Netanjahu unter Druck: Proteste in Israel – Menschen demonstrieren für Geisel-Deal
In Israel gegen Tausende Menschen auf die Straße. Die Kritik an Netanjahu, aber auch Benny Gantz wird lauter. Verwandte der Geiseln finden klare Worte.
Tel Aviv – Nach der Befreiung von vier israelischen Geiseln hat es in Israel am Samstag bis spät in die Nacht Demonstrationen für einen Freilassungsdeal gegeben. Gefordert wurden ein Abkommen mit der Hamas für die 116 verbliebenen Entführten und Neuwahlen. Die Verwandten der Geiseln richteten ihre Kritik vor allem an die israelische Regierung.
Neben der Hauptkundgebung in der Küstenstadt Tel Aviv, in der sich örtlichen Medien zufolge Zehntausende versammelten, gab es beispielsweise auch in Haifa, Caesarea, Beerscheba und Jerusalem regierungskritische Demonstrationen. Die jüngsten Proteste reihen sich ein in eine Vielzahl von Massenprotesten gegen die Regierung und für die Freilassung der noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln im Gaza-Krieg.

Regierung sei Schuld: Angehörige von Hamas-Geiseln sprechen bei Protesten
Der Sohn eines in der Gefangenschaft getöteten Mannes bat seinen Vater in einer Ansprache um Vergebung für das Versagen des Landes und des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, ihn und die anderen Geiseln nicht aus der Gefangenschaft befreit zu haben. Die Armee hatte seinen Tod sowie den drei weiterer Geiseln kürzlich verkündet. „Sie waren am Leben, und wegen der Regierung und diesem Versagen des Kabinetts sind sie nicht hier und nicht am Leben“, sagte Tom Barkai, ein Verwandter einer der Verstorbenen in Jerusalem.
Die Mutter einer der verbleibenden Geiseln erklärte laut der Jerusalem Post in einer Rede in Tel Aviv, sie würde „nicht zulassen, dass der Premierminister das [Geisel-]Abkommen torpediert“. Auch der frühere IDF-Geheimdienstchef, Gernalleutnant Atmos Malka, sprach bei dem Protest in Tel Aviv. „Ich möchte von der momentanen und wichtigen Euphorie zu der Herausforderung übergehen, vor der wir stehen, und die Tiefe des strategischen Scheiterns, in dem wir uns befinden“, sagte er laut der Jerusalem Post. Bei den verbleibenden Geiseln wird befürchtet, dass ein Großteil von ihnen nicht mehr am Leben ist.
In Tel Aviv kam es Medien zufolge zu Zusammenstößen mit der Polizei, als Demonstranten versuchten, eine Autobahn zu blockieren. Die Polizei setzte dabei demnach auch Wasserwerfer ein. Berichten zufolge wurden 33 Menschen festgenommen. Eine kleinere Gegendemonstration von Regierungsbefürwortern kam laut lokalen Medienberichten kaum gegen den anderen Protest an.
„Tut nicht, was er verspricht“: Benny Gantz bleibt in Netanjahus Kriegskabinett
Auch der angekündigte, aber nicht durchgeführte Regierungsaustritt von Benny Gantz, ein Minister im Kriegskabinett, war bei den Aktivisten Thema. „Zum tausendsten Mal: Benny Gantz tut nicht, was er verspricht“, kritisierte die Anwältin Naza Rozolyo laut der Times of Israel. Der Ex-Verteidigungsminister hatte Mitte Mai mit seinem Rücktritt gedroht, sollte der Premierminister Benjamin Netanjahu bis zum 8. Juni keinen Nachkriegsplan für den Gazastreifen vorlegen.
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Netanjahu versuchte ihn zum Bleiben zu bewegen, auch ohne Nackriegsplan. „Ich fordere Benny Gantz auf: Verlassen Sie nicht die Notstandsregierung“, erklärte Netanjahu laut der AFP im Onlinedienst X. „Geben Sie die Einheit nicht auf.“ Die Pressekonferenz für den Rücktritt, die eigentlich am Samstag (8. Juni) hätte stattfinden sollen, sagte Gantz wieder ab. Der Termin sei verschoben worden, so israelische Medien.
Aufruf zu Verhandlungen für Waffenruhe zwischen Hamas und Israel
„Eine strategische und diplomatische Möglichkeit zu ignorieren, würde bedeuten, ein weiteres Druckmittel zu verpassen und uns von den Ländern der Welt zu entfernen und in eine gefährliche internationale Isolation zu geraten“, warnte Malka in seiner Rede. Die Gespräche zu einem Deal zwischen Israel und der Hamas waren bisher langwierig und wenig fruchtbar.
Die USA, Katar und Ägypten vermitteln schon länger indirekt zwischen Israel und der Hamas, um eine Feuerpause und einen Austausch der Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zu erreichen. US-Präsident Joe Biden hatte vergangene Woche überraschend Details eines Entwurfs für ein Abkommen zur Beendigung des Krieges in drei Phasen präsentiert. (lismah/dpa)