Trump und Putin pokern um Frieden im Ukraine-Krieg: Zahlt die EU den Preis?

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Donald Trump und Wladimir Putin machen die Lösung im Ukraine-Krieg unter sich aus. Die EU bleibt außen vor und soll am Ende trotzdem für alles zahlen – welchen Preis hat der Frieden?

Berlin/Kiew – Vor rund neun Monaten herrschte unter den Unterstützern der Ukraine noch große Einigkeit: Auf der Wiederaufbaukonferenz in Berlin im Juni 2024 beschlossen internationale Partner weitere milliardenschwere Hilfsgelder – darunter auch die USA unter Präsident Joe Biden. Doch mit dem Amtsantritt Donald Trumps im Januar haben sich die politischen Rahmenbedingungen verändert – und damit auch die Frage: Welchen Preis hat ein Frieden im Ukraine-Krieg?

Frieden zwischen Ukraine und Russland: Trump und Putin entscheiden – und die EU soll bezahlen

Mal abgesehen vom wichtigsten Akteur – der Ukraine selbst –, steht auch für die Europäische Union viel auf dem Spiel. Denn während Trump derzeit nur mit Russlands Präsident Wladimir Putin über Friedenslösungen spricht, lässt er die Ukraine mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und die EU über ein Ende des nun schon dreijährigen russischen Angriffskriegs weitgehend außen vor. Auch wenn sich Trump Sonntag mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron traf – auf Augenhöhe sieht er die EU nicht. Die Kosten für den Wiederaufbau und die langfristige Friedenssicherung sollen die Ukraine und die EU trotzdem alleine tragen. Doch ist die EU dieser Aufgabe überhaupt gewachsen?

Im Juli 2022 schätzte die Weltbank die Kosten für den Wiederaufbau und die langfristige Stabilisierung der Ukraine auf 750 Milliarden US-Dollar. Anfang 2024 reduzierte sie diese Prognose auf 550 Milliarden US-Dollar. Je nach Kriegsfortgang könnte dieser Betrag noch ansteigen. Experten gehen von zehn bis 15 Jahren aus, ehe die Ukraine wirtschaftlich wieder auf dem Stand von 2021 ist, bevor Russland ein Jahr später angriff. Damals taxierte der IWF das BIP auf 200 Milliarden US-Dollar, das in den folgenden Jahren der Kriegswirtschaft zwar rapide sank, sich aber 2024 mit geschätzten 184 Milliarden US-Dollar einigermaßen erholt hatte. Innerhalb von zehn Jahren wären somit Investitionen von rund 55 Milliarden US-Dollar pro Jahr erforderlich, um die Ukraine wieder aufzubauen.

Donald Trump und Wladimir Putin
Russlands Präsident Wladimir Putin (l.) und US-Staatsoberhaupt Donald Trump verhandeln über den Frieden im Ukraine-Krieg – auf Kosten einer fairen Lösung? © Evan Vucci/AP/dpa

Ukraine braucht im Friedensfall massive Investitionen – größer als der Marshallplan?

Laut Bernd Weidensteiner, Ökonom der Commerzbank, sei dieses Szenario nicht unrealistisch. Aus realwirtschaftlicher Sicht würden Wiederaufbauhilfen aus der EU primär die Finanzierung notwendiger Importe wie Maschinen, Materialien und Fahrzeuge bedeuten. Ein Teil der Mittel würde zudem für ausländische Waren und Baufirmen aufgewendet, wodurch der direkte Inflationsdruck reduziert werde. Doch auch die ukrainischen Zulieferer, Dienstleister und Beschäftigte würden vom Aufschwung profitieren. Aktuell fehlt es im Land besonders an Fachkräften, die in der Vielzahl entweder zur Landesverteidigung vom Militär eingezogen wurden oder vor den Kriegsqualen ins Ausland geflüchtet sind. Bei einer Friedenslösung könnte die Ukraine mittels Demobilisierung und Rückkehrern die dann sogar noch höhere Nachfrage an Arbeitskräften bewältigen.

Und dennoch sei es laut Weidensteiner historisch gesehen ungewöhnlich, dass Hilfszahlungen mehr als ein Viertel des erwirtschafteten BIPs überstiegen. Zum Vergleich: Der Marshallplan, der nach dem Zweiten Weltkrieg den Wiederaufbau Europas förderte, entsprach meist zwei bis drei Prozent des BIPs der Empfängerländer.

