- Im Video oben: Bürgergeld für Ukrainer soll weg: CDU zweifelt, SPD lacht sich ins Fäustchen
Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Florian Oest staunt nicht schlecht, als er am Grenzübergang Ludwigdorf zwei Kleinbusse beobachtet, die Menschen aus der Ukraine nach Deutschland bringen.
Ukrainer: Deutschlandweit hat sich Zahl der Einreisen mehr als verdoppelt
"Einige von denen sehen wir häufiger“, berichtet ihm ein Beamter der Bundespolizei. "Die pendeln geradezu in das deutsche Sozialsystem“, sagt Oest gegenüber FOCUS online und fordert: „Das müssen wir schnellstens unterbinden.“ Seine Vermutung: Es gibt Ukrainer, die in Deutschland gemeldet sind und dort Bürgergeld beziehen, die aber in der Ukraine leben.
Zahlen aus Sachsen, die FOCUS online exklusiv vorliegen, zeigen, wie deutlich die Zahl der Einreisen steigt: So haben sich im September 1253 Ukrainer in Sachsen angemeldet, bis zum 27. Oktober weitere 1096. Das sind pro Monat etwa so viele wie in den Monaten Januar bis Juli zusammen (1123).
Auch deutschlandweit haben sich die Zahlen einreisender Ukrainer mehr als verdoppelt. Wie FOCUS online vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfuhr, lag die Zahl im Juni bei 7834 und im September mit 18.579 bereits mehr als doppelt so hoch.
Zwar sind viele der jungen Männer sehr gut ausgebildet und dürften sich gut in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren lassen. Dagegen steht der Anreiz, den der automatische Bürgergeldbezug für Ukrainer bis heute ausübt.
Bürgergeld setzt Anreiz, nicht zu arbeiten
Tatsächlich waren nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit im September 953.203 Ukrainer im erwerbsfähigen Alter (15-65) in Deutschland gemeldet. Davon waren 352.000 Menschen erwerbstätig, 672.510 bezogen Bürgergeld, darunter 196.000 Kinder.
In Ländern, in denen es keine derartige Vollversorgung gibt wie Polen, ist der Anteil der erwerbstätigen Ukraine deutlich höher. In Polen waren bereits ein Jahr nach Kriegsbeginn fast 900.000 Menschen erwerbstätig, also rund 70 Prozent der damals aus der Ukraine geflohenen Menschen.
Bürgergeldzahlung an Ukrainer kostet etwa 840 Millionen Euro jährlich
Die Bürgergeldzahlungen an die Ukrainer machen geschätzt etwa 840 Millionen Euro im Jahr aus. Einsparungen gäbe es aber nur, wenn die Empfänger auch zur Arbeit angehalten würden.
Der sächsische CDU-Abgeordnete Oest hat kein Verständnis dafür, wenn Menschen nicht arbeiten, obwohl sie könnten: "Auch bei Menschen aus der Ukraine dürfen wir eine Migration in die Sozialsysteme nicht erlauben.“ Vielmehr solle man den Menschen den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtert.
Auch die brandenburgische CDU-Abgeordnete Saskia Ludwig kritisiert im Gespräch mit FOCUS online, dass der Koalitionsvertrag noch nicht umgesetzt sei: "Ja, es dauert zu lange, und der aktuelle Zustand ist so nicht mehr tragbar.“
Die Menschen und Kommunen in Brandenburg warteten schon viel zu lange auf eine Lösung, "die das Bürgergeld nicht als Einladung zum Missbrauch“ entwerte. "Gerade im Osten spüren die Menschen sehr genau, wenn die Politik an der Lebensrealität vorbeigeht“, so Ludwig.
Ihr Parteikollege Florian Oest, der auch Volkswirt ist, fordert einen "Jobturbo“ auch für die Ukrainer. Damit liegt er auf einer Linie mit dem Deutschen Städtetag. Dessen Hauptgeschäftsführer Christian Schuchardt warnt gegenüber FOCUS online vor den Plänen der Koalition.
Deutscher Städtetag fordert mehr Geld vom Bund für Ukrainer
Denn diese bedeuten eine Verteilung der Lasten vom Bund, der für das Bürgergeld aufkommt, auf die Kommunen, die für Zahlungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz aufkommen. Die Ampel hatte eine Sonderregelung für ukrainische Flüchtlinge eingeführt, die auf diese Weise Bürgergeld erhalten wie deutsche Staatsbürger.
Wenn Ukrainer künftig statt Bürgergeld wieder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen sollen, müsse "der Bund den Kommunen alle Kosten komplett und dauerhaft ausgleichen“, fordert Städtetags-Hauptgeschäftsführer Schuchardt.
Mit Blick auf die katastrophale Finanzsituation der kommunalen Ebene dürfen diese zusätzlichen Kosten auf keinen Fall bei den Städten hängenbleiben. Überdies brauche es auch eine verwaltungsarme und schnellere Kostenerstattung etwa für Wohn- und Krankenkosten, so Schuchardt.
Zwar sollte die Neuregelung zur Abschaffung des Bürgergeldes für Ukrainer bereits am 1. April 2025 in Kraft treten, aber diese Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag wurde bereits gerissen. Offenbar sind die Pläne nicht sehr weit gediehen, denn laut Schuchardt habe man bislang nicht einmal eine „klare Zusage“ des Bundes, dass die Forderungen der Kommunen erfüllt würden.
Deutscher Städtetag kritisiert die Pläne der Koalition
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Schuchardt, hat aber auch einen grundsätzlichen Einwand gegen die Pläne des Bundes. Denn den Bezug des Bürgergeldes einfach durch Bezüge aus dem Asylbewerberleistungsgesetz zu ersetzen, bringe keinen Ukrainer mehr in Arbeit.
Schuchardt warnt davor, die Ukrainer einfach nur wie Asylbewerber zu behandeln: "Sonst werden die bisherigen Bemühungen komplett ausgebremst, Ukrainerinnen und Ukrainer in Ausbildung und Arbeit zu bringen.“ Vielmehr bräuchten die Agenturen für Arbeit "dafür einen klaren gesetzlichen Auftrag, Personal und finanzielle Ressourcen“.
So sieht das auch der CDU-Abgeordnete Oest. Nach drei Monaten sollte arbeitsfähigen Ukrainern grundsätzlich die Hilfe gestrichen werden, fordert er. "Wir möchten Menschen, die vor Krieg fliehen, bewusst eine Chance bieten, sich hier ein neues Leben aufzubauen.“
Im Fokus stehe daher die Integration in den Arbeitsmarkt. Noch warte man diesbezüglich aber auf einen entsprechenden Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD). Der Entwurf für die neue Grundsicherung ist gegenwärtig in der Ressortabstimmung der Bundesministerien.
Unklar bleibt weiterhin, welche Maßnahmen getroffen werden, um mehr Ukrainer in den Arbeitsmarkt zu integrieren.