Drohnenboote für die Ostsee: Aus Angst vor Putin rüstet Polen seine Marine massiv auf

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Drohnenboote für die Ostsee: Aus Angst vor Putin rüstet deutsches Nachbarland seine Marine massiv auf

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Ansehnlich und abschreckend: Polnische Marinesoldaten stehen Spalier. Aus einer vernachlässigten Teilstreitkraft soll eine schlagkräftige Truppe entstehen. Polen will jetzt massenhaft Marinedrohnen einkaufen und in diesem Jahr auch noch drei U-Boote bestellen. © IMAGO/Mateusz Slodkowski

Ober- wie unterhalb der Wasseroberfläche will Polen keinen Zentimeter Ostsee mehr aus den Augen lassen und nimmt Geld in die Hand – eine Panikattacke.

Warschau – „Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass wir in diesem schwierigen Moment wachsam sind. Die polnische Armee ist wachsam und vor Ort“, sagt Cezary Tomczyk. Den stellvertretenden Verteidigungsminister zitiert die Regierung Polens im Zusammenhang mit der „neuen Sicherheitsrealität“ zum Schutz der Ostsee, wie sie klarstellt. Der Ukraine-Krieg und vor allem Wladimir Putins aggressiver Expansionsdrang stellen den östlichsten Nato-Partner vor immense Herausforderungen. Das Land will neben der größten Panzerflotte der Nato auch die Marine ertüchtigen – „mit dem Ziel, die Taktiken der ukrainischen GUR und SSU zu kopieren“, wie der Defense Express schreibt.

Das Magazin berichtet, Polen rüste sich zu Wasser mit Schwärmen „ultrabilliger Marinedrohnen“, weil im Ukraine-Krieg der ukrainische Sicherheitsdienst (SSU), der ukrainische Verteidigungsgeheimdienst (GUR) und andere mit Drohnen ausgerüstete Einheiten im Kampf um das Schwarze Meer erstaunliche Erfolge erzielt hatten. Für einen möglichen Konflikt testeten polnische Spezialeinheiten aktuell Marinedrohnen der US-Firma HavocAI, berichtet Defense Express. Wie das Magazin Defense One vor einigen Wochen berichtet hat, plane das Marinedrohnen-Startup HavocAI, bis zum Jahresende ein 30 Meter langes Roboterboot zur Serienreife gebracht zu haben.

Getrieben von Putin: „Wir haben beschlossen, unverzüglich mit der Beschaffung von Drohnen zu beginnen“

Laut dem Magazin sei die US-Marine bereits Kunde der Softwareschmiede und nutze im Pazifik aktuell 32 USV (Unmanned / Uncrewed Surface Vessel) des Unternehmens. Diese scheinbar erprobten Boote hätten eine Länge von etwas mehr als zehn Metern. Das Unternehmen wolle jetzt beweisen, dass deren Software auch für größere Schiffe nutzbar sei. Die größere Größe würde einen Zuwachs an Nutzlast bedeuten, beispielsweise in der Funktion einer Kamikaze-Überwasserdrohne beziehungsweise eines Raketenträgers, wie sie die inzwischen erwachsener gewordene ukrainische Magura-Drohne darstellt. Offenbar sind die US-amerikanischen Entwickler weniger weit fortgeschritten als die ukrainischen.

„So soll möglichst jede Landnahme von Seiten Russlands verhindert werden. Anders als in Deutschland fürchten die Polen weniger den Krieg, sondern vielmehr eine erneute russische Fremdherrschaft.“

Womöglich haben sie auch größere Herausforderungen zu meistern – die mit der Größe zusammenhängen. Die digitalen Steuerungssysteme scheinen diffiziler zu sein, wenn auch mehr Masse mit mehr kinetischer Energie bewegt werden müsse; auch das letztendliche Verständnis für das Verhalten auf See scheint sich noch entwickeln zu müssen. Die überaus erfolgreichen Magura-Drohnen der Ukraine sind keine sechs Meter lang, die Gewässer vor der ukrainischen Küste erscheinen bekannt, die Einsätze scheinen singulär gewesen zu sein oder zumindest in einem sehr kleinen Verband. Die US-Marine plane laut Defense One wahrscheinlich Einsätze im Indopazifik sowie vermutlich im Verbund mit klassischen Überwasserschiffen. Demnach müsse sichergestellt sein, dass die Drohnen keine eigenen Schiffe im Wert von etlichen Millionen angreifen.

„Wir haben beschlossen, unverzüglich mit der Beschaffung von Drohnen und modernerer Ausrüstung durch die Marine zu beginnen. Mit Drohnen können wir das Geschehen unter Wasser, auf dem Wasser und darüber effektiv überwachen“, verkündete Polens Ministerpräsident Donald Tusk im Mai. Polen gibt inzwischen viel mehr Geld für seine Verteidigung aus als ältere Bündnismitglieder. Der bis 2023 amtierende Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak hatte erklärt, Polen wolle „die größte Landstreitkraft in Europa“ aufbauen. Daran arbeitet das Land eifrig. Immerhin hat Polen aber auch 500 Küstenkilometer zur Ostsee zu verteidigen.

