"Keinen Müßiggang zulassen" – Leser fordern Arbeitspflicht fürs Bürgergeld

Eine Pflicht zur Arbeit für Bürgergeld-Empfänger – sinnvoller Anreiz oder vertane Liebesmüh? Das Pilotprojekt im thüringischen Nordhausen, bei dem junge Bürgergeld-Empfänger ohne Ausbildung zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden sollen, stößt bei vielen Lesern auf Zustimmung: Für Leistungsunwillige soll es Konsequenzen geben. Ein paar wenige Stimmen äußern sich skeptisch, kritisieren Symbolpolitik und soziale Ausgrenzung.

Verteilung der Meinung zu "Sieben Sichtweisen – so kontrovers diskutieren die Leser die Arbeitspflicht-Debatte"
In den Kommentaren prallen die Prinzipien von Solidarität, Eigenverantwortung und sozialem Wandel deutlich aufeinander. FOCUS Online

Arbeitspflicht als notwendiges Signal

Das Pilotprojekt im thüringischen Nordhausen, bei dem junge Bürgergeld-Empfänger ohne Ausbildung gemeinnützige Arbeit leisten sollen, trifft bei vielen Lesern auf Zustimmung. Der SPD-Landrat Matthias Jendricke will so Jugendliche erreichen, die bislang jede Ausbildung oder Beschäftigung verweigern. Sie sollen künftig bis zu 40 Stunden pro Woche in Werkstätten, Bauhöfen oder bei Vereinen helfen – für 1,20 Euro pro Stunde. 

Der Ansatz folgt der Idee, Pflichten im Sozialstaat stärker zu betonen. Viele Leser begrüßen das als notwendiges Signal gegen Stillstand und Anspruchsdenken. Sozialverbände und Juristen äußern jedoch Bedenken: Eine verpflichtende Tätigkeit ohne reguläres Arbeitsverhältnis könne gegen das Grundrecht auf freie Berufswahl und das Verbot von Zwangsarbeit (Artikel 12 Absatz 2 Grundgesetz) verstoßen. Das Projekt bewegt sich damit rechtlich in einer Grauzone.

"Endlich mal ein Schritt in die richtige Richtung! Es muss was passieren, gerade bei den jungen Leuten. Es lebt keiner mehr vor, wie Geben und Nehmen in einem Sozialstaat funktionieren. Ich bin absolut dafür, dass es flächendeckend eingeführt wird."  Zum Originalkommentar

"Mein Vorschlag schon lange: Jede/r Arbeitslose sollte nach Ende des ALG 1 mit oder ohne 1,29 Euro halbtags arbeiten müssen. Ziemlich egal was – im Sozial-/Kommunalbereich. Den anderen halben Tag sind Bewerbungen zu schreiben oder, wenn nicht ausreichend vorhanden, Deutschkurse zu besuchen. Keinen Müßiggang zulassen."  Zum Originalkommentar

"Was ist falsch daran, von gesunden Menschen zu verlangen, zu arbeiten, damit der Staat für sie sorgt? Es gibt kein einziges Argument gegen diese Pflicht. Und noch eins, wir reden da nicht über Kranke und Schwache!"  Zum Originalkommentar

"Daumen hoch für diese mutige Entscheidung. SPD-Leute an der Basis sehen noch die Probleme, die ihre Mitstreiter in der großen Politik schon lange aus den Augen verloren haben."  Zum Originalkommentar

Zweifel an Wirksamkeit

Zahlreiche Leser zeigen sich skeptisch, ob der Ansatz überhaupt wirkt. Sie verweisen auf frühere Modelle wie die Ein-Euro-Jobs, die kaum zu dauerhafter Beschäftigung führten. Zudem sei die Teilnahmebereitschaft gering: Von 30 eingeladenen Jugendlichen erschienen nur acht. Kritiker sehen das als Beleg dafür, dass Druck allein keine Motivation schafft. Auch Fachleute weisen darauf hin, dass Arbeitspflichten ohne gezielte Förderung wenig bringen. Nach dem Sozialgesetzbuch II gilt der Grundsatz "Fördern und Fordern" – Zwangsmaßnahmen ohne individuelle Eingliederungsstrategie könnten daher rechtswidrig sein. Das Nordhäuser Modell soll laut Landkreis freiwillig sein, faktisch ist die Grenze zwischen Freiwilligkeit und Zwang jedoch schwer zu ziehen.

