SPD rechnet mit sich selbst ab – und nennt heftige Fehler aus Scholz-Ära
Nach der Schlappe bei der Bundestagswahl plant die Partei ein neues Grundsatzprogramm. Der Grund: Die Scholz-Regierung habe nicht den „Puls der Zeit getroffen“.
Berlin – Schon kurz nach dem Ausgang der Bundestagswahl und dem historisch schlechtesten Ergebnis für die SPD war klar: Innerhalb der Partei muss sich etwas ändern. Jetzt, rund drei Monate später, soll ein neues Grundsatzprogramm und eine Kommunikationsstrategie mit Blick auf die Bundestagswahl 2029 ausgearbeitet werden.
„Die SPD steht vor einer tiefgreifenden Erneuerung“, heißt es in einer Beschlussvorlage für das am Montag (2. Juni) tagende Parteipräsidium, aus dem die Nachrichtenagentur Reuters und die Bild-Zeitung zitierten. Das Konzept soll vom Präsidium und Vorstand gebilligt und beim Parteitag Ende des Monats beschlossen werden.
SPD rechnet mit Ex-Kanzler ab: Scholz hat nicht „Puls der Zeit getroffen“
Unter der Überschrift „Veränderung beginnt mit uns“ plant die SPD vor allem nach der Wahlniederlage einen Umbau der Partei. Denn in dem Leitantrag rechnet die Partei auch mit sich selbst und dem ehemaligen Kanzler Olaf Scholz ab. In dem Dokument heißt es, Schuld am Vertrauensverlust seien „ein ganzes Bündel (…)“ aus „strukturellen langfristigen Entwicklungen“ unter den Wählern und „akute externe Faktoren“.
Mit akuten externen Faktoren sind unter anderem die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg gemeint. Zugleich sei auch „enttäuschte Erwartungen“ an die Scholz-Regierung, „welche weder kommunikativ noch politisch den Puls der Zeit getroffen“ habe. Der Vertrauensverlust sei in „weiten Teilen hausgemacht“, zitiert die Bild-Zeitung aus dem Beschluss.
PR statt Dialog: Für SPD-Spitze ist zu komplexe Kommunikation schuld an Bundestagswahl-Schlappe
Als weitere Ursachen werden auch fehlende strategischer Klarheit bis hin zu mangelnder Präsenz in den Lebenswelten vieler Menschen genannt. „Gerade Arbeitnehmende, junge Menschen und von sozialer Verunsicherung betroffene Gruppen haben sich spürbar von uns abgewandt.“
Es ist völlig klar, dass mit dem anstehenden Bundesparteitag klare programmatische Konsequenzen auf den Tisch müssen, aber auch organisatorische.
Insbesondere bei der Kommunikation räumt die Parteispitze Fehler ein: „Unsere politische Kommunikation war oft zu komplex, hat die Gefühle und Lebenslagen der Menschen nicht erreicht und wurde zu oft als PR verstanden – nicht als Dialog.“ Auch Organisation und Parteikultur hätten den eigenen Ansprüchen nicht standgehalten. Ein „Weiter so“ komme nicht infrage, heißt es im Antrag.
Fragt sich nur, wie ernst man das neue Mantra der SPD nehmen kann. Denn wirkliche personelle Konsequenzen aus der Bundestagswahl gab es in der Partei nicht. Ganz im Gegenteil. Der Bundesvorsitzende Lars Klingbeil steht weiter an der Spitze der Partei und ist zum Finanzminister und Vizekanzler aufgestiegen. Generalsekretär Matthias Miersch stieg ebenfalls auf und wurde zum neuen Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag gewählt. Lediglich Rolf Mützenich kündigte direkt nach dem Wahldebakel seinen Rücktritt als Fraktionschef an.
Ex-SPD-Fraktionschef warnt vor „Sandwich-Position“ – „Wir verlieren an Linke und an die AfD“
Dennoch äußert sich Mützenich weiterhin zur Entwicklung seiner Partei. Bereits Mitte Mai fand er klare Worte für das Wahlergebnis und die Zukunft der SPD: „Es ist völlig klar, dass mit dem anstehenden Bundesparteitag klare programmatische Konsequenzen auf den Tisch müssen, aber auch organisatorische“, sagte er dem damals dem Stern. „Wir sind in einer Sandwich-Position: Wir verlieren an Linke und an die AfD.“ Das sei gefährlich und darauf brauche es Antworten.

Die SPD hatte bei der Bundestagswahl mit 16,4 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis erzielt. Es wäre „verwunderlich, wenn nach diesem Wahlergebnis alles ruhig bliebe“, sagte Mützenich dazu. Er äußerte sich damals auch zu einem neuen Grundsatzprogramm: „Wir sollten schauen, ob unser Programm noch auf der Höhe der Zeit ist“, sagte der frühere SPD-Fraktionschef. „Nur zu regieren ist zu wenig.“ Weitere Entscheidungen werden auf dem Bundesparteitag der SPD vom 27. bis 29. Juni in Berlin gefällt werden (bg).