Neue Speedboote aus Schweden – Ukraine wird zur Marine-Macht

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Power an der Küste: Die ukrainische Marine erhält neue Schnellboote CB90 aus Schweden. Das Boot ist multifunktional und wird Putins Schwarzmeer-Flotte beziehungsweise den Bodentruppen in Küstennähe arg zusetzen können. © Anders Wiklund / TT News Agency / AFP

Zusätzliche Schnellboote liefert jetzt Schweden, der neueste Nato-Partner. Die Ukraine provoziert weiter Putins Truppen, da sie auf See an Fahrt aufnimmt.

Kiew – „Die erfolgreiche Strategie der Ukraine im Schwarzen Meer ist ein Musterbeispiel dafür, wie eine kleinere, entschlossene Seestreitmacht eine weitaus größere herausfordern kann“, schreibt Jennifer Parker. Die Analystin des australischen Thinktanks Lowi Institute versucht die richtigen Lehren daraus zu ziehen, wie die Ukraine zur See mit der Flotte von Wladimir Putins Invasionsarmee umgesprungen ist. Der ukrainische David hatte den Goliath aus Russland ohnehin bereits am Kanthaken, jetzt werden die Verteidiger der Krim nochmals verstärkt. Effektive Hilfe leistet erneut der Nato-Neuzugang Schweden.

Die schwedische Regierung präsentiert der Ukraine ihr bisher größtes militärisches Unterstützungspaket im Wert von 13,5 Milliarden schwedischen Kronen (rund zwei Milliarden Euro), wie die schwedische Regierung aktuell bekannt gegeben hat. Von diesem Paket verspricht sich das Geberland, auch die Langstreckenfähigkeit der Ukraine zu stärken.

Allein eine Milliarde schwedische Kronen davon soll der Ukraine dazu dienen, um Langstreckenraketen sowie Drohnen zu produzieren. Der größte Posten liegt aber in der Verdoppelung der zuvor gelieferten 16 Kampfboote CB90 (Combat Boat 90), Panzerabwehrwaffen sowie allgemeine Inventionen zur Stützung der ukrainischen Rüstungsindustrie – so die Erklärung der schwedischen Regierung.

Ukraine wird seetüchtiger: CB90 für Patrouillen, schnelle logistische Unterstützung und Angriffsmissionen

Diese schnellen Panzerschiffe seien in das bislang unbekannte maritime Zentrum „Viking“ integriert worden, eine Spezialeinheit des ukrainischen Militärgeheimdienstes, deren Personal in Schweden für die Bedienung der Boote ausgebildet worden sein soll, wie das Magazin Army Recognition Ende vergangenen Jahres berichtet hatte. Seit Sommer vergangenen Jahres nutzten die ukrainischen Streitkräfte das Schnellboot in Hoheitsgewässern und Binnenwasserstraßen für Patrouillen, schnelle logistische Unterstützung und Angriffsmissionen, wie das Magazin Naval News ergänzt.

„Die Ukraine braucht in Zukunft mehr Unterstützung, um russische Seestreitkräfte im Schwarzen Meer abzuschrecken. Es sei von entscheidender Bedeutung, die ukrainische Bevölkerung und die ukrainische Infrastruktur vor Angriffen der russischen Schwarzmeerflotte zu schützen. Es ist auch wichtig, den Seeexport von Getreide und anderen Produkten zu schützen, die der Ukraine wichtige Einnahmen bringen.“

Wie der Kampfjet Gripen ist auch das CB90 von Saab entwickelt worden. Damit verfügt die schwedische Marine seit Indienststellung der Waffe 1990 über ihr schnellstes und wendigstes Angriffsfahrzeug. Naval News berichtet, das Boot könne auch bei hohen Geschwindigkeiten von bis zu 40 Knoten (74 Kilometer pro Stunde) scharfe Wendungen fahren, in nur 2,5 Bootslängen bis zum Stillstand abbremsen und seine Nick- und Rollwinkel während der Fahrt anpassen. Sein ideales Terrain fände das Boot in flachen Küstengewässern.

Selenskyjs Schnellboote: Russlands Marine kann sich jetzt erst recht keinen Patzer mehr erlauben

Die aktuelle Ankündigung führt zu einer Verdoppelung der Flotte der zuvor versprochenen Hochgeschwindigkeits-Angriffsboote vom Typ Stridsbåt 90, wie die schwedische Bezeichnung lautet. Die Gesamtzahl dieser Boote im Dienst der ukrainischen Streitkräfte wird damit 38 Einheiten betragen: 32 aus Schweden, drei aus den Niederlanden und drei von einem privaten Mäzen. Diese private Spende sei Teil der Initiative „Stahlfront“ unter der Leitung des ukrainischen Geschäftsmanns Rinat Achmetow.

„Stahlfront“ – private Initiative gegen Putin

Neue Panzerplatten für Patriot-Abschußrampen, ein Feldlazarett für die Asow-Brigade oder neue Schnellboote: Laut der Website des privaten Fonds „Steelfront“ („Stahlfont“) hätten seit Beginn des Ukraine-Kriegs die Unternehmen Rinat Achmetows – darunter Metinvest, DTEK, PUMB, Ukrtelecom, FC Shakhtar und andere – das ukrainische Militär unterstützt. Die „Stahlfront“ verwende, laut eigenen Worten, Panzerstahl, um Körperpanzer, Helme, Unterstände, Frontkrankenhäuser, Panzerschilde und mehr herzustellen, damit sowohl Personal als auch Ausrüstung geschützt seien – daneben biete „Stahlfront“ auch Komponenten der Elektronischen Kriegsführung. Nach eigenen Angaben sei die „Stahlfront“ die größte private Initiative in der Ukraine zur Unterstützung der Verteidiger. Bis heute hätten Rinat Achmetow und seine Unternehmen mehr als 240 Millionen US-Dollar (230 Millionen Euro) für die Verteidigung und humanitären Bedürfnisse der Ukraine bereitgestellt.

