„Deutschland ist abgefallen“: Habeck macht den Kassensturz – Prognose entscheidend für nächsten Ampel-Streit
Wirtschaftsminister Robert Habeck stellt die jährliche Frühjahrsprognose für die deutsche Wirtschaft vor. Die Konjunkturflaute hält an - was auch Folgen für die Zukunft der Regierung haben wird.
Berlin – Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat am Mittwoch (24. April) die Frühjahrsprognose der Regierung zur wirtschaftlichen Entwicklung vorgelegt. Dabei geht es um mehr als um die Frage nach der Konjunktur. Die Prognose gibt auch Auskunft darüber, wie die Steuereinnahmen des Bundes voraussichtlich in diesem Jahr ausfallen werden – und damit, wie groß der Spielraum für den Haushalt 2025 sein wird. Schon jetzt gehen die Ampel-Haushälter davon aus, dass 25 Milliarden Euro fehlen werden.
Habeck hebt Konjunkturprognose an: Inflation geht deutlich zurück
Die Bundesregierung hat ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr leicht angehoben. Es mehrten sich die Anzeichen dafür, dass die deutsche Wirtschaft im Frühjahr an einem konjunkturellen Wendepunkt stehe, teilte das Wirtschaftsministerium am Mittwoch in Berlin mit. Erwartet wird nun ein Wachstum von 0,3 Prozent. Im Februar hatte die Regierung ihre Prognose drastisch heruntergeschraubt – auf ein Plus des Bruttoinlandsprodukts von nur noch 0,2 Prozent. Auch gehe die Inflation weiter zurück. Der Anstieg der Verbraucherpreise dürfte sich nach der Prognose nach 5,9 Prozent im vergangenen Jahr auf 2,4 Prozent im laufenden Jahr verringern. Das stärke die Kaufkraft der Menschen und stütze die Erholung des privaten Konsums. Für 2025 erwartet die Bundesregierung ein Wachstum von 1,0 Prozent.
Die führenden Wirtschaftsinstitute, auf deren Erwartungen die Projektion der Bundesregierung fußt, hatten ihre Prognose Ende März drastisch nach unten korrigiert. Demnach ist im laufenden Jahr nur noch mit 0,1 Prozent Wachstum zu rechnen. Im Herbst hatten die Institute noch 1,3 Prozent Wachstum in 2024 prognostiziert, auch Habecks Herbstprognose ging später von einer soliden Zunahme des Bruttoinlandsproduktes aus. Der im vergangenen Jahr erwartete Aufschwung zum Jahresende ist jedoch weitgehend ausgeblieben. Die Unternehmen klagen über eine schwache Nachfrage im Ausland, hohe Energiepreise und Steuern sowie ausufernde Bürokratie.
Habeck sieht Fehler bei der Vorgängerregierung: „Haben uns eine gewisse Schludrigkeit erlaubt“
Ökonomen erwarten allerdings nun eine allmähliche Erholung der Konjunktur. „Die deutsche Wirtschaft arbeitet sich aus ihrer Schwächephase heraus“, sagte Ifo-Konjunkturfachmann Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters. „Das sieht nach Trendwende aus“, betonte auch der Experte Jens-Oliver Niklasch. Einiges spreche dafür, „dass wir im Winter das Konjunkturtief gesehen haben“. Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer sieht ein klares Aufwärtssignal, mit Einschränkungen. „Dennoch stehen wir nicht vor einem starken Aufschwung, weil die Standortqualität seit den Merkel-Jahren erodiert und die Bundesregierung nicht entschlossen gegensteuert.“ Immerhin dürfte die Phase fallender Konjunkturprognosen vorbei sein. „Im tiefen Schacht geht die Lampe an“, sagte auch Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank.
All das ist für die Ampel-Regierung noch keine besonders gute Nachricht. Das sagte auch Habeck in der Bundespressekonferenz: „Damit geben wir uns natürlich nicht zufrieden“. Auch gab er zu, dass die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Vergleich zu anderen Ländern nachgelassen habe. „Deutschland ist abgefallen“, so der Wirtschaftsminister. Dabei sieht er die Verantwortung dafür bei der Vorgängerregierung, die sich während des Booms nicht um absehbare Probleme gekümmert habe. „Wir haben uns eine gewisse Schludrigkeit erlaubt“, so Habeck.

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Entscheidend für die nächsten Monate werden auch die Steuereinnahmen sein, insbesondere im Hinblick auf den Koalitionsfrieden. Die Steuerschätzung, die auf der Frühjahrsprognose beruht, wird im Mai erwartet und bildet die Grundlage für die Haushaltsdebatten im Sommer. Gegenüber tagesschau.de sagte Oliver Holtemöller, Vize-Chef des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung, dass generell die Steuereinnahmen schlechter ausfallen, wenn die Konjunktur schlechter aussieht. „Das gilt auch für Sozialversicherungsbeiträge, die für den gesamtstaatlichen Haushalt ebenfalls relevant sind.“
Ampel kann bis zu 20 Milliarden Schulden in 2025 aufnehmen
In Zeiten wirtschaftlicher Schwäche darf die Bundesregierung laut geltendem Gesetz allerdings auch mehr Schulden aufnehmen, um die Konjunktur anzukurbeln. Laut ifo-Institut in München entspräche das derzeit etwa 20 Milliarden Euro, die der Staat an Krediten aufnehmen dürfte – rund sechs Milliarden Euro mehr als während eines Wirtschaftsbooms. Aktuell plant das Bundesfinanzministerium laut tagesschau.de mit 16 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme.
„Der Arbeitsmarkt ist weiter sehr robust in Deutschland und auch die Lohnerhöhungen sind relevant. Wenn wir gute Tarifabschlüsse haben, profitiert auch der Staat über die Lohnsteuereinnahmen“, so Holtemöller dem öffentlich-rechtlichen Portal weiter. Gut möglich also, dass die Regierung trotz Flaute nicht unbedingt mit weniger Geld auskommen muss.