„Finnland wäre besonders verwundbar“: Nordische Experten sehen Gefahr für „Sieg“ Putins wachsen

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Im Norden Europas hält man einen russischen „Sieg“ im Ukraine-Krieg für durchaus möglich – und befürchtet Konsequenzen für die eigenen Länder.

Helsinki/Stockholm – Russlands Präsident Wladimir Putin setzt das Säbelrasseln gegen die Nato-Neumitglieder Finnland und Schweden fort. Dabei dürfte das vor allem Wasser auf die Mühlen der Spitzenpolitiker in den nordischen Ländern sein: Schwedens Zivilschutzminister warnte schon vor Wochen vor einem möglichen „Krieg“. Geheimdienstchefin Charlotte von Essen bezeichnete Russland zuletzt als größte Bedrohung für das Land.

Auch Experten aus Finnland und Schweden sehen Russland perspektivisch durchaus als Gefahr. Gerade für den Fall eines russischen „Sieges“ im Ukraine-Krieg stehe man vor einer Wahl, hieß es in einem am Mittwoch (13. März) veröffentlichten Interview mit dem finnischen Rundfunk YLE. Der sei zuletzt wahrscheinlicher geworden, warnte Expertin Tyyne Karjalainen angesichts der missglückten ukrainischen Gegenoffensive – und westlicher Hilfslieferungen, die die Ukraine zwar über Wasser hielten, aber nicht für einen Erfolg genügten.

Behalte Russland aber die Oberhand, gelte es weiter aufzurüsten – oder russische „Dominanz“ zu akzeptieren, betonte ihr schwedischer Kollege Robert Dalsjö. Als vergleichsweise kleine Staaten seien die Länder besonders unter Druck, wenn sich das internationale Regelsystem auflöse, lautete eine weitere Warnung,.

Warnungen vor Putin aus Finnland und Schweden: „Atempause“ vor „nächstem Happen“?

Das gelte ungeachtet des Nato-Beitritts, erklärten die sicherheitspolitische Expertin aus Helsinki und der Verteidigungsexperte aus Stockholm übereinstimmend. Bei einem Sieg in der Ukraine könne Wladimir Putin „der Ansicht sein, dass er nicht nur die Ukraine, sondern die gesamte westliche Welt besiegt hat“, mutmaßte Dalsjö. Nach einer „Atempause“ zum Ausgleichen der Verluste an Material und Personal könne Russland meinen, „dass es Zeit ist, sich den nächsten Happen einzuverleiben“.

Wladimir Putin beunruhigt Finnland – im Hintergrund ein pro-russischer Autokorso in Helsinki. (Archivbild) © Montage: dpa/picture-alliance/Imago/Pool Sputnik Kremlin/AP/Sergei Savostyanov/Lehtikuva

Etwas konservativer hatte sich am Jahresanfang Jonas Haggren, Schwedens militärischer Vertreter bei Nato und EU geäußert. Die Gefahr eines Konflikts zwischen Nato und Russland sei aktuell eher gering, erklärte er dem Sender SR. Auszuschließen sei das Szenario aber nicht mehr. Darin liege „ein großer Ernst“. An selber Stelle warnte die Politikwissenschaftlerin Gunilla Herolf, die Bedeutung internationaler Abkommen schmelze. Der Rüstungswettlauf werde sich wohl verschärfen – „das ist ein großes Moment der Beunruhigung“.

Wächst Putins Land-Hunger? „Finnland in einer besonders verletzlichen Situation“

Karjalainen betonte nun bei YLE: Finnland profitiere als kleines Land besonders davon, dass internationale Absprachen respektiert werden. Genau dieses Prinzip könne aber angesichts der Lage in der Ukraine weiter in Gefahr geraten. „Wenn Russland die Lage so einschätzt, dass es lohnt, den West auf verschiedene Arten herauszufordern, dann ist Finnland als Grenzstaat in einer besonders verletzlichen Situation“, fügte sie hinzu.

Dalsjö wendete die Aufrüstungsfrage anders als Berufskollegin Herolf. „Das würde bedeuten, dass unsere Länder vor einer Wahl stehen“, erklärte mit Blick auf einen hypothetischen Sieg Russlands. „Entweder müssen wir unsere Verteidigung noch kräftiger aufbauen, um Russland abzuschrecken, oder wir akzeptieren eine russische Dominanz.“ Angesichts vielerorts knapper Staatshaushalte und fortdauerndem Streit über die Finanzziele der Nato dürfte die Antwort allerdings durchaus offen sein.

Wie sieht ein „Sieg“ Russlands im Ukraine-Krieg aus? Auch Baltikum in Sorge

Ein „Sieg“ Russlands müsse dabei nicht unbedingt einen Zusammenbruch der Ukraine als Staat bedeuten, sagte Karjalainen. Die „Schlüsselfrage“ sei, ob der Kreml eine Art Diktatfrieden erreiche – etwa in Form einer Begrenzung der ukrainischen Verteidigungskapazität oder mit einem Veto gegen einen Nato-Beitritt.

Dalsjö verwies auf territoriale Fragen: Ein „Sieg“ für Putin sei es, wenn die Ukraine auf unabsehbare Zeit Teile ihres Territoriums verliere: „Ein russischer Sieg wäre es, wenn die Ukraine gezwungen ist zu akzeptieren, dass Land auf Jahrzehnte hinaus besetzt sein wird.“

Er sieht allerdings in diesem Szenario andere Staaten womöglich noch gefährdeter als die nordischen Partner Schweden und Finnland. Vielen Beobachtern zufolge sei das Baltikum ein möglicher Zielpunkt. All das hänge aber an der Frage, wie Putins Kreml die „Entschlossenheit“ des Westens einschätze. In Estland, Lettland und Litauen gibt es ebenfalls bereits große Sorgen vor einer Bedrohung aus Russland. (fn)

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