Kampagne gegen Brosius-Gersdorf: Offen mit Rechtsextremen“ zusammengearbeitet

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Der Rückzug der Verfassungsrechtlerin Brosius-Gersdorf sorgt weiter für Diskussionen. Die Politikwissenschaftlerin Antje Schrupp im Interview.

Frankfurt –  Nach einer beispiellosen Kampagne gegen ihre Person ist die Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf von der Kandidatur zur Verfassungsrichterin zurückgetreten. Die SPD-Kandidatin teilte am Donnerstag (7. August) über eine Bonner Kanzlei mit, nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Die Frankfurter Rundschau sprach mit der Politikwissenschaftlerin und Autorin Antje Schrupp über den Fall.

Frau Schrupp, hat Sie der Rückzug der Verfassungsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf überrascht?

Nicht wirklich, als klar wurde, dass sie keine Chance hat, gewählt zu werden. Als Juristin ist es auch nicht ihre Aufgabe, sich für symbolische Auseinandersetzungen zwischen politischen Parteien zur Verfügung zu stellen. Von daher kann ich sehr gut nachvollziehen, dass sie nicht mehr zur Verfügung steht.

Kampagne gegen Brosius-Gersdorf: „Offen mit Rechtsextremen“ zusammengearbeitet

Welche Rolle spielt die Union und was hätte die SPD tun können, um dies zu verhindern?

Bei der Union war es, glaube ich, ein Zusammenspiel von Inkompetenz, falscher politischer Einschätzung und inhaltlicher Zustimmung zu den Positionen der extremen Rechten, die die Kampagne gegen Brosius-Gersdorf gestartet haben. Dass viele in der CDU jede Liberalisierung beim Thema Abtreibung ablehnen, ist ja bekannt. Neu ist, dass sie das auf eine Weise zur Prinzipienfrage machen, die klar demokratieschädigend ist. Dass sie sich also über Absprachen ihrer Parteiführung hinwegsetzen und offen mit Rechtsextremen und Faschisten zusammenarbeiten. Die Inkompetenz der Parteiführung zeigt sich darin, dies nicht rechtzeitig vorhergesehen zu haben.

Die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf steht nicht mehr für das Amt als Richterin am Bundesverfassungsgericht zur Verfügung. (Archivbild) © Britta Pedersen/dpa

Ob die SPD etwas anders hätte machen können, weiß ich nicht. Ich sehe nicht, wo. Zunächst musste sie ja davon ausgehen, dass ihre Kandidatin, wenn sie erst einmal parteiübergreifend vorgeschlagen wurde, dann auch gewählt wird. Brosius-Gersdorf wäre ja nicht die erste Verfassungsrichterin mit liberalen Ansichten zum Paragraf 218 gewesen. Und wenn die SPD dann sofort vor der rechtsextremen Kampagne eingeknickt wäre und eine den Rechten genehmere Kandidatin gefunden hätte, wäre das auch nicht richtig gewesen.

Zur Person

Antje Schrupp ist Politikwissenschaftlerin, Journalistin und Bloggerin, Buchautorin und Übersetzerin. Sie lebt in Frankfurt am Main. Ihr neustes Buch Unter allen Umständen frei – Revolutionärer Feminismus bei Victoria Woodhull, Lucy Parsons und Emma Goldman ist im Juli 2025 im Ulrike Helmer Verlag erschienen.

Wie ist es um die Politik bestellt, wenn eine öffentliche Kampagne eine Frau dermaßen beschädigen kann, dass sie sich unter Druck zurückzieht?

Das ist nicht wirklich etwas Neues. Frauen müssen, bevor sie ein öffentliches Amt antreten, schon immer erst einmal unter Beweis stellen, dass sie überhaupt geeignet sind. Denn ursprünglich sind das ja Ämter nur für Männer gewesen, zu denen Frauen erst nachträglich zugelassen wurden. Deshalb können Frauen es sich viel weniger leisten, Positionen zu vertreten, die als links oder als feministisch wahrgenommen werden. Ich bin überzeugt, im Fall eines Mannes wären die Diskussionen anders abgelaufen. Männer haben viel mehr Spielraum, um die Grenzen des Mainstreams auch mal zu überschreiten.

Rückzug von Brosius-Gersdorf: „Das Wort ‚Kulturkampf‘ finde ich etwas merkwürdig“

Viel ist von Kulturkamp die Rede. Teilen Sie diese Auffassung quasi einer reaktionären Revolution?

Das Wort „Kulturkampf“ finde ich etwas merkwürdig, weil es eine reine Politik, die unabhängig von Kultur ist, ja nicht gibt. Kultur ist immer umkämpft, und das ist nichts Schlimmes. Die wichtige Frage ist, ob wir uns darüber inhaltlich, sachlich und respektvoll auseinandersetzen, oder ob Kultur- und Identitätsthemen dazu benutzt werden, populistische Zustimmung zu bekommen. Ob man dabei also rechtsextreme Talking Points aufgreift, die von der neuen Rechten strategisch ins Spiel gebracht wurden und so weiter. Das ist ganz gewiss bei allem, was zum Beispiel mit sogenannter „Gendersprache“ zu tun hat, der Fall, das ja seit langem ein Fetischthema der radikalen Rechten ist.

Wie sieht die politische Zukunft aus? Bewegt sich die Union in Richtung AfD?

Ich verliere tatsächlich so langsam die Hoffnung, dass es der CDU mit der derzeitigen Strategie auf Dauer gelingen wird, die Brandmauer gegenüber der AfD aufrechtzuerhalten. Es werden in deren Reihen immer mehr Stimmen laut, die für eine Zusammenarbeit plädieren oder einfach auch inhaltlich Positionen vertreten, die so nah an der AfD sind, dass man sich fragt, wozu dann eine Brandmauer überhaupt noch gut sein soll. Ich befürchte, eine Regierungsbeteiligung der AfD nach 2029 ist eine durchaus realistische Möglichkeit.

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