2 Knallhart-Urteile gegen Remmo: Clan-Familien müssen um Immobilien zittern

Die beiden Knallhart-Urteile fielen „im Namen des Volkes“ und sind jeweils rund 20 Seiten lang. Gesprochen hat sie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Fünf Richterinnen und Richter des 5. Strafsenats entschieden jeweils in einer Sache, die eigentlich sehr dröge klingt. Die Rede ist von „selbstständigen Einziehungsverfahren“. 

Doch das Thema birgt enorme Sprengkraft: Es geht um zwielichtige Millionen-Geschäfte krimineller Clans – und diese Machenschaften haben die Bundesrichter nun deutlich erschwert.

BGH-Urteile: Es geht um Millionen-Geschäfte krimineller Clans 

Die BGH-Entscheide mit den Aktenzeichen 5 StR 465/24 und 5 StR 622/24, die FOCUS online vorliegen, beziehen sich auf undurchsichtige Immobilien-Käufe der berüchtigten Großfamilie Remmo (Mitglieder schreiben sich auch Remo oder Rammo) aus Berlin. 

In einem der beiden – inhaltlich sehr ähnlichen – Verfahren geht es um sechs Häuser und Wohnungen, die zwischen 2012 und 2018 von den Remmos für insgesamt knapp 1,9 Millionen Euro erworben wurden. Die Berliner Staatsanwaltschaft sah bei dem Kauf einen kriminellen Hintergrund (Verdacht der Geldwäsche) und beschlagnahmte die Immobilien in Berlin.

Im nächsten Schritt scheiterten die Strafverfolger allerdings: Das Landgericht Berlin lehnte die Einziehung der Gebäude mit Urteil vom 5. Dezember 2023 ab. Begründung: Für den Kauf wurden wahrscheinlich auch legale Erträge verwendet.

Die damalige Entscheidung löste nicht nur bei der polizeibekannten libanesischen Großfamilie Remmo Begeisterungsstürme aus. Auch andere im Clanmilieu aktive Sippen wie die Abou-Chakers, Al Zeins oder Miris dürften den Gerichtsentscheid als eine Art Freibrief für ihre halbseidenen Geschäfte gewertet haben.

Landgericht Berlin muss Immobilien-Käufe erneut prüfen

Der BGH hat dem Clan-Jubel nun ein Ende gesetzt. Mit seinen am 4. Juni und 17. Juli 2025 getroffenen, erst jetzt bekanntgewordenen Entscheidungen, erleichtert das Gericht den staatlichen Zugriff auf Vermögenswerte krimineller Gruppen. Auch wenn nur ein Teil des Geldes durch illegale Geschäfte eingenommen wurde, könne man die Immobilien einziehen, befand Karlsruhe.

Für die umstrittenen Remmo-Häuser heißt das: Das Landgericht Berlin muss die Fälle erneut prüfen. 

In einer der beiden Strafsachen – involviert ist unter anderem J. R.*, der Sohn des Clan-Oberhaupts Issa Rammo – herrscht schon Klarheit über das weitere Vorgehen. „Die Akten sind bereits eingegangen und wurden neu zugeteilt. Gemäß der Entscheidung des BGH ist nun eine als Jugendkammer tätige große Strafkammer zuständig“, so Lisa Jani, Sprecherin des Landgerichts, gegenüber FOCUS online.

Die 7. Große Strafkammer unter der Vorsitzenden Richterin Iris Berger-Sieg werde die Sache neu verhandeln und entscheiden, erklärte Jani. „Die Kammer befindet sich derzeit mit den Verfahrensbeteiligten in Terminabstimmungen. Es ist beabsichtigt, im kommenden Frühjahr zu verhandeln.“

Der Fall der Remmo-Immobilien steht aus Sicht der Ermittler beispielhaft für ein typisches Geschäftsgebaren krimineller Clans: Ihr zum großen Teil aus Straftaten stammendes Vermögen wird mit dem Kauf von Grundeigentum „gewaschen“, also in den legalen Wirtschaftskreislauf eingeschleust. Der Erwerb von sechs Häusern und Wohnungen im Wert von fast zwei Millionen Euro passt demnach genau in dieses Raster. 

Vater wollte nicht "offiziell" kaufen, weil er Sozialleistungen bezog

So war selbst das Berliner Landgericht davon überzeugt, dass der offizielle Käufer – M. R. – nur als „Strohmann“ fungierte. Es ging davon aus, dass M.s Vater K. R. die Aufträge für die Immobilienkäufe gab, aber nicht offiziell als Eigentümer auftreten wollte. Naheliegender Grund: Er bezog Sozialleistungen vom deutschen Staat, die er nicht verlieren wollte. 

Aus Sicht der Kammer reichten die Beweise für dieses plausible Szenario jedoch nicht aus. Deshalb sperrte sich das Gericht gegen die Einziehung der Immobilien.

Wer verstehen will, woher die Skepsis der Ermittler rührt, muss sich die Lebenswege der Akteure anschauen.

Laut Justizakten war der Vater K. R. als Kind gemeinsam mit seinen Eltern und mindestens zehn Geschwistern in den Jahren 1984 und 1985 aus dem Libanon nach Deutschland übergesiedelt. Bei der Einreise gab die Familie demnach an, mittellos zu sein, und bezog fortan Sozialleistungen. Spätere Einkünfte aus legalen Beschäftigungen waren „geringfügig“.

Bereits kurz nach der Ankunft in Deutschland fielen einige Brüder durch Straftaten auf, darunter Einbrüche mit hohen Beutesummen. Gerichte verurteilten Angehörige der Sippe unter anderem für Diebstähle aus Schließfächern einer Bank in Mariendorf 2014 (Beute 10 Millionen Euro), der wertvollen Goldmünze aus dem Bode-Museum in Berlin 2017 und der kostbaren Juwelen aus dem Grünen Gewölbe in Dresden 2019. 

