

„Das Bürgergeld ist gescheitert – und zwar auf Kosten von Langzeitarbeitslosen und von Steuerzahlern“, sagte der arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Sprecher Stephan Stracke (CSU) zu IPPEN.MEDIA. Das Bürgergeld fördere in der Praxis weder eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration noch soziale Teilhabe, so Stracke mit Blick auf die Arbeitslosenzahlen. Seit dem Amtsantritt der nun zerbrochenen Ampel-Regierung steige die Zahl der Arbeitslosen kontinuierlich, besonders die Zahl der Langzeitarbeitslosen.

Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil in Berlin.
Hält das Bürgergeld seine Versprechen? Die Einführung des Bürgergelds galt als eine der größten Reformen des Sozialstaats.  © IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Die Arbeitslosigkeit ist laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit im November 2024 um 17.000 auf 2.774.000 gesunken. Saisonbereinigt hat die Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem Vormonat um 7.000 zugenommen. Verglichen mit dem November des vorigen Jahres liegt die Arbeitslosenzahl um 168.000 höher. 

„Das Bürgergeld bringt keine Arbeitsanreize, es fördert keine Integration in Arbeit und es belastet die Steuerzahler. Es ist Zeit, das Bürgergeld abzuschaffen. Es ist Zeit für eine ‚neue Grundsicherung‘, die Menschen in Arbeit bringen kann, die den Fokus auf echte Vermittlungserfolge legt und Bürokratie abbaut“, sagte Stracke zu unserer Redaktion. Diese Forderung ist nicht neu. Seit Monaten drängt die Union, das von der Bundesregierung eingeführte Bürgergeld abzuschaffen und stattdessen eine neue Grundsicherung einzuführen.

Kritik am Bürgergeld: Rückgang bei Job-Integration verärgert Unionsfraktion

Hauptkritikpunkt der Union ist der ihrer Meinung nach fehlende Arbeitsanreiz für Bürgergeld-Empfänger. Jüngste Zahlen des Bundesarbeitsministeriums, in die IPPEN.MEDIA auch Einblick hat, belegen, dass die Quote bei den Integrationen sogenannter erwerbsfähiger Leitungsberechtigter (ELB) in Jobs zurückging. Eine Integration sogenannter erwerbsfähiger Leitungsberechtigter (ELB) tritt ein, wenn Bürgergeld-Empfänger einen sozialversicherungspflichtigen Job oder eine Ausbildung oder Selbstständigkeit ausüben.

Laut Angaben des Bundesarbeitsministeriums waren es im Jahr 2019 insgesamt 998.743, also rund eine Million Integrationen. Im Jahr 2023 waren es insgesamt 776.611 Integrationen. Die Zahlen belegen zudem, dass die Quote der bedarfsdeckenden Integrationen rückläufig ist. Bedarfsdeckend bedeutet, dass der vermittelte Bürgergeld-Bezieher sich nach drei Monaten selbst versorgen kann und nicht mehr auf Sozialleistungen angewiesen ist. So zählte die Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2022, also noch zu Hartz-IV-Zeiten, 428.029 Integrationen als bedarfsdeckend. Im Jahr 2023 waren es 378.727.

Zu den Zahlen im Jahr 2023 oder 2024 zur kontinuierlichen Beschäftigung nach Integration von Bürgergeld-Empfängern in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gibt es nur bis Oktober 2023 Angaben – nämlich 36.558. Eine Beschäftigung nach Integration gilt als kontinuierlich, wenn die betreffende Person an jedem der sechs auf die Integration folgenden Monatsstichtage sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Eine Integration gilt hingegen als nachhaltig, wenn eine Person zwölf Monate nach einer Integration sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist.

Sanktionen beim Bürgergeld: Neue Erkenntnisse durch Regierungsantwort

Auch über Sanktionen beim Bürgergeld gab es immer wieder Streit. Die Union und FDP pochten wiederholt auf eine Verschärfung der Sanktionen, nach dem Aus der Ampel ist allerdings fraglich, welche der verschärften Regelungen umgesetzt werden. Bezüglich der Sanktionen beim Bürgergeld zeigte die Bundesregierung vor allem einen hauptsächlichen Trend auf, wie aus der Regierungsantwort hervorgeht: „Leistungsminderungen werden aktuell im Vergleich mit den Jahren vor 2019 seltener und in geringerer Höhe ausgesprochen.“ Zum Vergleich: 2013 hatte die Anzahl der neu festgestellten Leistungsminderungen noch bei knapp über einer Million Fälle gelegen, zehn Jahre später waren es 226.000.

Als hauptsächlichen Grund für den Rückgang nannte die Bundesregierung ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 5. November 2019. „Bestimmte Sanktionsregelungen wurden vom BVerfG als mit dem Grundrecht auf ein Seite 18 von 28 menschenwürdiges Existenzminimum unvereinbar eingestuft.“

Seit 1. Januar 2023 gibt es das Bürgergeld in Deutschland. Es hat das Arbeitslosengeld II, auch bekannt als Hartz IV, sowie das Sozialgeld abgelöst und soll staatliche Hilfe verbessern und vereinfachen. Doch immer wieder gab es besonders von der Union Kritik am Bürgergeld.

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