Kreditkarte statt Bargeld: Schwarz-Rot zwingt Händlern die elektronische Kartenzahlung auf

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Kreditkarte statt Bargeld: Überall in Deutschland soll die elektronische Kartenzahlung bald möglich sein. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Brötchen per Kreditkarte bezahlen – bald überall kein Problem mehr. Händler in Deutschland sollen verpflichtend die elektronische Kartenzahlung einführen.

Berlin – Die Deutschen lieben ihr Bargeld. Doch der Trend zur Kartenzahlung setzt sich auch hierzulande immer weiter durch. Geht es nach dem Willen von Union und SPD, dann können Kundinnen und Kunden bald überall entscheiden, ob sie ihre Brötchen mit Kleingeld oder Kreditkarte kaufen. Denn die wahrscheinlich künftige neue Bundesregierung plant eine weitreichende Änderung im deutschen Zahlungsverkehr: Gewerbetreibende sollen künftig verpflichtet werden, neben Bargeld auch elektronische Zahlungsmittel zu akzeptieren. Für Steuerbetrüger, die ihre Geschäfte mit einer Extra-Kasse unter dem Tresen betreiben, wird das Leben dadurch schwerer.

Kreditkarte statt Bargeld: CDU und SPD wollen Kartenzahlungen in Deutschland erleichtern

Die Pflicht zur Einführung einer elektronischen Kartenzahlung könnte jedenfalls fest im neuen Koalitionsvertrag verankert werden. Dies berichtete die Welt am Sonntag unter Berufung auf Teilnehmer der aktuell laufenden Koalitionsverhandlungen. „Wir setzen uns für eine echte Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr ein“, wird der SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi in der Zeitung zitiert. Die geplante Neuregelung sehe vor, dass schrittweise mindestens eine digitale Zahlungsoption für EC- oder Kreditkarte angeboten werden muss. Diese Forderung sei bereits im Ergebnispapier der Arbeitsgruppe Haushalt, Steuern, Finanzen niedergeschrieben worden.

Schrodi begründet das Vorhaben mit dem Ziel, Steuerbetrug effektiver zu bekämpfen. „Unser Ziel ist es, in bargeldintensiven Bereichen wie beispielsweise der Gastronomie den Steuerbetrug zu bekämpfen und so die vielen steuerehrlichen Unternehmer zu schützen“, erklärte er. Als flankierende Maßnahme ist eine allgemeine Registrierkassenpflicht geplant. Der SPD-Politiker fordert: „Die Zeit der offenen Ladenkassen muss vorbei sein.“

Pflicht zur Einführung von Kartenzahlung: Vorhaben der Koalition stößt auf unterschiedliche Reaktionen

Die geplanten Änderungen stoßen auf unterschiedliche Reaktionen. So scheint die SPD von dem Vorhaben fest überzeugt zu sein. Bei der CDU müssen vielleicht noch einige Bedenken ausgeräumt werden, bevor das Zwischenergebnis aus den Verhandlungen fest in den Koalitionsvertrag übernommen wird. Von Seiten der Union wurde laut Wams zunächst lediglich die Existenz entsprechender Pläne bestätigt.

Während der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) vor zusätzlichen Belastungen warnt, äußert sich die Deutsche Steuergewerkschaft positiv. Deren Bundesvorsitzender Florian Köbler sieht erhebliches Potenzial: „Wenn jeder mit Karte zahlen würde, wären die Steuereinnahmen sehr viel höher.“ Außerdem zeigen auch aktuelle Studien, dass der Verzicht auf Kartenzahlung für Einzelhändler oder Restaurant-Besucher auch negativ sein kann.

Bargeld statt Kreditkarte: Haushalt verliert durch Steuerbetrug hohe Milliardensummen

Tatsächlich entgehen dem Staat durch Steuerhinterziehung in bargeldintensiven Branchen jährlich erhebliche Summen. Schätzungen zufolge belaufen sich die Verluste an Umsatz- und Gewinnsteuern auf zehn bis 15 Milliarden Euro pro Jahr. Zusätzlich gehen Lohnsteuern und Sozialabgaben verloren, wenn Mitarbeiter schwarz bezahlt werden. Der vermutete Gesamtschaden könnte bei bis zu 70 Milliarden Euro im Jahr liegen.

Im Vergleich der EU-Länder: Deutsche lieben ihr Bargeld

Doch wie schnell sich an dieser Entwicklung etwas ändert, bleibt abzuwarten. Denn während in vielen skandinavischen Ländern das bargeldlose Zahlen gang und gäbe ist, begleichen die Deutschen ihre Rechnungen im Vergleich zum europäischen Durchschnitt aktuell noch gerne mit Scheinen und Cent-Münzen. So liegt Deutschland bei der Nutzung von bargeldlosen Zahlungsmethoden im europäischen Vergleich weiterhin im hinteren Drittel. Laut einer Studie der Boston Consulting Group haben die Deutschen 2023 im Durchschnitt pro Kopf 304 Mal elektronisch bezahlt. Hier eine Auswahl zum Vergleich:

  • Norwegen: 815 elektronische Zahlungen pro Kopf
  • Luxemburg: 753
  • Irland: 705
  • Dänemark: 675
  • Deutschland: 304
  • Österreich: 300
  • Spanien: 288
  • Malta: 243
  • Italien: 194

Trend geht zur elektronischen Kartenzahlung – Bargeld-Abheben wird immer schwieriger

Allerdings geht auch in Deutschland der Trend zu mehr bargeldlosen Zahlungen. Laut einer Umfrage der Bundesbank ist der Bargeldanteil bei Zahlungen von 83 Prozent im Jahr 2008 auf 51 Prozent im Jahr 2023 gesunken. Insgesamt zeigt sich, dass die Deutschen im europäischen Vergleich nach wie vor überdurchschnittlich häufig mit Bargeld zahlen, auch wenn der Anteil rückläufig ist. Die Experten erwarten, dass der Anteil elektronischer Zahlungen weltweit weiter steigen wird, allerdings mit abnehmender Profitabilität für die Finanzbranche.

Diesen Trend bestätigt auch eine Studie der Deutschen Bundesbank. Dass der elektronische Zahlungsverkehr bei den Deutschen immer beliebter wird, wundert die Autoren dabei nicht. Denn in den vergangenen Jahren hätten die Banken ihr Filialnetz fast halbiert, zitierte focus.de unlängst aus dem Papier. Dadurch sei es für immer mehr Kundinnen und Kunden schwerer, innerhalb der eigenen Gemeindegrenzen an Bargeld zu kommen. Vor allem für diese Personengruppe könnte es also erleichternd sein, wenn der örtliche Bäcker demnächst auch wirklich die Kreditkarte akzeptiert. (jek/mit Agenturmaterial)

Auch interessant

Kommentare