Mazda ist einer der Autobauer, der es nie eilig hatte mit dem Elektroauto. Das Erstlingswerk, der MX-30, war optional sogar mit einem Wankelmotor als Stromgenerator zu bekommen, was in der Praxis nicht so ganz überzeugte. Und wie schon früher bei Hybridmodellen, wo Mazda mit Toyota kooperierte, lassen sich die Japaner auch beim E-Auto helfen. Und zwar vom chinesischen Hersteller Changan, dem langjährigen Kooperationspartner von Mazda in China. Der Mazda 6 e ist denn auch nicht mit dem normalen Mazda 6 zu verwechseln, den es als Limousine und Kombi gibt. FOCUS online hat dem neuen Stromer auf den Zahn gefühlt.
Karosserie und Innenraum
Das muss man den Japanern und Chinesen lassen: Dieser Mazda hat eigentlich nur Schokoladenseiten. Die Front mit dem Mazda-typischen Kühlergrill und der Chromspange zwischen den geschlitzten LED-Scheinwerfern sieht ebenso gefällig aus wie das Heck, das mit seinem LED-Leuchtband über der nach hinten gezogenen Kofferraumklappe Eindruck macht. Das Mazda-Logo ist dezent beleuchtet. Und: Der 6e ist fast fünf Meter lang! Da kann beim Einparken schon mal der Platz knapp werden.
Im Interieur muss man das braune Leder (je nach Ausstattung echt oder künstlich) einfach mögen, schließlich haben deutsche Premium-Autos meistens schwarzes Leder. Die Verarbeitung und das Ambiente des Mazda-Cockpits sind absolut top. Da findet man in einem Audi oder BMW mittlerweile deutlich mehr Plastik. Eine große Mittelkonsole und ebenso große Staufächer werten das Cockpit auf. Der Fahrersitz lässt sich für größere Personen leider nicht weit genug nach unten verstellen. Das Platzangebot ist ansonsten großzügig, gerade auch auf den hinteren Sitzen. Hier macht sich die Länge der Limousine bezahlt. Mit 336 Litern Kofferraum-Volumen kommt gerade so genügend Gepäck für eine vierköpfige Familie mit, wobei der Kofferraum viel Tiefe besitzt - ein Kinder-Buggy ließ sich zum Beispiel problemlos verstauen. Vorne wartet ein Frunk mit Platz fürs Ladekabel.
Bedienung und Infotainment
Hier hält der chinesische Elektro-Japaner für Pilot und Passagiere sowohl beeindruckende Phasen bereit als auch solche, in denen man schier wahnsinnig werden könnte. Das Positive vorweg: Ein Head-Up-Display und ein großes Zentral-Display mit XXL-Navigationskarte sammeln Pluspunkte, das Rundumsicht-System mit scharfem Kamerabild auch. Doch das Infotainmentsystem und der weitgehende Verzicht auf "echte" Tasten im Cockpit sind eine maximale Herausforderung.
Diverse Funktionen - auch die Außenspiegelverstellung und sogar die Scheibenwischer - befinden sich zum Teil versteckt in irgendwelchen Menüs. Es dauert eine halbe Ewigkeit, bis man simple Klima-Einstellungen vorgenommen hat oder die Sitzheizung angepasst. Zu allem Überfluss ist bei jedem Neustart auch noch eine ellenlange Datenschutz-Abfrage vorgeschaltet.
Zwar ist der 14,6 große Bildschirm bei der Navigation eine gute Orientierungshilfe, aber die fummelige Bedienung bleibt ein Frustfaktor. Die Sprachsteuerung fällt als Alternative leider aus, denn sie verstand zumindest in unserem Test viele Kommandos nicht. Zwar hat der Wagen eine enorme Funktionsvielfalt, wenn man sich einmal durch die ganzen Menüs und Apps durchgearbeitet hat; für den Alltagsgebrauch müssten aber wichtige Funktionen schneller oder am besten per klassischer Bedienung erreichbar sein. Da nützen auch die programmierbaren Schnellzugriffs-Tasten auf dem ohnehin überfrachteten Lenkrad nicht viel.
Fahrwerk und Fahrverhalten
Der Mazda fährt als E-Auto schön leise und der Federungskomfort ist gut, mit seinem langem Radstand bleibt das Auto stets ruhig und gelassen. Die Assistenzsysteme sind offenbar stark von China-Autos beeinflusst. Vor allem das gnadenlose Am-Lenkrad-Ziehen beim Spurwechsel kennen wir von vielen China-Autos. Da bleibt nur Abschalten - was leider auch wieder mehrere Klicks im Instrumentenfeld-Menü erfordert.