Aggressor Russland? „Wir haben bereits Aktionen erlebt, die sehr schwere Schäden verursacht haben“

Anders auch als beispielsweise Deutschland sind die polnischen Militärs ständig wachsam gegenüber der globalen Entwicklung: Die heute gültige polnisch-russische Grenze verläuft fast geradlinig etwa 232 Kilometer lang zwischen der Republik Polen und der Verwaltungseinhalt (Oblast) Kaliningrad in der Russischen Föderation. Das Kaliningrader Gebiet ist eine Exklave, also getrennt vom übrigen russischen Territorium. Zudem trennt eine 418 Kilometer lange Grenze das EU- und Nato-Mitglied von Russlands engstem Verbündetem Belarus. Mit 3,9 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts (BIP) war der polnische Verteidigungshaushalt 2023 fast doppelt so hoch wie das einstige Nato-Ziel von zwei Prozent des BIP für jedes Land – ein Ziel, mit dem sich beispielsweise Bündnispartner wie Deutschland und Frankreich immer schwer getan haben.

„Nicht jedem ist bewusst, wie oft kritische Infrastrukturobjekte – internationale Objekte, die auf dem Meeresboden der Ostsee liegen – Sabotage- oder sogar Terroranschlägen ausgesetzt sind. Wir haben bereits Aktionen erlebt, die sehr schwere Schäden verursacht haben“, sagt Tusk. Die Havoc-Boote sind ausgelegt auf Masseneinsatz. Eines soll 100.000 US-Dollar kosten. In welcher Größenordnung Polen einsteigen will, ist fraglich.

Sehr viel wahrscheinlicher aber ist, dass Polen offenbar in Südkorea nicht nur Panzer kauft, sondern auch seine U-Boot-Flotte von Grund auf modernisieren will. Das berichtet Army Recognition. Bereits 2023 wollte Polen drei neue U-Boote bestellt haben, aufgrund anderer Rüstungsvorhaben hatte sich der Plan über 2024 hinweg in dieses Jahr verschoben. Laut Army Recognition soll der Vertrag aber in diesem Jahr unterschrieben werden. Gut im Rennen seien die südkoreanische Werft Hanwha Ocean samt ihrer Subunternehmer, wie das Magazin Europäische Sicherheit & Technik (ESUT) im vergangenen Jahr berichtet hat.

Lehren aus dem Ukraine-Krieg: Polen steht vor einer wachsenden Abschreckungslücke auf dem Wasser

„Nach zwei Jahrzehnten mangelnder Investitionen in die Marine und der anhaltenden Abhängigkeit von einem einzigen, 40 Jahre alten U-Boot der Kilo-Klasse steht Polen vor einer wachsenden Abschreckungslücke, die die Abhängigkeit von alliierten Streitkräften birgt“, haben im April Rafał Lipka und Sebastian Czub geschrieben. Für den polnischen Thinktank Casimir Pulaski Foundation unterstreichen sie die Bedeutung an U-Booten mit Marschflugkörpern und außenluftunabhängigem Antrieb für die regionale Stabilität im Ostseeraum und die polnische Schiffbau-Industrie. Die U-Boote sollen sowohl abschrecken, als auch spionieren, überwachen und allgemeinen russischen Marineeinsätzen aus Kaliningrad als Stolperdraht entgegenstehen.

Laut Auskunft von Army Recognition böten die Südkoreaner neben den drei U-Booten des Typs KSS-III Batch-II „erhebliche lokale Industriebeteiligung, Ausbildungspakete und langfristige operative Unabhängigkeit“, so das Magazin. Südkorea will offenbar als Rüstungsgigant an der Seite der Nato auftrumpfen. Polen erscheint den Südkoreanern womöglich als Scheunentor zum Einfall in die Rüstungsindustrien Westeuropas. Laut Army Recognition würden „angesichts der Plattformanforderungen und des damit verbundenen Lebenszyklus-Supports drei Milliarden Euro in die U-Boote“ fließen.

Wie die Ukraine: Polen fürchten weniger den Krieg, sondern vielmehr eine erneute russische Fremdherrschaft

Polen kauft zurzeit scheinbar maßlos ein. 20 Milliarden Euro bekommt das Land von der Europäischen Union. Auf Pump. Rückzahlbar bis 2070, wie der Sender Polskie Radio berichtet hat. Auf dem EU-Gipfel in Brüssel im März hatte sich der polnische Ministerpräsident weit aus dem Fenster gelehnt. Wie Polskie Radio berichtet hat, habe Tusk erklärt, Europa habe das von Russland initiierte Wettrüsten anzunehmen und zu gewinnen. „Europa muss diese Herausforderung annehmen“, so der Premierminister. Er zeigte sich zuversichtlich, dass Russland das Wettrüsten verlieren werde, ähnlich wie die Sowjetunion vor 40 Jahren, schrieb Tusk auf der Plattform X.

Auch der Kauf der Drohnen kann in die Milliarden gehen. Jan Opielka äußert Zweifel, dass viel Technologie auch viel helfe. Der Autor des Freitag zitiert Janusz Zemke dahingehend, dass sich Polen übernehmen könne: „Der Wert der geplanten Ausgaben allein für Militärtechnologie wird bis zum Jahr 2035 bei 210 Milliarden Euro liegen. Und noch immer versinken die Finanzierungswege im Nebel. Wir reden von Ausgaben, die den Jahreshaushalt Polens übersteigen“, so der Staatssekretär im Verteidigungsministerium Polens von 2001 bis 2005 im Freitag.

Aber die Polen seien getrieben von Angst, konstatiert Björn Müller im Bundeswehr-Reservistenmagazin loyal. „So soll möglichst jede Landnahme von Seiten Russlands verhindert werden. Anders als in Deutschland fürchten die Polen weniger den Krieg, sondern vielmehr eine erneute russische Fremdherrschaft.

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