Um 15.22 Uhr schreibt Anna-Lena „Oki“ – dann schneidet ihr Ex ihre Kehle durch

Der Axtangriff auf die Ex-Freundin war die Warnung. Jetzt steht der Mann vor dem Landgericht. Er soll die junge Frau mit sechs Messerstichen und einem Kehlschnitt getötet haben. Das Opfer heißt: Anna-Lena. Anna-Lena stirbt mit 20.

„Morgen bin ich tot“, heißt die ARD-Dokumentation. Sie erschreckt mit dem Fall. Sie schreckt auf mit Zahlen. „Fast jeden Tag versucht ein Mann, seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu töten“, erfahren wir, „fast jede zweite Frau stirbt dabei.“ Und: „Alle zwei Minuten übt ein Partner Gewalt aus, meist sind Frauen betroffen.“ 265.942 Fälle häuslicher Gewalt sind für das Jahr 2024 in der Polizeistatistik erfasst – fast ein Viertel mehr in den fünf Jahren seit 2019.

"Morgen bin ich tot": Würgen bis zur Bewusstlosigkeit ist kein Haftgrund

Der Morgen, an dem die junge Frau tot sein wird, ist der 30. Januar 2025. Die Dokumentation beginnt in Stendal, Sachsen-Anhalt.

„Der hat ein böses Gesicht gehabt“, erinnert sich die Mutter. „Der hat Anna-Lena verboten, dass sie zu mir kommt“, berichtet die Schwester.

Am 13. November 2024 zückt der Ex-Freund die Axt und bedroht die 20-Jährige. Er würgt sie bis zur Bewusstlosigkeit. Sie erstattet Anzeige und berichtet der Polizei von den Morddrohungen. Festgenommen wird der Mann nicht.

Fall Anna-Lena: Diese Rechtfertigung wirkt nur zynisch

„Es wurden keine Haftgründe für einen Untersuchungshaftbefehl festgestellt“, heißt es von der zuständigen Staatsanwaltschaft. Das Gericht spricht nur ein Annäherungsverbot aus. Der Ex-Freund muss zehn Meter Abstand von ihr und 25 Meter Abstand von ihrer Wohnung halten. 

„Die Entscheidung kann man hinterfragen“, sagt der Pressesprecher des zuständigen Gerichts: „Auf der anderen Seite – 25 Meter reichen nicht aus, um jemanden zu erstechen oder mit der Axt zu erschlagen.“ In der Rückschau wirkt diese Rechtfertigung nur zynisch.

Gewalt gegen Frauen: Hasskommentare statt Hilfe

„Die Politik ist zu untätig, wenn’s ums Thema Gewalt gegen Frauen geht“, erfährt der Zuschauer. Die ARD-Dokumentation zeigt einen weiteren Fall. Die Sängerin Lian hat mit dem Handy gefilmt, wie ein Mann sie in der Tiefgarage verfolgt. Irgendwann packt er sie am Arm, sagt: „Hey, kann ich ein bisschen küssen?“ Sie flüchtet in ihr Auto. Der Mann versperrt ihr sieben Minuten lang den Weg, so dass sie nicht wegfahren kann. Die junge Frau veröffentlicht das Video. Anstelle von Unterstützung hagelt es Hass-Kommentare.

TV-Kolumne
Frau in Angst: Die Sängerin Lian flüchtet vor einem Mann in der Tiefgarage - und filmt mit dem Handy ARD

„Oki“ wird ihr letztes Wort

Bei Anna-Lena, der 20-Jährigen, bleibt es nicht bei Kommentaren. Ihre letzten Worte vom 20. Januar 2025 hat ihre Schwester bis heute im Handy. „Bin jetzt zu Hause“. „Du gehst erst wenn ich da bin“, antwortet die Schwester. Und Anna-Lena schreibt, da ist es 15.22 Uhr: „Oki“.

Da ist der Ex-Freund schon mit dem Messer unterwegs zu ihr. Im Wohnzimmer sticht er sechsmal auf sie ein. Dann durchschneidet er ihr die Kehle.

Sieben Monate später urteilt das Landgericht Stendal: Es ist kein Mord. Der Täter bekommt 13 Jahre Haft wegen Körperverletzung und Totschlag. „Der rennt irgendwann wieder draußen rum und macht so weiter“, schüttelt die Mutter den Kopf. Das Urteil, es ist inzwischen rechtskräftig.

Müssen wir so hilflos bleiben?

Konsequenzen aus dieser Hilflosigkeit unseres Rechtssystems? Iris Brand ist selbst Gewaltopfer. Die Frau hat die Aktion #DieNächste, gegründet. Sie will Femizid als Mord eingestuft sehen. „Wir glauben, dass unser Strafrecht veraltet ist“, sagt sie. Und sie hat eine klare Forderung: Faktoren wie Eifersucht dürften für die Täter nicht strafmildernd wirken. „Die Männer kommen aus allen Kulturen und allen Schichten“, betont die ARD. 

Hoffnung? Samira Ciyow arbeitet für die „Volkssolidarität Berlin e.V.“, um Tätern Gewaltfreiheit beizubringen. Sie sagt: „Alles, was gelernt ist, kann neu gelernt und umgelernt werden.“

ARD
Femizid ist Mord: So will es Gewaltopfer Iris Brand im Gesetz verankert sehen ARD