Polizeibekannte Großfamilie: Dubiose Geschäfte im Libanon

Neben den kriminellen Aktivitäten beobachteten die deutschen Strafverfolger auch zahlreiche Immobiliengeschäfte der Remmo-Brüder in deren Heimat. Einer von ihnen „erwarb im Jahr 1987 ein Grundstück im Libanon für umgerechnet etwa 17.000 D-Mark sowie im Jahr 1990 ein weiteres für umgerechnet rund 86.000 D-Mark“, steht in den Unterlagen. Der Käufer übertrug seinem Bruder K. R. etwa zehn Prozent der Eigentumsanteile der beiden Grundstücke im Libanon.

Wenige Jahre später erwarben laut den Akten mehrere Brüder, darunter K. R., ein Doppelgrundstück im Libanon.

Während K. R. gemeinsam mit seiner Ehefrau sowie den in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Kindern Sozialleistungen bezog, „erwarb er im Jahr 2005 eine Wohnung in Berlin für umgerechnet ungefähr 200.000 Euro“, heißt es in den Justizakten. „Ins Grundbuch wurde seine Ehefrau als Eigentümerin eingetragen.“

Ebenfalls 2005 verkauften er und die übrigen Anteilseigner der Familie das 15 Jahre zuvor für rund 86.000 D-Mark erworbene Grundstück im Libanon zu einem Preis von 1,1 Millionen US-Dollar an einen Investor, der dort ein Haus mit mehreren Wohnungen errichtete. Eine dieser Wohnungen kaufte K. R. laut den Ermittlern für umgerechnet rund 225.000 Euro. Offizielle Eigentümerin wurde wiederum seine Ehefrau.

2012 erwarb K. R. für 135.000 Euro die erste der Immobilien in Berlin, um die bis heute ein juristischer Streit tobt. „Um seinen Sozialleistungsbezug nicht zu gefährden, erwarb er sie im Namen seiner Schwester, die ohne ihr Wissen als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen wurde“, heißt es in Gerichtsakten.  

Sohn kaufte in Berlin Häuser und Wohnungen im Millionenwert

Später habe er die Immobilie seinem gerade erst 18 Jahre alt gewordenen Sohn M. übereignet, der in der Folgezeit weitere Häuser offiziell erstanden hat. „Im Zeitraum von Ende 2015 bis Juni 2018 erwarb und ersteigerte er sechs weitere Immobilien in Berlin für insgesamt über 1,7 Millionen Euro“, stellte das Berliner Landgericht fest.

Hinter den Geschäften soll sein Vater K. R. gestanden haben. 

Gegen den offiziell als Käufer auftretenden Sohn M. leitete die Berliner Staatsanwaltschaft im Juni 2018 ein Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche ein und beschlagnahmte die betroffenen Immobilien. Im Oktober 2020 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren mangels Beweisen ein, verfügte aber die Einleitung des selbständigen Einziehungsverfahrens.

Die Strafkammer des Berliner Landgerichts lehnte die Einziehung ab. Zwar sei „zweifelsohne“ von einem groben Missverhältnis zwischen dem Wert der Immobilien und den gegenüber den Sozialbehörden angegebenen Einkünften K. R.s als „faktischem Eigentümer“ auszugehen. Auch begründe die Vielzahl der Diebstahlstaten im Vorfeld der Immobilienkäufe im Libanon „nicht unerhebliche Zweifel an der Legalität der zum Erwerb“ verwendeten Mittel. 

Andererseits gebe es „konkrete Anknüpfungspunkte für einen legalen Erwerb“ – nämlich die Gewinne (Vermietung und teilweiser Verkauf) aus den Grundstücksgeschäften im Libanon. Deshalb lehnten die Berliner Richter die Einziehung der Remmo-Immobilien ab. Der Beschluss galt weithin als Rückschlag im Kampf gegen Organisierte Kriminalität und Geldwäsche. 

BGH: Früheres Urteil „rechtsfehlerhaft“, Beweiswürdigung „lückenhaft“

Der BGH hat die Sache nun geradegerückt. Er wertete die Prüfung des Landgerichts, ob die beschlagnahmten Vermögenswerte aus rechtswidrigen Taten herrühren, als „rechtsfehlerhaft“. Die Beweiswürdigung sei „lückenhaft“ gewesen.

So habe die Berliner Strafkammer nicht berücksichtigt, dass zwischen einem Sparkassen-Einbruch mit einer Beute von über 10 Millionen Euro durch einen Bruder von K. R. Ende 2014 und dem Kauf mehrerer Immobilien ab 2015 eine „zeitliche Nähe“ bestand. 

Bei der Gesamtwürdigung hätte auch berücksichtigt werden müssen, dass der Immobilienerwerb von K. R. „durch Verschleierung geprägt war“. Er setzte demnach „Strohpersonen“ ein und ließ Gelder aus dem Libanon transferieren, um über Jahrzehnte hinweg Sozialleistungen zu beziehen. Zudem wurden unter seiner Mitwirkung in mehreren notariellen Verträgen „Falschangaben beurkundet“.

Man darf gespannt sein, wie die Neubewertung der Strafsache am Berliner Landgericht ausfällt. Und auch hinsichtlich anderer, ähnlich gelagerter Verfahren könnte die BGH-Entscheidung Signalwirkung haben – gerade in der Clan-Hochburg Berlin.

*) Bis auf das in der Öffentlichkeit bekannte Clan-Oberhaupt Issa Rammo wurden die Namen aller weiteren Personen abgekürzt, um Verwechslungen mit anderen, nicht-kriminellen Mitgliedern der Großfamilie auszuschließen