Biber-Plage im Landkreis: Landwirt fordert rigoroses Vorgehen – „Haben zu lange tatenlos zugeschaut“
Sie bringen nicht nur Bäume zu Fall, sie buddeln auch so mächtige Höhlen, dass manch Feldweg einbricht. Biber leben im Landkreis München wie im Schlaraffenland. Manche wollen dem Nager an den Kragen.
Im Jahresbericht 2023 des Landratsamts übers „Bibermanagement“ heißt es, dass von den „71 aktuell besetzten Revieren“ 41 „als derzeit konfliktfrei“ eingestuft werden, in 30 Revieren indes werde „wegen vorübergehenden Konfliktpotenzials der Prävention Vorrang eingeräumt“. Die Hotspots im Landkreis liegen vor allem in Ismaning, Unterföhring, Aschheim und Garching, wo es jenseits der Isar allerlei verzweigte Bachsysteme gibt, sowie in Schäftlarn. Mittlerweile ist die Zahl der besetzten Biberreviere im Landkreis nach Auskunft der Unteren Naturschutzbehörde auf 79 Standorte im Jahr 2025 gestiegen.
Dass selbst relativ dicke Bäume keine Chance haben gegen die scharfen Biberzähne, können Spaziergeher gut in den Isarauen oder am Feringasee beobachten. Vielfach sind mehr oder weniger frische Fraßspuren zu sehen und natürlich „erlegte“ Bäume. Wo diese im untersten Stammbereich mit robusten Drahtgeflechten geschützt sind, machen die Biber sich bisweilen am freiliegenden Wurzelwerk zu schaffen.

All das ist noch überschaubar und fällt wohl in die Kategorie Naturkreislauf. Schwieriger wird es, wenn die menschliche Zivilisation unter den Bibern leidet. Zwei Beispiele aus dem Landkreis, erstens in Ismaning: Dort sind die Feldwege entlang des Bachlaufs vom Nudelgraben, zwischen Mayerbacher- und Bruckmairstraße, mittlerweile offiziell für Fußgänger und Reiter gesperrt. Denn hier haben die Biber ihre Bauten bis unter die angrenzenden Felder gegraben und diese so sehr unterhöhlt, dass es mehrfach zu Wegeinbrüchen kam; manche Löcher sind inzwischen mit Steinen zugestopft, andere mit roten Fähnchen markiert. Beispiel zwei, in Schäftlarn: Dort haben die Biber sich in den Klosterbächen rund um Kläranlage und Kloster niedergelassen. Die Folge: Eine Teerstraße brach ein, ein Zaun sackte auf 30 Metern Länge ab, durch zu viel von Bibern gestautes Wasser entstand Schimmel an Gebäuden der Kläranlage sowie im Klosterkeller. Auch auf landwirtschaftlichen Flächen ist seit 2019 eine zunehmende Vernässung zu verzeichnen.
Nikolaus Kraus, Landwirt und FW-Landtagsabgeordneter, hat „eigene Erfahrungen gemacht, als 1990 die ersten Biber in Ismaning auftauchten und ein großes Gebiet unter Wasser setzten“. Die Landwirte wollten damals den Bibern entfernen lassen, „aber seitens der Behörden hieß es, der schwimmt weiter“. Eine Fehleinschätzung, wie die Entwicklung zeigt. Auf Merkur-Nachfrage teilt die Untere Naturschutzbehörde mit: „Die meisten Probleme treten im landwirtschaftlich intensiv genutzten gewässerreichen Nordosten des Landkreises auf.“

Es sei an der Zeit, rigoros zu handeln, findet Kraus. „Der Biber hat auf der Liste bedrohter Arten nichts mehr zu suchen, denn seine Population steigt mangels natürlicher Feinde von Jahr zu Jahr“, sagt der Landtagsabgeordnete aus Ismaning. In seinem Heimatort habe eine Schulbushaltestelle verlegt werden müssen, und bei einem Vor-Ort-Termin am Nudelgraben sei einer der sieben ehrenamtlichen Biberberater „bis zur Hüfte eingebrochen“. Kraus sinniert: „Wenn das einem Reiter im Galopp passiert....“ Deshalb sind inzwischen Warnschilder aufgestellt.
Der Biber hat auf der Liste bedrohter Arten nichts mehr zu suchen
Meine news
Doch Schilder allein würden das Problem nicht lösen, sagt Kraus. „Wir haben zu lange tatenlos zugeschaut und müssen das alles neu denken“, sagt er. „In den Isarauen mag der Biber seine Berechtigung haben, aber nicht im urbanen Raum. Irgendwann muss man abwägen, was ist wichtiger, Mensch oder Tier? Dort, wo der Biber nichts zu suchen hat, gehört er entnommen.“
Im Lauf der Jahre wurden immer wieder Anträge zur Biberentnahme, was faktisch nichts anderes ist als eine Umschreibung für Tötung, eingereicht und teilweise auch genehmigt. Überwiegend aber, so verlautet aus dem Landratsamt, löse man Konflikte „durch Präventivmaßnahmen wie dem Schutz ausgewählter Gehölze oder der vorübergehenden Aufstellung von Elektrozäunen“. Je nach Situation vor Ort gebe es Einzelstammschutzmaßnahmen, Maßnahmen gegen Fraß von Feldfrüchten, Ultraschall-Vergrämung sowie Einbau von Dammdrainagen oder Kappung der Biberdämme. Die Biberschäden lägen bei durchschnittlich 1000 Euro pro Jahr, das teuerste Jahr war 2022 mit über 7000 Euro. „Deutlich höher“ seien allerdings „die Beträge nicht ausgleichbarer Schäden der öffentlichen Hand“, insbesondere bei der Wegsanierung. „Dieses Geld“, sagt Kraus, „könnten die Kommunen besser für andere Aufgaben brauchen.“
So nützlich ist der Biber für die Natur
Gibt es im Landkreis München Erfolgsbeispiele von einem verträglichen Miteinander von Biber und Mensch? Auf diese Frage haben wir von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt diese Antwort erhalten: „Seit der Zuwanderung des Bibers in den 1990er Jahren hat die Art bis heute sukzessive alle geeigneten Landkreisgewässer besiedelt. Im Großteil der besiedelten Reviere gibt es keine nennenswerten Probleme, Mensch und Biber haben sich arrangiert. Die Ökosystemdienstleistungen, die Biber dabei für den Menschen erbringen, können nicht hoch genug geschätzt werden. Biber bewahren und erhöhen die Biodiversität, deren rasanter Rückgang neben den Folgen des Klimawandels eine der zentralen Herausforderungen der unserer Zeit ist. Der Biber ist das einzige heimische Wildtier, das Landschaftsräume in großem Umfang aktiv gestaltet. Von der geschaffenen „Gewässer-Wildnis“ profitiert eine Vielzahl an seltenen und gefährdeten Arten (u. a. Amphibien, Vögel, Insekten, Fische), die ohne die Anwesenheit des Bibers sukzessive aus unserer intensiv genutzten Landschaft verschwinden würden. Gleichzeitig wirken Biberaktivitäten positiv auf die Wasserqualität, indem Biberdämme Ablagerungen zurückhalten und den Wasserabfluss regulieren. Biber tragen somit maßgeblich zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität und der Stabilität der Ökosysteme sowie zum Hochwasser- und Klimaschutz bei.“