„Rena-la-Moor“: Gemeinderat Wildpoldsried stimmt für Renaturierung der Pflanzenkläranlage

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Schemenhaft erkennt man die geschwungenen Pflanzenbeete und zwei Schönungsteiche auf dem Gelände der Pflanzenkläranlage, das zur artenreichen Moorfläche werden soll. © Luftbild: Bayerische Vermessungsveraltung/Ergänzungen: Kiechle

Einen ganzen Strauß positiver Effekte verspricht man sich in Wildpoldsried von der Renaturierung einer 15 Jahre lang als Pflanzenkläranlage genutzten Fläche.

Wildpoldsried – Mit einem einstimmigen Votum entschied sich der Gemeinderat dafür, die Wiedervernässung anzupacken und Fördergelder zu beantragen.

Durch den Anschluss von Wildpoldsried an den Abwasserzweckverband Kempten kann nicht nur die dorfeigene Kläranlage für andere Zwecke genutzt werden, auch die Pflanzenkläranlage wird nicht mehr gebraucht. Dort fließt das Wasser durch folienunterlegte Pflanzenbeete und Teiche, um anschließend noch sauberer in die Leubas zu gelangen. Wie der Bayern Atlas zeigt, befindet sich das Areal im Niedermoortorf, von dem eine Fläche von rund 1,2 Hektar wieder hergestellt werden soll.

„Moore stoßen wesentlich weniger CO2 aus als trockengelegte Flächen“, erklärte Landschaftsarchitekt Matthias Kiechle in der Januar-Sitzung des Gemeinderates. Kiechle hat zusammen mit dem zweiten Bürgermeister Günter Mögele (FW) ein Konzept erarbeitet, das es ermöglicht, Fördergelder des Bundes aus dem Programm „Förderung für natürlichen Klimaschutz in kommunalen Gebieten im ländlichen Raum“ zu erhalten.

Wird ein Moor entwässert, versackt der trockene Torf und mineralisiert. Der Kohlenstoff verbindet sich mit Sauerstoff und gelangt dann in die Luft. Unter Wasser dagegen verhindern die anaeroben Prozesse die Mineralisierung und die Ausgasung. „Wenn das Moor wächst, wird es langfristig auch CO2 binden“, sagte Kiechle.

Renaturierung der Pflanzenkläranlage Wildpoldsried: „Wie ein Schwamm“

Bisher haben die Folien die natürliche Biotopentwicklung verhindert. Alles ankommende Wasser fließt in die Leubas. Dagegen könne der Moorboden Hochwasserspitzen im Einzugsgebiet des Baches puffern, weil er Regenwasser in der Fläche „wie ein Schwamm“ zurückhalte und neues Grundwasser bildet.

Viele unterschiedliche Pflanzen und Tieren können sich ansiedeln. Dazu soll auch die Renaturierung des Bachlaufes oberhalb beitragen. Möglich sei auch eine landwirtschaftliche Nutzung des Moores (Paludikultur) etwa für Schilfanbau, die dem Boden Nährstoffe entziehe und eine große Artenvielfalt ermöglicht. Zum Förderkonzept gehört ebenfalls, einen Mehrwert für die Bevölkerung zu schaffen. Schautafeln und Informationsmaterialien sollen aufgestellt werden, damit die Menschen auf dem möglichst barrierefreien Pfad wandern, sich erholen und gleichzeitig etwas über die dort lebenden Pflanzen und Tiere erfahren können.

Zusätzlicher Nutzen

Wenn man die südlich angrenzende Biotopfläche, dessen Besitzer wie Kiechle erklärte zum Tausch bereit ist, ebenfalls vernässe, könnte die Gemeinde Punkte auf ihr Ökokonto einzahlen und diese dann für spätere Bauprojekte als Ausgleich nutzen. Darüber soll aber zu einem anderen Zeitpunkt entschieden werden. Auch der Besitzer des Waldgrundstückes habe signalisiert, dem damit einhergehenden höheren Grundwasserspiegel zuzustimmen. „Ausgleichsflächen herzubekommen, ist derzeit für viele Kommunen nicht günstig, das hier wäre ein gewisses Schnäppchen“, sagte Kiechle.

