Täuschend hell: Katharina Wagner über ihren „Lohengrin“ und Bayreuth
Dass sie sich selbst in den Regiestuhl setzt, kommt derzeit selten vor. Nun ist es wieder so weit: Am Gran Teatre del Liceu in Barcelona inszeniert Katharina Wagner mit dem „Lohengrin“ wieder ein Werk ihres Urgroßvaters. Premiere ist am 17. März. Die Produktion der Bayreuther Festspielleiterin hat eine längere, auch unglückliche Vorgeschichte.

Sie beschäftigen sich nun schon sehr lange mit dem „Lohengrin“. Ihr Schicksalsstück?
Das würde ich so nicht sagen, aber nachdem zunächst Corona die Premiere in Barcelona verhindert hatte, bin ich sehr froh, dass dieser „Lohengrin“ nun endlich dort herauskommt, wo er von Anfang an geplant war. Wir haben seitdem ein paar Modifikationen vorgenommen und weiter daran gearbeitet, aber das Grundkonzept hat nach wie vor Bestand, und wir freuen uns nun auf die Realisierung. Ich hoffe, dabei manche neue Sichtweisen anbieten zu können. Mir ist es zum Beispiel wichtig, Ortrud nicht eindimensional darzustellen, wie dies manchmal der Fall ist.
2004 haben Sie das Stück schon einmal in Budapest inszeniert. Damals wurde deutlich: Sie trauen dem Schwanenritter nicht.
Würden Sie jemandem trauen, der weder Name noch Herkunft preisgibt? Ich möchte über meine jetzige Inszenierung nicht zu viel im Vorfeld verraten. Aber sicherlich ist die Anlage dieser Figur bei mir eine etwas andere. Wir werden das Stück auch nicht als Märchen erzählen und Lohengrins Mysterium kritisch hinterfragen.
Ist das ein Widerspruch zur ätherischen Musik, die Lohengrin immer begleitet?
Gerade dunkle Charaktere oder Menschen, die etwas auf dem Kerbholz haben, versuchen doch meist, eine helle, positive Aura um sich herum aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Sie täuschen ihre Umgebung. Für mich gibt es also keinen Widerspruch zur Musik.
Elsa darf bekanntlich den unbekannten Schwanenritter ein Jahr lang nicht nach seinem Namen und seiner Herkunft fragen. Eine harte Prüfung. Hätten Sie sofort gefragt?
(Lacht.) Schwierig. Aber ich muss zugeben, dass ich eine neugierige Person bin. Also hätte ich wahrscheinlich schon gefragt. Es geht bei uns aber nicht allein um die Frage „Wer bist du?“ Sondern: „Was tust du? Woher kommst du? Was hast du getan? Was ist deine Absicht, dein Plan?“ Die entscheidende Frage im „Lohengrin“ erweitert sich also.
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Ein vermeintlicher Heilsbringer gewinnt die Masse für sich: Wie aktuell ist die Situation im „Lohengrin“?
Es mag zeit- und stückunabhängige Verhaltensweisen und psychologische Mechanismen geben, aber ich ziele nicht auf ein tagesaktuelles politisches Parallelbild ab. Bei uns geht es auch um andere Themen. Ein Schwerpunkt zum Beispiel ist die Dreieckskonstellation Elsa-Lohengrin-Ortrud – mehr will ich noch nicht verraten, damit es spannend bleibt. Ob es gut oder schlecht ausgeht, ist eine Frage der Sichtweise. Es kommt immer darauf an für wen…
Inszeniert es sich außerhalb Bayreuths leichter?
Die Bühnentechnik in Barcelona ist sehr professionell wie auch in Bayreuth. Wir haben Sängerinnen und Sänger, die auch in Bayreuth singen – es ist also ganz allgemein gesagt ähnlich wie auf dem Grünen Hügel. Vor allem bekommt man hier wie in Bayreuth das Gefühl: Alle wollen diese Produktion auf die Bühne bringen. Eine solche Atmosphäre trägt und unterstützt ein Regieteam.
Ich meine eigentlich Ihre persönliche Rolle als Festspielleiterin. Als Regisseurin stehen Sie in Bayreuth doch unter einem anderen Druck.
Das hat nicht unbedingt etwas mit mir persönlich zu tun. Die Aufmerksamkeit, die eine Bayreuther Neuproduktion ganz allgemein erregt, ist meistens sehr, sehr hoch.
Warum inszenieren Sie eigentlich so wenig?
Das lag vor allem an der Corona-Zeit. Manches ist ausgefallen. Einiges wird nachgeholt. Große Chor-Opern wie der „Lohengrin“ können auch nicht so einfach nachgeholt werden, es musste also in Barcelona erst die passende Position im Spielplan gefunden werden. Jetzt wird aber in den nächsten Jahren alles Ausgefallene nachgeholt.
2026 zum 150. Geburtstag der Festspiele mussten Sie aus finanziellen Gründen Produktionen streichen. Die Mäzene der Freunde von Bayreuth haben signalisiert, dass sie doch wieder Geld übrighaben – nachdem sie ihre Zahlungen zunächst zurückgefahren hatten. Können Sie nun doch einiges retten?
Sängerinnen und Sänger, die wir für 2026 hätten engagieren wollen und die wir für die Jubiläumsspielzeit sehr lange blockiert hatten, haben wir nach der notwendigen Absage der Produktionen unmittelbar freigegeben. Diese Künstlerinnen und Künstler sind nun leider anderweitig gebucht. Wir können also nicht einfach Produktionen wieder ansetzen – zumal man in Bayreuth zu Recht eine hohe sängerische Qualität erwartet. Was wir allerdings planen, ist ein umfangreiches Rahmenprogramm für 2026. Unter anderem im Bereich Education. Und es wird eine Uraufführung in Zusammenarbeit mit der Oper Dortmund geben.
Die Zeiten sind ganz allgemein nicht die besten. Fürchten Sie noch mehr um die finanzielle Ausstattung der Festspiele als bisher?
Es stimmt, man muss in Zeiten wie diesen das Geld ordentlich zusammenhalten. Darunter darf allerdings die künstlerische Qualität nicht leiden. Das ist eine herausfordernde Aufgabe. Wir sind uns der schwierigen Situation sehr bewusst. Wenn aber noch mehr Kürzungen kämen, dann würde alles wirklich zu einem gewaltigen Problem werden. Deswegen haben wir ja auch Einsparungen für die Jubiläumsspielzeit vorgenommen, damit die darauffolgenden Spielzeiten gesichert sind. Wir verfolgen weiterhin unseren Plan, ab 2027 zwei Neuproduktionen pro Sommer anzubieten – um die Attraktivität der Festspiele zu sichern. 2027 gibt es unter anderem eine Neuproduktion mit Christian Thielemann, 2028 einen neuen „Ring des Nibelungen“. Natürlich haben die Absagen für 2026 Enttäuschung hervorgerufen. Ich glaube aber, diese wäre mindestens genau so groß gewesen, wenn wir unser Programmkonzept ab 2027 aufgegeben hätten, sodass die Modifikationen der Spielzeit 2026 letztlich zu Gunsten einer längerfristigen Sicherheit zu verstehen sind.