„Lern-Beispiel“ oder illegal? „Meloni-Land“ in Albanien wird für EU zum Asyl-Zankapfel
Italien will Asylverfahren außerhalb der EU in einem beschleunigten Verfahren abwickeln. Die ersten Migranten kommen in Albanien an. Die Meinungen in der EU sind geteilt.
Rom/Tirana – Die italienische Regierung unter Giorgia Meloni setzt nun ihre Pläne um: Am Mittwoch ist in Albanien eine erste Gruppe von 16 Männern aus Ägypten und Bangladesch eingetroffen. Italien ist das erste EU-Land, das Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa gekommen sind, in Lagern außerhalb der Europäischen Union unterbringt – ein umstrittenes Verfahren.
In Albanien sollen italienische Beamte die Asylanträge der Migranten im Schnellverfahren prüfen und darüber entscheiden. Bei einer Ablehnung sollen die Männer direkt von Albanien aus abgeschoben werden. Nur diejenigen, deren Antrag genehmigt wird, dürfen anschließend nach Italien weiterreisen.
„Lern-Beispiel“: von der Leyen fordert sie Asyl- und Abschiebezentren in Drittstaaten
Auch beim EU-Gipfel ab Donnerstag (17. Oktober) liegt der Schwerpunkt auf der Migrationspolitik – dafür hat Kommissionschefin Ursula von der Leyen gesorgt. Sie verschickte einen Brief an alle 27 Mitgliedsstaaten: Illegale Migration, schreibt sie, bleibe eines der drängendsten Themen. Unter anderem kündigt sie ein neues EU-Gesetz zur Abschiebung von Migranten an. Außerdem fordert sie Asyl- und Abschiebezentren in Drittstaaten außerhalb Europas. Dabei geht von der Leyen ausdrücklich auf die italienische Strategie ein und nennt sie ein „Lern-Beispiel“ für die gesamte EU.
Die Durchführung von Asylverfahren in sicheren Drittstaaten außerhalb der EU ist seit Langem ein Thema in politischen Debatten. Albanien gilt dabei als eine abgespeckte Umsetzung dieses Konzepts. Befürworter möchten vor allem größere Vereinbarungen mit afrikanischen Ländern wie Ruanda erreichen.

EU-Kommission reagiert: Drittstaatenlösung rechtlich aktuell nicht möglich
Das Albanien-Modell entspreche nicht den europäischen Standards und verstoße gegen EU-Recht, heißt es dagegen aus Brüssel. „Derzeit ist es rechtlich für die EU nicht möglich, diese Option zu nutzen“, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission gegenüber La Repubblica. „Um ein solches Modell zu erlauben, müsste das EU-Recht die Zwangsrückführung in ein Drittland, das nicht das Herkunftsland ist, regeln. Das wird derzeit noch geprüft.“ Von der Leyens Vorschläge seien falsch interpretiert worden, hieß es weiter. Die Kommission betonte weiterhin, dass „Personen, die kein Bleiberecht haben, zurückgeführt werden müssen.“
Asyl ist das Dauerthema. In Berlin wird die Weigerung Italiens, Geflüchtete zurückzunehmen, scharf kritisiert. Polen und Österreich sind unzufrieden mit den verstärkten Grenzkontrollen. Gleichzeitig fordern die Niederlande und Ungarn, von der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) ausgenommen zu werden. Zudem sorgt die polnische Regierung für Aufsehen, da sie angedeutet hat, das Asylrecht vorübergehend aussetzen zu wollen.
„Meloni-Land“: Italienische Beamte prüfen Asylanträge in Albanien im Schnellverfahren
Betroffen von Melonis neuer Migrationspolitik sind Männer aus sogenannten sicheren Herkunftsländern, die auf ihrer Überfahrt über das Mittelmeer von italienischen Behörden aufgegriffen wurden. Nach den Plänen sollen die Migranten zunächst ins Lager im Adria-Hafen von Shengjin gebracht werden, wo eine erste Überprüfung stattfindet. Anschließend werden sie in das Hauptlager in Gjader im Landesinneren verlegt, wo sie auf die Entscheidung ihres Asylantrags warten. Ausgenommen von dieser Maßnahme sind Frauen, Kinder, Kranke und Folteropfer.
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Es handelt sich um ein italienisches Lager auf albanischem Boden. Italienische Zeitungen spotteten über die Lager und bezeichneten sie als „Meloni-Land“. Insgesamt belaufen sich die Kosten für die beiden Lager über einen Zeitraum von fünf Jahren auf etwa 670 Millionen Euro.
„Italienisches Guantánamo“: Menschenrechtsorganisationen zweifeln rechtliche Grundlage an
Menschenrechtsorganisationen üben scharfe Kritik an der Vereinbarung zwischen Meloni und dem albanischen Ministerpräsident Edi Rama. Es handle sich um ein „italienisches Guantánamo“. Auch die rechtliche Grundlage des Projekts wird angezweifelt. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs wirft zusätzliche Bedenken auf, denn ein Land kann nur dann als sicher eingestuft werden, wenn dort keine Gefahr von Verfolgung oder Folter besteht. Laut dem Urteil erfüllen jedoch 15 der 22 von Italien als sicher eingestuften Herkunftsländer diese Voraussetzungen nicht. (dpa/hk)