Um das im Zeitraum 2025 bis 2028 vorgesehene Projekt umzusetzen, sind einige externe Leistungen nötig, unter anderen ein Landschaftsarchitekturbüro etwa für die Planung und Ausschreibung, dazu einige Gutachter für die fachliche Betreuung. Beim Monitoring kann sich Kiechle vorstellen, einen Biologie-Oberstufen-Kurs einzubinden, der zum Beispiel für eine wissenschaftliche Arbeit Tiere zählt und die Ergebnisse auswertet.

Die Pflege soll über Landwirte, den Maschinenring oder den Landschaftspflegeverband laufen. Das Landratsamt, das für ein Wasserrechtsverfahren und eine artenschutzrechtliche Prüfung benötigt wird, habe eine „wohlwollende Begleitung zugesagt“, zumal das Amt auf der Suche nach solchen Projekten sei.

Die Kosten und die Förderhöhe

Als die errechneten Summen genannt wurden, sogen einige Zuschauerinnen und Zuschauer hörbar Luft ein. Von den geschätzten Gesamtkosten von rund 930.000 Euro (brutto) bleiben der Gemeinde abzüglich der 80-prozentigen Förderung von rund 763.000 Euro und einer Zuwendung der Heinz-Sielmann-Stiftung von rund 140.000 Euro am Ende rund 28.000 Euro.

Die Gemeinderäte hatten viele Fragen und Anmerkungen, zum Beispiel ob Erdwärme möglich sei (Wendelin Einsiedler, Wählergruppe CSU/FB), oder zum Material aus der Pflanzenkläranlage: Stefan Burger (Wählergruppe CSU/FB) wollte wissen, ob die Kosten für die Entsorgung in der Fördersumme enthalten sind. Das Recycling von Folien und Klärschlamm könne teuer kommen, so Mögele, aber nach einigem Hin und Her sei das Recycling in die Fördersumme eingerechnet worden.

Tauschfläche wird diskutiert

„Ich tue mir schwer, eine Tauschfläche für ein Moor herzugeben“, sagte Marc Springer (Wählergruppe CSU/FB) zur Tauschidee, die nicht Teil des Förderprojektes ist. Die Gemeinde besitze so wenige davon. Von einer perfekten Synergie sprach hier Kiechle. Eine Abdichtung zwischen den Arealen zu bauen, gestalte sich zudem schwierig. Weil das Gefälle in dem Bereich „im Promillebereich“ liege, wies Stefan Dietmayer (FW) darauf hin, die Nachbarn – auch weiter im Norden – früh mit ins Boot zu nehmen, was die Gemeinde baldmöglichst tun will.

Thomas Kuisle (FW) prognostizierte zur Pflege des Moores: Zwei Hektar von Hand zu mähen „ist nicht lustig und nicht billig“. Bei seinen Streuwiesen müsse er einmal im Jahr ran. Wie Kiechle erklärte, sei die Pflege im ersten Jahr in der Förderung enthalten. Man müsse sehen, ob Maschinen eingesetzt werden können. An den ganz nassen Stellen werde lediglich von Zeit zu Zeit geschwendet.

„Für uns ist das rundum eine tolle Sache“, befand schließlich Einsiedler, auch wenn er „ein bissle Bauchweh“ hatte, für so eine kleine Fläche so viel Geld auszugeben. Robert Mayr (FW) fand: „Wir können das Geld guten Gewissens ausgeben, denn jetzt bekommen wir es.“ Den Nachfolgenden würden die Folien mit dem belasteten Klärschlamm irgendwann auf die Füße fallen.

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