Nach Friedenslösung mit Russland: EU müsste 90 Milliarden Euro pro Jahr für die Ukraine bereitstellen

Dennoch rechnet der Ökonom sogar mit noch höheren Kosten für die ausländischen Partner der Ukraine. Nach aktueller Sachlache wäre es in erster Linie die EU – und womöglich noch Großbritannien plus weiterer Partnerländer –, die die kalkulierten Gesamtkosten von 90 Milliarden US-Dollar pro Jahr:

  • 40 Milliarden US-Dollar für Militärhilfe. Selbst im dauerhaften Friedensfall müsste diese Summe weiterfließen, um die Ukraine für den Zweifelsfall kriegsfähig zu halten.
  • 25 Milliarden US-Dollar für Wiederaufbau. Damit würde knapp die Hälfte des Wiederaufbaus der Ukraine abgedeckt und die Wirtschaft in Gang setzen.
  • 25 Milliarden US-Dollar zur Unterstützung von Flüchtlingen. Ob ukrainische Flüchtlinge nach einem Friedensschluss zurückkehren, ist ungewiss. Viele stammen aus Regionen, die möglicherweise an Russland fallen könnten, und haben sich inzwischen in ihren Zufluchtsländern integriert.

Als Gegenrechnung: Derzeit zahlt die EU pro Jahr rund 80 Milliarden US Dollar, sodass sie sich die Finanzierung laut Weidensteiner ohne große Einschränkungen leisten könne. Einen minimalen Effekt hätte dagegen nur der Produktivitätsgewinn, den die EU durch den Wiederaufbau in der eigenen Wirtschaft erleben würde.

Sicherheitsgarantien der USA unter Trump sind brüchig – wie viel kostet die EU die eigene Verteidigung?

Unklar ist zudem, wer die Kosten für internationale Friedenstruppen tragen würde, die eine Einigung zwischen der Ukraine und Russland absichern sollen. Von Truppen aus Brasilien und China bis ausschließlich EU-Soldaten – derzeit erscheinen viele Konstellationen möglich. Sicher ist jedoch, dass sich die EU finanziell beteiligen müsste. Ebenso ungeklärt ist die Frage, inwiefern die brüchig gewordenen Sicherheitsgarantien der USA die europäische Verteidigungsfähigkeit beeinflussen. Denkbar wäre, dass die EU-Länder ihre Militärausgaben deutlich erhöhen müssen.

Dieser Posten würde so in jeder Mitgliedsnation einen großen Anteil im Haushaltsplan ausmachen. Polen hat seinen Etat bereits auf 4,7 Prozent des BIPs erhöht – als Antwort auf Trumps Alleingang in der Ukraine-Frage und zunehmender Bedrohungen durch Russland.

Merz fordert deutsche Führungsrolle in EU – UN-Sicherheitsrat sieht Russland nicht mehr als Aggressor

In Deutschland wäre ein derartiger Schritt auf über zwei Prozent nicht denkbar, auch wenn der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) EU-weit eine Führungsrolle in der Ukraine-Politik übernehmen möchte. Zudem ist der Status quo der Ausgaben derzeit über das Sondervermögen schuldenfinanziert und soll bereits weitgehend verplant sein.

Losgelöst von den finanziellen Kosten schwebt zudem noch ein weiterer Aspekt über einer Friedenslösung, der für viele Beteiligten ohnehin schwerer wiegt: Welche Gebiete muss die Ukraine opfern, um eine Einigung mit Russland zu erzielen? Dass sie dabei – wie auch bisher die EU – „am Katzentisch“ sitzt und nicht mitreden darf, wiegt für viele Beteiligte schwerer als monetäre Finanzierungsängste. Die wachsende Akzeptanz dieses Kurses zeigt eine Entscheidung des UN-Sicherheitsrats vergangene Woche: Zehn der 15 Mitglieder stimmten einem US-Antrag zu, der Russland nicht (mehr) konkret als Aggressor benennt. Slowenien, Dänemark, Griechenland, Großbritannien und Frankreich enthielten sich – Letztere verzichteten zudem auf ihr Vetorecht.

Auch interessant

Kommentare