Motor, Verbrauch und Reichweite
Der Mazda 6 E hat zwei verschiedene Antriebsstränge im Angebot, die sich nicht nur in der Leistung, sondern auch der Batterietechnologie unterscheiden. Die von uns getestete Standard-Variante mit 68,8 kWh großem Lithium-Eisenphosphat-Akku leistet 190 kW / 258 PS, die "Long Range"-Version mit 80 Kilowattstunden großem Nickel-Mangan-Kobalt-Akku 180 kW / 245 PS. Beide Fahrzeuge haben Hinterradantrieb. Zumindest optional müsste es in diesem Segment elektrischen Allradantrieb geben, denn die Konkurrenz hat den schließlich auch.
Interessanterweise hat die Version mit dem kleineren Akku etwas bessere Fahrleistungen. Die sind zwar nicht berauschend, aber solide: In 7,6 Sekunden sprintet der Mazda von 0 auf 100 km/h. Beim Überholen fehlt ein Quentchen Punch und bei 175 km/h ist auf der Autobahn Schluss.
Die Reichweite lag in unserem Test bei 360 Kilometern (im Winterbetrieb mit fünf Personen an Bord), womit die offizielle Herstellerangabe (470 km) nicht erreicht wurde. Der Durchschnittsverbrauch lag denn auch mit 19,5 kWh/100 km spürbar über den Werksangaben. Hier muss man sagen, dass die Konkurrenz enteilt ist - vor allem Mercedes und erst recht BMW mit seiner "Neuen Klasse". Auch die Ladeleistung des Japaners ist nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit, sie liegt bei 165 Kilowatt am Gleichstrom-Schnelllader und maximal 11 kW mit Wechselstrom an der Wallbox.
Preise und Ausstattung
Den Mazda 6 e gibt es in der "Takumi"-Ausstattung ab 44.900 Euro. An Bord sind dann unter anderem die elektrische Heckklappe, LED-Scheinwerfer, 360-Grad-Kamerasystem, elektrische und beheizte Sitze sowie das Head-Up-Display. Also eigentlich alles. Die "Takumi Plus"-Ausstattung (46.900 Euro) bringt vor allem optische Extras sowie die schicken und gemütlichen Teil-Nappaleder-Sitze. Der Aufpreis für die Long Range-Variante fällt mit gerade einmal 1600 Euro ausgesprochen moderat aus. Daher würden wir gleich zur "großen" Akku-Variante raten. Aber Achtung: Die lädt nur mit maximal 90 Kilowatt. Das ist in Zeiten, in denen E-Autos längst Ladeleistungen um 400 Kilowatt erzielen können, echt wenig.
Fazit
Beim Testen des neuen Elektro-Mazdas kam uns vor allem ein Gedanke auf: Wie schön wäre der Wagen als Langstrecken-Kreuzer mit dem Sechszylinder-Diesel, den man etwa aus dem Mazda CX-60 kennt. Die elektrischen Fahrleistungen bleiben leider etwas hinter den Erwartungen zurück - hier muss Mazda nachlegen. Der Japaner mit chinesischen Technik-Wurzeln ist allerdings optisch und im Innenraum ein echter Hingucker und sehr komfortabel. Auch die Ausstattung ist reichhaltig. Bei der Bedienung des Mazda muss man eine längere Eingewöhnungsphase einplanen. Der Preis wiederum liegt weit unter dem eines Mercedes EQE oder BMW i4 und auch noch deutlich unter dem eines VW ID.7 (der in Sachen Premium-Ambiente dem edleren Mazda nicht das Wasser reichen kann). Wer nicht allzu weite Strecken fährt, aber Spaß an elegantem Design und ganz viel Touchscreen-Abenteuern hat, hat im Mazda 6 e womöglich einen Geheimtipp gefunden.
Plus und Minus Mazda 6 e
Pluspunkte
- Hoher Fahrkomfort
- Reichhaltige Ausstattung
- Edles Cockpit-Ambiente mit guter Verarbeitung
- Attraktiver Preis
Minuspunkte
- Reichweite und Ladeleistung nur Durchschnitt
- Fummelige Touchscreen-Bedienung
- Nervige Assistenzsysteme
Technische Daten Mazda 6 e (68,8 kWh-Akku)
- Motor: E-Motor
- Leistung: max. 190 kW / 258 PS
- Max. Drehmoment: 320 Newtonmeter
- Höchstgeschwindigkeit: 175 km/h
- Beschleunigung 0 – 100 km/h: 7,6 Sekunden
- Antrieb: Heckantrieb
- Leergewicht: 2037 kg
- Normverbrauch: 16,6 kWh / 100 km
- Reichweite (Herstellerangabe): max. 479 km
- Reichweite (FOCUS online-Praxistest): 360 km
- Preis: ab 44.900 Euro
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