Bei der Europawahl droht ein Rechtsrutsch: Die SPD um Katarina Barley bläst deswegen bei einem Parteitag zum Angriff – und nimmt die Union in Verantwortung.
Berlin – Gemeinsam gegen Rechts: Trotz innenpolitischer Differenzen hat die SPD einen Aufruf zu einem geschlossenen Handeln gegen rechtsextreme Tendenzen in der EU gestartet. So appellierte die designierte EU-Spitzenkandidatin der SPD, Katarina Barley, die Europawahl 2024 nicht zu einer Protestabstimmung gegen die Ampel-Koalition in Deutschland zu machen. Bei aller Unzufriedenheit ginge es „um etwas Größeres“, sagte sie zu IPPEN.MEDIA vor einem anstehenden Parteitag und fügte hinzu: „Europapolitische Geisterfahrer fordern den Austritt Deutschlands aus der EU. Es geht deshalb um nichts weniger als die Zukunft Europas.“ Ihre Parteikollegen nahmen diesbezüglich auch die CDU von Friedrich Merz und die CSU von Markus Söder in die Verantwortung.
Parteitag zur Europawahl: SPD kürt Katarina Barley zur Spitzenkandidatin – Rede von Scholz
Die SPD bereitet sich am Sonntag (28. Januar) auf einer Delegiertenkonferenz in Berlin auf die Europawahl am 9. Juni vor. Die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley, soll wie schon vor fünf Jahren zur Spitzenkandidatin gewählt werden – und einen Rechtsruck in Europa verhindern. Außerdem wollen die rund 150 Delegierten über ihr Wahlprogramm mit dem Titel „Gemeinsam für ein starkes Europa“ abstimmen. Die Hauptreden halten Barley und Bundeskanzler Olaf Scholz, der eine maßgebliche Rolle im Wahlkampf einnehmen soll.
Barley begründete die Entscheidung mit der Rolle, die Scholz in Europa spielt. „Er ist eine starke europäische Figur. Und das, hoffe ich, wird uns helfen“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Seine Rolle werde sehr respektiert in Europa. „Von Deutschland hängt viel ab. Und vom deutschen Bundeskanzler hängt viel ab. Und er hat sehr, sehr viele positive Impulse in seiner Regierungszeit in die Europäische Union eingebracht.“
„Es geht um was Größeres“: Barley wehrt sich gegen Protestabstimmung für Ampel
Scholz und seine Ampel-Regierung mit Grünen und FDP in Berlin befinden sich seit Monaten jedoch im Stimmungstief. In Umfragen zur Bundestagswahl liegen die Sozialdemokraten derzeit bei 13 bis 16 Prozent. Bei der letzten Europawahl 2019 hatte die SPD mit 15,8 Prozent ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl eingefahren. Angesichts von Haushaltskürzungen und internen Streitigkeiten können die Koalitionsparteien derzeit wenig punkten und liegen in den Meinungstrends stabil hinter der Union und der in Teilen rechtsextremen AfD. Obwohl die Rechtspopulisten, die bei der Europawahl einen deutschen Austritt aus dem EU-Bündnis – den sogenannten Dexit – fordern, zuletzt nach Bekanntwerden von radikalen Geheimtreffen einen ersten Stimmungsdämpfer nach einem monatelangen Umfrage-Hoch kassierten, konnten die Ampel-Partner nicht davon profitieren.
Dennoch zeigte sich Barley kämpferisch. Trotz des schlechten Abscheidens bei der vergangenen Wahl sei es das Ziel, dieses Ergebnis deutlich zu verbessern, sagte Barley. Einen konkreten Wert wollte sie aber nicht nennen. „Das Entscheidende ist das, dass wir alle alles in diese Wahl reinlegen und dann das bestmögliche Ergebnis erzielen. Ich halte überhaupt nichts davon, Zahlen an die Wand zu malen.“ Es liege in der Hand der Wählerinnen und Wähler, welchen politischen Weg das Europaparlament nehme, sagte sie zu IPPEN.MEDIA. „Die vielen Demonstrierenden auf den Straßen stimmen mich zuversichtlich.“
Distanzierung gefordert: SPD attackiert Weber, Söder und Merz
SPD-Parteivize Achim Post nahm für den Kampf gegen Rechts aber auch CDU und CSU in die Verantwortung. Vor der Europadelegiertenkonferenz forderte er von der Union, sich auch auf EU-Ebene von rechtsextremen Parteien zu distanzieren – statt immer neue Angriffe auf die Ampel zu starten. Sowohl der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) Manfred Weber, der zugleich auch Stellvertreter von Parteichef Markus Söder ist, als auch CDU-Chef Friedrich Merz müssten vor der Europawahl klarmachen, dass sie nicht für eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen bereitstünden, sagte Post den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Die Brandmauer muss auch in Europa hochgezogen werden“, betonte Post.
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Die im Juni stattfindende Europawahl könnte die extremen Rechten im Europaparlament stärken, warnte Post weiter. Ihn beunruhige, dass EVP-Chef Weber „sehr offen“ für Bündnisse von Schwesterparteien der Union mit Rechtsradikalen sei. „Das muss aufhören. Hier erwarte ich auch von Friedrich Merz ein glasklares Bekenntnis“, betonte Post. Bündnisse mit Rechtsradikalen dürfe es weder in den Kommunen, noch im Land, im Bund oder in Europa geben. (jkf/mit Material der dpa)