Frau gewinnt 106 000 Euro und muss deshalb vor Gericht

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Lottospiel (Symbolbild) © Fredrik von Erichsen

Angeklagt wegen illegalen Glücksspiels: Eine Vaterstettenerin (39) tippt beim Lotto richtig und landet vor dem Amtsgericht Ebersberg.

Vaterstetten – Die Chancen stehen schlecht und trotzdem hat ein jeder schonmal davon geträumt: einem Lottogewinn. Einer 39-jährigen Vaterstettenerin ist das im Januar dieses Jahres geglückt. Sie spielte und tippte richtig. Doch nun fand sich die Arzthelferin vor dem Ebersberger Amtsgericht wieder. Denn bei ihrem über 106 000 Euro schweren Gewinn soll es sich um illegales Glücksspiel gehandelt haben, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.

Demnach soll die Frau über die Webseite eines Online-Glücksspielanbieters an der Lotterie teilgenommen haben. Das Unternehmen mit Sitz auf Malta verfüge laut Anklage jedoch über keine deutsche Glücksspiellizenz, sei hierzulande somit illegal. Als am 8. Januar also der üppige Gewinn auf dem Konto der Angeklagten einging, seien Bankmitarbeiter stutzig geworden – zumal besagter Anbieter auch nicht in der „Whitelist“, einem Verzeichnis der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL) über alle legalen Veranstalter, geführt sei. Für die Staatsanwaltschaft genug Beweise, um Anklage zu erheben. Doch ganz so einfach scheint die Sache nicht, wie der skurrile Prozess am Amtsgericht zeigt.

Aus den Grauzonen der Online-Wetten

Dort rückt die Vaterstettenerin inklusive dreier Verteidiger an, die sich mit einem Haufen Akten, Laptops und dem Strafgesetzbuch seelenruhig hinter der Anklagebank ausbreiten. Zu dem vorgeworfenen Glücksspiel will das vierköpfige Gespann jedoch keine Angaben machen. Die Anwälte verfolgen eine andere Strategie: Sie stürzen sich auf die rechtlichen Lücken, die Grauzonen, des Online-Wettspiels.

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„Wir haben keine Erkenntnisse darüber, ob es sich hier überhaupt um illegales Glücksspiel gehandelt hat“, betont einer der Verteidiger und verweist auf noch ausstehende Urteile des Bundes- und EU-Gerichtshofes sowie auf die EU-Lizenz, die der maltesische Anbieter noch dazu vorweise. „Woher soll ein einfacher, unbescholtener Bürger wissen, dass die in Deutschland nicht gilt?“, fragt er aufgebracht in die Runde.

Ratespiel im Gerichtssaal

Um seine These zu untermauern, beginnt er ein Ratespiel und legt Richter Benjamin Lenhart drei Online-Lotteriescheine vor. „Können Sie mir sagen, welcher von denen illegal ist?“, will er von dem Vorsitzenden wissen. Erstaunt stellt dieser kurz darauf fest, dass sich die Wettauszüge optisch nicht unterscheiden.

Das Verteidiger-Trio geht aber noch weiter und bemängelt die Lücken der „Whitelist“, auch als Glücksspielstaatsvertrag bekannt. „Das ist absoluter Schrott. Da fehlen 98 Prozent der Anbieter“, argumentiert der Anwalt. Auch der maltesische Anbieter sei dort nicht gelistet.

Geldstrafe und Werteinzug gefordert

„Wie soll ein Laie das verstehen?“, kritisiert er und gibt zugleich zu bedenken, dass die Staatsanwaltschaft einzig und allein wegen des hohen Gewinns auf das angeblich illegale Glücksspiel aufmerksam geworden ist. „Man kann sich nicht die Rosinen herauspicken und nur die Gewinner strafrechtlich verfolgen“, schimpft er in Richtung der Anklagevertreterin, die in ihrem Plädoyer zuvor eine Geldstrafe von 600 Euro und den Werteinzug in Höhe des Gewinns (106 000 Euro) forderte.

„Ich hätte das mit der Lizenz auch nicht gewusst“, gesteht kurz darauf Richter Benjamin Lenhart in seinem Urteilsspruch. Er spricht die Lotto-Gewinnerin frei. Die vorgebrachten Argumente der Verteidigung haben ihn überzeugt – und noch dazu könne nicht bewiesen werden, dass es auch die Angeklagte war, die jenen geldbringenden Wettschein Anfang des Jahres ausgefüllt habe.

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