Nach Eishockey-Tragödie: Keine Einigung bei Gütetermin im Fall Glemser/Pietsch

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Hinter diesen Türen fand der Gütetermin statt: das Amtsgericht in Garmisch-Partenkirchen. © DPA/Sven Hoppe

Der Versuch einer Einigung im Fall des nach einem Check beim Eishockey querschnittsgelähmten Mike Glemser ist wenig überraschend gescheitert. Nun folgt ein Prozess vor dem Arbeitsgericht.

Garmisch-Partenkirchen – Es ist eine Tragödie im deutschen Eishockeysport: die schwere Verletzung von Mike Glemser am 3. Februar 2023 im Oberliga-Spiel zwischen dem SC Riessersee und den Starbulls aus Rosenheim. Der heute 27-Jährige hatte neben dem Tor einen leichten Check von SCR-Verteidiger Jan-Niklas Pietsch erhalten, stürzte und prallte in der Folge mit dem Kopf in die Bande. Dabei brach er sich den vierten und fünften Halswirbel, ist seither querschnittsgelähmt.

Gestern trafen sich beide Parteien vor dem Arbeitsgericht in Garmisch-Partenkirchen zum Gütetermin. Dabei wird versucht, eine Einigung ohne weiteres Verfahren zu erzielen. Doch wenig überraschend scheiterte dieser Ansatz. Selbst Richterin Birgit Römheld hielt fest, dass „ich keinen Vergleich sehe“. Wolfram Cech, Anwalt von Pietsch, machte klar: „Selbst wenn ich mich auf irgendeine Art vergleichen würde, würde Regress auf meinen Mandanten zukommen.“ Und das sieht der Arbeits- und Sportrechtler als absolut unangemessen an. Oliver Negele, Rechtsbeistand von Glemser, hatte es nicht anders erwartet. In seinem kurzen Statement machte er deutlich: „Ich denke nicht, dass wir eine Einigung erzielen können.“ Somit ist der weitere Weg vorgezeichnet: Es wird zu einer Verhandlung vor der Kammer des Arbeitsgerichts in Garmisch-Partenkirchen kommen. Das dürfte einige Monate dauern, da beide Seiten nun ihre Schriftsätze einreichen müssen. Zunächst Glemsers Anwalt, dann kann die Gegenseite dazu Stellung beziehen.

Glemser erscheint persönlich mit Lebensgefährtin vor dem Arbeitsgericht

Mike Glemser erschien gestern selbst zum kurzen Termin. Seine Lebensgefährtin Lara Lindmayer begleitete ihn, der im schweren Rollstuhl saß. Von seiner Seite gab es gestern keine Stellungnahme, ebenso wenig von seinem Anwalt. Letzterer bekundete vor Gericht nur, dass es aus seiner Sicht diesen Termin nicht gebraucht hätte, weil eben wenig Aussicht auf Einigung bestand. Pietsch blieb dem Gericht fern. „Das habe ich ihm auch geraten“, betont Cech. „Das hätte an der Sache nichts geändert.“ Ein persönliches Erscheinen war vom Gericht nicht angezeigt gewesen.

Richterin sieht keinen Ansatz für einen Vergleich

Bekanntlich geht es im künftigen Prozess um enorme Summen: Glemser fordert Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 650 000 Euro, insgesamt geht es sogar um einen Streitwert von rund 820 000 Euro. Zudem sollte die Gegenpartei auch die Anwaltskosten übernehmen. Im letzten Punkt konnte die Richterin der Klägerpartei aber keine Hoffnung machen. Diese Möglichkeit hätte am Landgericht bestanden, von dort wurde die Sache aber an das Arbeitsgericht verwiesen. „Hier können keine Anwaltskosten geltend gemacht werden.“ Zur Sache an sich äußerte sich die Richterin nur knapp: Im vorliegenden Fall handle es sich um einen Arbeitsunfall, bei dem die normalen Schadensansprüche über die Berufsgenossenschaft abgegolten werden. „Nur im Ausnahmefall gibt es eine Haftung, die zu zivilrechtlichen Ansprüchen führen kann“, betonte Römheld. Sie stellte klar, dass sie an dieser Stelle keinerlei Rechtsspruch herbeiführen könne, dafür brauche sie ihre Kammer.

Eishockeyspieler Mike Glemser
Prozessiert gegen den Gegenspieler, der ihm einen Check mit dramatischen Folgen versetzt hat: Mike Glemser mit Lebensgefährtin Lara Lindmayer. © DPA/Bernd Weißbrod

Pietsch-Anwalt Cech sieht große Bedeutung für Kontaktsportarten

Cech ging am Rande des Gütetermins noch einmal auf die Bedeutung des Falles ein. Sollte Glemser tatsächlich Ansprüche anmelden dürfen, „dann müsste ich all meinen Mandaten raten, sofort mit Eishockey aufzuhören“. Es könne nicht sein, dass nach einem Unfall auf dem Eis durch einen Regelverstoß erst im Nachgang entschieden wird, ob ein Sportler dafür in Haftung genommen werden kann oder nicht. „Das Ganze ist eine Tragödie, und es tut Herrn Pietsch auch leid“, merkte Cech an. Nur seien die Folgen dieses Vorfalls auf dem Eis Resultat einer „Verkettung von Umständen“ nach dem Check. Derartige Körperkontakte gebe es 70 bis 100 pro Partie. Letztlich sei es sogar nur dazu gekommen, da die Linienrichter einen Icing-Pfiff verweigerten, das Spiel weiterlief.

Forderungen mit Geldsummen, wie Glemser sie einfordert, hat es laut Cech bisher in der deutschen Gerichtsbarkeit nicht gegeben. „Da ging es mal um 20 000 oder 25 000 Euro“, betont der Anwalt aus Hannover. Die Klägerseite beabsichtigt nach eigener Aussage, die private Haftpflichtversicherung von Pietsch zu belangen. Die habe laut Cech aber bereits „kategorisch abgelehnt“. Warum? Weil von Glemsers Seite ein Vorsatz bei diesem Check unterstellt wird. „Da zahlt eine Haftpflichtversicherung grundsätzlich nicht, da der Vorsatz ausgeschlossen ist“, sagt Cech. Berufsspieler im Eishockey sind generell bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) unfallversichert, die der Arbeitgeber als Pflichtversicherung abschließen muss.

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