Das Herz von Ebersberg schlägt wieder: Die Wiederbelebung der historischen Kirchturmuhr

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Wie neu tickt das Uhrwerk der Kirchturmuhr von St. Sebastian in Ebersberg. Die Patina ist geblieben. Nun arbeiten die Walzen und Zahnräder locker so genau und ausdauernd wie beim Einbau 1784, weiß Kirchenkundler Robert Bauer. © Artist S.ROSSMANN

In Ebersberg hat die Zeit wieder eine Stimme, dank der liebevollen Restaurierung der Kirchturmuhr von St. Sebastian. Dieses Projekt offenbart nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch die tiefe Verbundenheit der Gemeinde mit ihrer Geschichte. Ein Symbol der Beständigkeit, das nun wieder die Stunden zählt.

Ebersberg – Das eiserne Herz von Sankt Sebastian hat wieder einen Puls. Das Ticken der mechanischen Kirchturmuhr aus dem 18. Jahrhundert erfüllt die Kammer oben im Kirchturm, deren Bretter es wie ein Brustkorb umschließen. Und wie ein Arzt, der es ernst meint mit seinem Patienten, sagt der Plieninger Großuhrenspezialist Kurt Strehlow über den Moment, als das Pendel wieder dort schwang, wo es hingehört: „Da ist mir ein Stein vom Herzen gefallen.“

Eine Kirchturmuhr auf Kur: Ebersbergs Glockenschlag monatelang verstummt

Seit November haben die Ebersberger keinen Glockenschlag aus ihrer Pfarrkirche gehört. Die Uhr war auf Kur – nach fast 300 Jahren mit nur teilweisen Reparaturen musste eine Generalüberholung her. Die rund 30 000 Euro, größtenteils aus Spenden finanziert, war es den Ebersbergern wert: In Alter und Bauart sucht das Uhrwerk in ganz Bayern ihresgleichen. Nur das Alter hatte ihr zugesetzt. Teils waren die Lager so durchgewetzt, dass die ernsthafte Gefahr bestand, dass die schweren Gewichte durch den Turm nach unten krachen.

Die Uhrmacher: Gernot Dürr (57, li.) und Kurt Strehlow (67) im Turm.
Die Uhrmacher: Gernot Dürr (57, li.) und Kurt Strehlow (67) im Turm. © Artist S.ROSSMANN

Nun glänzen die uralten Zahnräder wie neu. Alle frisch geputzt, geölt und gewachst, ohne die Patina zu verlieren. Geblieben sind auch die Inschriften früherer Restaurateure, von Birkmaier Anfang des 20. Jahrhunderts über Reinhardt und Krammer in den 1960ern.

Turmuhrenbauer Gernot Dürr aus Rothenburg ob der Tauber, der die Restaurierung in seiner Werkstatt leitete, sagt: „Das sind Zeitzeugnisse.“ Sie haben selber so eins hinterlassen, Dürr und Strehlow: In der neuen Hemmung aus Bronzeguss, dem Zahnrad, das den regelmäßigen Gang der Uhr verantwortet, sind ihre Nachnamen eingelassen, gemeinsam mit der Jahreszahl 2024.

Herzstück: Die Hemmung sorgt dafür, dass das Uhrwerk im Takt bleibt. In dem neu gegossenen Bronze-Zahnrad haben sich die Uhrmacher verewigt.
Herzstück: Die Hemmung sorgt dafür, dass das Uhrwerk im Takt bleibt. In dem neu gegossenen Bronze-Zahnrad haben sich die Uhrmacher verewigt. © Artist S.ROSSMANN

Die Vereine helfen schleppen - drei Uhrenspezialisten setzen das Puzzle zusammen

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Am vergangenen Freitag haben rund drei Dutzend Helfer aus allen möglichen Ebersberger Vereinen die insgesamt 460 Kilo schweren Uhrteile wieder hinauf in den Turm geschleppt. Übers Wochenende haben die Uhrmacher das stählerne Puzzle wieder zusammengesetzt –mit der Hilfe von Michael Münch, einem gelernten Kunstschmied aus der Gemeinde Steinhöring, der in derselben Branche arbeitet.

Neue Kästen für die drei Gewichte, die über Walzen die Uhr antreiben. Der Aufzug ist elektrisch – die Seile wieder aus Hanf, statt Stahl, um das Material zu schonen.
Neue Kästen für die drei Gewichte, die über Walzen die Uhr antreiben. Der Aufzug ist elektrisch – die Seile wieder aus Hanf, statt Stahl, um das Material zu schonen. © Artist S.ROSSMANN

Im Idealfall hält die Uhr weitere 300 Jahre, hoffen die Uhrmacher. Gemeinsam mit dem Ebersberger Kirchenkundler Robert Bauer (67) scherzen sie über Garantiefristen, die menschliche Lebensspannen vielfach übersteigen. Dieser Tage soll die Uhr wieder die Glocken von St. Sebastian zum Klingen bringen – wie schon seit Jahrhunderten. „Damit die Ebersberger wieder ruhig schlafen können“, sagt Robert Bauer schmunzelnd. Am Montag glückte der erste Test.

Sturm beschädigt Zeiger: Noch sind Reparaturen fällig

So mancher Bürger wird noch einige Zeit stirnrunzelnd den Turm empor schauen: Kürzlich hat ein Sturm die Zeiger auf der Westseite beschädigt, auf dem Ziffernblatt, das der Innenstadt zugekehrt ist. Ein paarmal werden die Uhrmacher noch hinaufsteigen müssen, damit zum 70-jährigen Jubiläum der Stadterhebung Ebersbergs im Juni wirklich alles funktioniert.

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