Der neue Verein schafft eine Soziallandkarte für den Landkreis und vernetzt bestehende Hilfsangebote für alle Bürger.
Wohin sich wenden, wenn das Kind Probleme in der Schule hat? Wer hilft, wenn am Monatsende nichts mehr auf dem Konto ist, weil der Lohn zu niedrig ist? Was tun bei Einsamkeit im Alter? Erzieher, Lehrer, Verwaltungsangestellte, Sozialarbeiter oder Ärzte sehen sich oft mit den Sorgen der Menschen konfrontiert, können über ihren eigenen Zuständigkeitsbereich hinaus jedoch nicht weiterhelfen. Das möchte der Verein Bürgerzentrum Miesbach ändern. Sein Ziel ist, mit Spenden – auch aus der Aktion „Leser helfen Lesern“ – eine Infrastruktur aufzubauen, die Orientierung bietet. Wie die Idee entstand, erklären der Vereinsvorsitzende Pfarrer Michael Mannhardt (52) und Vereinsschatzmeister Hans Grasser (50), der auch Verwaltungsleiter des Katholischen Kitaverbunds Schlierach-Leitzachtal ist.
Bürgerzentrum
Das soziale Netz ist groß – und mit all seinen Hilfen und Angeboten unübersichtlich. Diesen Schwachpunkt will der Verein Bürgerzentrum Miesbach beheben, den Hans Grasser, Michael Mannhardt, der evangelische Pfarrer Erwin Sergel, Miesbachs Bürgermeister Gerhard Braunmiller, Landrat Olaf von Löwis, Caritas-Kreisgeschäftsführerin Petra Schubert (inzwischen durch ihren Nachfolger Florian Rausch repräsentiert) sowie Diakonie-Geschäftsbereichsleiterin Anna Koch 2024 gegründet haben. Die Idee ist, Hilfsbedürftigen ohne Umwege das richtige Angebot zu vermitteln. Wer sich für die im Rahmen des Projekts zu besetzende Stelle bewerben möchte: per E-Mail an info@bz-mb.de.
Was hat Sie zur Gründung des Vereins bewogen?
Michael Mannhardt: Die Mitglieder unseres Vereins haben in ihren jeweiligen Arbeitsfeldern gemerkt, dass es ein Defizit gibt. Zwar bestehen im Landkreis zahlreiche Beratungs- und Hilfsangebote, aber die Bürger wissen oft nicht, wo sie mit ihrem Anliegen hin müssen. Dieses Problem wollen wir angehen. Das Schlagwort ist: Alle Bürgerinnen und Bürger sind mit ihren Anliegen überall richtig. Hans Grasser: Die Idee kam erstmals 2020 auf. Damals wurde in Miesbach das neue Pfarrzentrum neben dem Pfarrkindergarten gebaut. Auch die Grund- und Mittelschule sowie das Haus für Kinder in der Trägerschaft der Diakonie befinden sich in der Nachbarschaft. Vor dem Hintergrund dieser Bündelung wollten wir etwas für Familien im weitesten Sinn tun. Anfangs wurde gemeinsam mit Bürgermeister Braunmiller und Pfarrer Erwin Sergel die ursprüngliche Idee eines Familienzentrums weiterentwickelt. Im weiteren Verlauf entstand mit den heutigen Vereinsmitgliedern das Projekt zu einem Bürgerzentrum für den gesamten Landkreis.
Mit der Caritas und der Diakonie gibt es bereits Zentren, die verschiedene Angebote bündeln. Wo setzt hier das Bürgerzentrum an?