Quelle: „Steelfront“

Einsatzbereitschaft und Zustand eines Schiffes könnten den Ausgang von Seegefechten bestimmen, erläutert Jennifer Parker. Die Analystin erinnert damit an die Zerstörung des russischen Kreuzers Moskwa, also das Flaggschiff der Schwarzmeer-Flotte Russlands. Nach dem Angriff mit zwei Seezielflugkörpern vom Typ Neptun war die Moskwa am 14. April 2022 im Schwarzen Meer gesunken. Parker geht davon aus, dass die Moskwa genau solch einen Angriff hätte abwehren können, wenn das Schiff in einem gut gewarteten Zustand und die Mannschaft aufmerksam gewesen wäre.

Nach der Verstärkung durch die schwedischen Schnellboote kann sich Russlands Marine erst recht keinen Patzer mehr erlauben. Zumal auch Norwegen der ukrainischen Marine auf Kriegskurs helfen will: Die Ukraine brauche in Zukunft mehr Unterstützung, um russische Seestreitkräfte im Schwarzen Meer abzuschrecken. Es sei von entscheidender Bedeutung, die ukrainische Bevölkerung und die ukrainische Infrastruktur vor Angriffen der russischen Schwarzmeerflotte zu schützen. Es ist auch wichtig, den Seeexport von Getreide und anderen Produkten zu schützen, die der Ukraine wichtige Einnahmen bringen“, sagte Premierminister Jonas Gahr Støre, wie die norwegische Regierung aktuell publiziert.

Selenskyjs Plan: „Gewährleistung der Souveränität in den Seegebieten der Ukraine“

Zusammen mit Großbritannien hat Norwegen die Maritime Capability Coalition gebildet, um die Ukraine seefester aufzustellen. 200 Millionen Euro wird allein Norwegen aktuell investieren, um die Kapazitäten der Ukraine in der Minenräumung zu verbessern – vor allem in der Küstenregion. Wo dann auch das CB90 als Platzhirsch auftreten soll. Mitte vergangenen Jahres hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine neue maritime Sicherheitsstrategie der Ukraine erlassen, wie das Magazin Militarnyj berichtete, mit dem Ziel, „die Kontrolle über die vorübergehend besetzten Gebiete, die Meeresküste und ihre eigenen Meeresräume wiederherzustellen sowie die Sicherheit der Seewege wiederherzustellen und zu gewährleisten“.

Der erste und offensichtlich wichtigste Punkt darin bildete die Kampfwertsteigerung der Marine sowie der Küstenwache, um Aggressionen wirksam entgegentreten und auf Bedrohungen reagieren beziehungsweise deren Auswirkungen minimieren zu können; als zweiten Schritte plant Selenskyj, laut Militarnyj, die Deokkupation der vorübergehend besetzten Küsten- und Seegebiete“ und daran anschließend die „Gewährleistung der Souveränität in den Seegebieten der Ukraine“, wie der Präsident bekanntgab.

Langfristig gehören zu diesem Programm auch die Denaturierung sowie der Wiederaufbau der beschädigten Infrastruktur. Das alles soll eingebettet sein in die „Wiederherstellung des internationalen Friedens und der Sicherheit im Asowschen Meer, im Schwarzen Meer, im Mittelmeer und in der Ostsee“, so Selenskyj. Die CB90 sind offenbar ein erster konkreter Meilenstein zur Annäherung an die Ziele.

Putins Glück: „Der Erfolg der Ukraine auf See hat wenig Einfluss auf den Verlauf des Bodenkriegs“

„Wir betrachten das Kampfboot als ein einzigartiges Produkt. Es kann standardmäßige Strandungen, Kommando- und Kontrollaufgaben, medizinische Evakuierungen, Taucheinsätze, Aufklärungs- und Eskortaufgaben übernehmen“, sagt Andres Hellmann. Der Leiter der Saab-Geschäftseinheit Docksta, die das CB90 baut, erklärte diesen Typ und seinen aktuellen Nachfolger auch für zukünftige Aufgaben der ukrainischen Marine als perfekte Lösung. „Das Boot verfügte ursprünglich über einige unterstützende Feuerwaffen zum Schutz, war aber hauptsächlich für den Truppentransport konzipiert. Wir waren jedoch der Ansicht, dass die Art und Weise, wie mit dem Bataillon gekämpft wird, heute anders ist.“ Schweden lässt seine neu bestellten CB 90 der aktuellen Generation deshalb auch mit Antischiffsraketen aufwerten.

Neben den neuen Booten und den vom ukrainischen Präsidenten im vergangenen Jahr neu ausgelobten Zielen fehlt der Ukraine vermeintlich auch eine neue Strategie, um vor der eigenen Haustür zur Seemacht zu werden. Selbst die Versenkung der Moskwa gilt für viele Experten eher als ein Zufallstreffer. Auf See hätten die Ukrainer dennoch bewiesen, dass sie technologisch und taktisch viel innovativer seien als die Russen“, sagte Michael Petersen gegenüber Radio Free Europe / Radio Liberty bereits im vergangenen Jahr. Dennoch blieb der Direktor des Russia Maritime Studies Institute am US Naval War College skeptisch – und behielt Recht.

„Der Erfolg der Ukraine auf See hat wenig Einfluss auf den Verlauf des Bodenkriegs, und sie wird ihn sicher nicht gewinnen. Aber sie hat eine unglaublich wichtige wirtschaftliche Lebensader geschaffen, die Kiew nur eine größere Chance geben kann, länger durchzuhalten.“ (KaHin)

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