Krankenkassen vor der Pleite? Neue Gesundheitsministerin springt mit Millionen-Spritze in Aktion
Das GKV-System gerät weiter unter Druck: Wachsende Unterschiede bei den Zusatzbeiträgen bringen vor allem kleinere Kassen in eine Abwärtsspirale, zeigen Analysen.
Berlin – Die finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenversicherung verschärft sich zunehmend: Milliardenschwere Defizite, Rekordwerte bei den Zusatzbeiträgen und schwindende Rücklagen setzen insbesondere kleinere Kassen massiv unter Druck. Neue Analysen zeigen: Die wachsenden Unterschiede bei den Zusatzbeiträgen führen zu einer zunehmenden Spaltung im Markt der gesetzlichen Krankenkassen. Die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) warnt: „Die GKV ist ein Notfallpatient.“

System unter Druck: Bald 30 statt 90 Krankenkassen?
Wie der am Dienstag (13. Mai) veröffentlichte „GKV-Check-up 2025“ der Unternehmensberatung McKinsey feststellt, der IPPEN.MEDIA vorliegt, verändert dieses Ungleichgewicht den Wettbewerb im Krankenkassenwesen grundlegend – vor allem die kleineren Kassen geraten unter massiven Druck: „Der Kostendruck auf die GKV ist im ersten Halbjahr 2024 erneut gewachsen – die Ausgaben sind um 7,6 Prozent gestiegen“, stellen die Forscher fest.
Dementsprechend seien auch die Zusatzbeiträge bereits im Laufe des Jahres 2024 deutlich gestiegen, es kam zu unterjährigen Erhöhungen – insgesamt 124-mal, einige Kassen hoben sogar mehrmals ihren Zusatzbeitrag an. Stärkere Erhöhungen gab es bei Kassen mit bereits hohem Zusatzbeitrag und Versichertenverlusten. „So vergrößert sich die Spanne zwischen eher niedrigen und eher hohen Zusatzbeiträgen weiter. Kassen, die schon einen hohen Zusatzbeitrag hatten, haben meist schon zuvor viele Mitglieder verloren“, so die Studie.
Schon jetzt unterschreitet die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds die gesetzlich festgelegte Grenze. Und das ist nur ein erster Warnschuss.
Krankenkassen in der Krise – Reserven durch CDU-Gesetz weiter zusammengeschmolzen
Darüber hinaus zwängen die unter Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eingeführten Abführungen der Vermögen der Kassen an den Gesundheitsfonds, nicht kostendeckende Zusatzbeiträge zu erheben, um ihre Reserven unter die Obergrenze von 0,5 Monatsausgaben abzuschmelzen: „Deshalb haben die meisten gesetzlichen Kassen keine Reserven mehr, um Steigerungen der Zusatzbeiträge zu vermeiden oder abzumildern“.
Der Markt sortiere sich neu: Die zehn Kassen mit dem größten Mitgliederzuwachs 2024 hatten schon vier Jahre zuvor besonders niedrige Zusatzbeiträge – unter 0,6 Prozent. Dagegen mussten Versicherte bei den heutigen Verlierern schon 2020 über 1,4 Prozent zahlen.
„Fusionen zwischen Kassen wieder verstärkt im Gespräch“: Kommt das große Kassensterben?
„Die Ursachen für diese Entwicklung bleiben bestehen“, so die Autoren, dazu zählten auch Versichertendemografie, weitere Ausgabensteigerungen, gestiegene Kundenerwartungen und „teure“ Reformvorhaben: „Dies erfordert angesichts der sich zuspitzenden Finanzlage der Kassen ein unverzügliches Handeln“, heißt es. Fusionen zwischen Kassen seine wieder verstärkt im Gespräch. Sprich: Das Kassensterben wird sich fortsetzen.
Die GKV ist ein Notfallpatient. Wenn wir Beitragssatzsteigerungen zum Jahresende vermeiden wollen, müssen wir jetzt schnell handeln.
„GKV ist ein Notfallpatient“: Politik unter Zugzwang – 800-Millionen-Spritze vom Bund
Die neue Gesundheitsministerin Nina Warken schlägt Alarm: „Die Lage der GKV ist dramatischer als ohnehin angenommen. Ich erbe ein Krankenversicherungssystem in tiefroten Zahlen“. Schon jetzt unterschreite die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds die gesetzlich festgelegte Grenze, „und das ist nur ein erster Warnschuss. Die GKV ist ein Notfallpatient“. Wenn weitere Beitragssatzsteigerungen zum Jahresende vermieden werden sollen, müsse schnell gehandelt werden.
Die Politik hat bereits erste Schritte eingeleitet: „Wir haben uns mit dem Finanzministerium geeinigt, 800 Millionen Euro Bundeszuschuss bereits Mitte Mai zum Auffüllen der Liquiditätsreserve zur Verfügung zu stellen“, bestätigte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums gegenüber IPPEN.MEDIA am Mittwoch.
„Im Koalitionsvertrag sind kurz- und mittelfristige Maßnahmen angelegt, um das System zügig zu stabilisieren“, er sieht vor, dass eine Kommission „unter Beiteilung von Expertinnen und Experten und Sozialpartnern“ bis Frühjahr 2027 konkrete Maßnahmen für eine grundlegende Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ausarbeitet und vorlegt.