Hans Grasser: Bei den Hauptamtlichen an der Basis. Denn was es nicht gibt, ist eine Soziallandkarte, wie wir es nennen. Wer hilft wann, wo, wie? Wir wollen Transparenz und Orientierung schaffen. Ich bleibe beim Beispiel Kindergarten: Wenn eine Erzieherin merkt, dass ein Kind eine spezielle Unterstützung braucht, kann sie zwar für das Kind sorgen, aber der familiäre Kontext des Kindes bleibt außen vor. Dabei gibt es oft einen Grund, warum das Kind Unterstützung braucht. Wohnungsnot oder Geldnot zum Beispiel oder eine Suchtthematik. Wenn wir unseren Anspruch, dass alle Bürger mit ihren Anliegen überall richtig sind, ernst nehmen, muss bei den Hauptamtlichen im sozialen Bereich die Kompetenz entstehen, Betroffene auf weitere Hilfen aufmerksam zu machen, den Kontakt herzustellen und Betroffenen zu sagen, welche Unterlagen sie vorbereiten müssen. Innerhalb der Caritas oder der Diakonie funktioniert das schon, aber eben nicht übergreifend. Wir wollen keine Doppelstrukturen schaffen, sondern ganzheitlich helfen. Michael Mannhardt: Die meisten Akteure im sozialen Bereich machen die Erfahrung, dass es ein großes Nebeneinander gibt. Deshalb brauchen wir einen Kümmerer oder eine Kümmerin, der oder die mit verschiedenen Formaten die Vernetzung aktiv fördert. Momentan ist das eher dem Zufall überlassen oder guten persönlichen Kontakten.
Welche Formate können das sein?
Michael Mannhardt: Es wird Aufgabe des Kümmerers sein, diese Formate zu entwickeln, auch wenn wir natürlich schon eine gewisse Ahnung haben, in welche Richtung es geht. Klar ist, dass es sich um ein teilvirtuelles Zentrum handelt und dass es eine digitale Soziallandkarte geben wird. Man darf sich das Bürgerzentrum nicht als Büro vorstellen, das man aufsuchen kann. Es wird aber variable Orte geben, an denen ein Du ansprechbar ist. Die Digitalisierung kann den Menschen nicht ersetzen.
Hans Grasser: Die Idee ist, mit einem mobilen Arbeitsplatz dorthin zu gehen, wo die Hauptamtlichen sind. Das Büro am Sitz unseres Vereins im Miesbacher Pfarrhaus ist nicht für den Publikumsverkehr gedacht. Der Kümmerer oder die Kümmerin muss deshalb ein sehr guter Kommunikator sein, um innerhalb der Projektlaufzeit von zwei Jahren eine Verbindung zu den Hauptamtlichen im sozialen Bereich aufzubauen. Wir werden diese Person natürlich auch vom Verein aus mit unserem Know-how unterstützen. Und wir rechnen damit, dass unser Verein wächst, damit er dieses Netzwerk gut abbilden kann.
Was passiert mit dem Bürgerzentrum nach Ablauf der zwei Jahre?
Michael Mannhardt: Unser Ziel ist natürlich, das Projekt über den Projektzeitraum hinaus weiterzuführen. Wir halten es für wichtig und notwendig. Aber das ist auch eine finanzielle Frage. Hans Grasser: Schon jetzt ist es Teil des Projekts, die nachhaltige Finanzierung mitzudenken und dafür zu sorgen. Die Kommunen sind zwar klamm, aber es gibt Stiftungen, die genau solche Projekte unterstützen. Auch Firmenkooperationen sind denkbar. Die Hubertus Altgelt Stiftung hat uns schon maßgeblich unter die Arme gegriffen. Schnell und unbürokratisch hat uns auch die Raiffeisenbank Oberland unterstützt. Außerdem haben wir Förderung aus Leader beantragt. Wir rechnen mit einer Zusage bis Jahresende, sodass wir zwischen Januar und März mit dem Projekt starten könnten.
Ist die Stelle des Kümmerers schon besetzt?
Hans Grasser: Wir haben bereits Interessenten, freuen uns aber über weitere Bewerbungen. Wir haben das Budget für eine Vollzeitstelle. Sehr gern besetzen wir die auch über Jobsharing mit zwei Menschen. Für die Stelle ist eine Qualifikation im sozialen Bereich erforderlich.