"Und von den verbliebenen acht sind morgen noch vier anwesend. Am vierten Tag kein einziger mehr. Da wette ich drauf."  Zum Originalkommentar

"Was wird denn die Auswertung bringen? Keine Fortführung des Projektes mangels Teilnehmer? Wenn ja, dann war der Zwang nicht groß genug!"  Zum Originalkommentar

"Was machen die jungen Bürgergeld-Empfänger nun? Richtig, sie ziehen um in eine andere Gemeinde oder in einen anderen Kreis, wo man nicht zur Arbeit gezwungen wird. Das Pilotprojekt – das so gut gemeint ist – ist damit gescheitert."  Zum Originalkommentar

"An dem Projekt nehmen mehr 'Sozialarbeiter' als Jugendliche teil. Vorläufer waren die 1-Euro-Jobs und ABM. Alles Kosmetik bis auf das zuletzt genannte."  Zum Originalkommentar

"Das bringt doch nichts. Zuerst muss das Grundgesetz geändert werden. Damit Arbeitsunwilligen Leistung komplett gestrichen werden können. Danach dann mehr."  Zum Originalkommentar

Forderung nach Abschaffung

Ein Teil der Leser fordert, das Bürgergeld grundsätzlich zu überarbeiten oder stark zu kürzen. Wer arbeitsfähig sei, müsse auch arbeiten – so der Tenor. Wer dies ablehne, solle keine staatliche Unterstützung mehr erhalten. Juristisch stößt diese Forderung an klare Grenzen: Das Bundesverfassungsgericht hat 2019 entschieden, dass Sanktionen das Existenzminimum nicht antasten dürfen. Leistungen dürfen maximal um 30 Prozent gekürzt werden, und nur dann, wenn Betroffene ihre Mitwirkungspflichten verletzt haben. Eine komplette Streichung wäre verfassungswidrig. Die Schärfe vieler Leserkommentare zeigt jedoch, wie groß der gesellschaftliche Wunsch nach klaren Konsequenzen geworden ist – auch jenseits der rechtlich zulässigen Möglichkeiten.

"Aufhören, Bürgergeld zu kürzen, sondern komplett streichen. Zur Not muss man dann halt die Gesetze ändern, bis hin zum Grundgesetz ..."  Zum Originalkommentar

"Schafft dieses Bürgergeld doch endlich ab. Absolutes Minimum mit Nachweispflicht und basta. Andere Menschen reißen sich tagtäglich den Hintern auf, damit es sich unzählige auf Kosten dieser gutgehen lassen."  Zum Originalkommentar

"Eine gute Idee, ich würde aber die Hälfte des Bürgergelds nur gegen Arbeit zur Verfügung stellen."  Zum Originalkommentar

"Warum BG, wenn nicht ausbildungs- oder arbeitswillig? Wer sich für nicht arbeiten entschieden hat, ok, der will halt nicht, bekommt aber dann auch kein Steuergeld."  Zum Originalkommentar

"Einfach nur ein schlechter Witz. Da hilft nur eine klare Kante! Wer nicht will, dann schon bei der ersten Weigerung, das 'Bürgergeld' komplett streichen!"  Zum Originalkommentar

Belastung durch Sozialleistungen

Viele Leser äußern Unmut darüber, dass der Sozialstaat ihrer Wahrnehmung nach zu wenig zwischen Leistungsbereitschaft und Bedürftigkeit unterscheidet. Besonders Erwerbstätige mit geringem Einkommen empfinden das Bürgergeld als Ungerechtigkeit: Sie arbeiten Vollzeit und verfügen dennoch kaum über mehr als Empfänger staatlicher Leistungen. 

Diese Sichtweise ist emotional verständlich, spiegelt aber nur einen Teil der Realität. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft liegt das durchschnittliche Nettoeinkommen von Erwerbstätigen im Niedriglohnsektor weiterhin deutlich über der Grundsicherung. Die politische Herausforderung liegt darin, die Schere zwischen Arbeitseinkommen und Bürgergeld groß genug zu halten, ohne das Existenzminimum infrage zu stellen.

"Nun, den Staat und dessen arbeitende Bevölkerung wie ein Huhn ausnehmen und rupfen zu können, hat gemäß unserer Verfassungsrichter irgendetwas mit Menschenwürde zu tun. Muss man nicht verstehen, nur bezahlen muss man es!"  Zum Originalkommentar

"Wohnung, Monatsfahrkarte, Sozialversicherungen, Medikamente und nettes Taschengeld – alles zusammen, als würde man einem Vollzeitjob im Supermarkt nachgehen. Für Ausschlafen und null Verantwortung, klar bleiben sie dann lieber zuhause."  Zum Originalkommentar

"Der Staat braucht Geld für Waffen und Kriege und versucht verzweifelt, im Sozialen zu kürzen. Nur dass das nicht viel bringt. Oder geht es auch darum, das allgemeine Lohnniveau zu senken, indem solche Maßnahmen auf alle ausgeweitet werden?"  Zum Originalkommentar

"BG führt leider zu mangelnder Motivation. Das war alles genauso abzusehen mit gesundem Menschenverstand. Diesen haben aber SPD, Grüne und Linke leider nicht. Macht bitte endlich vernünftige Politik."  Zum Originalkommentar

"10 %, wenn man nicht aufkreuzt und einfach ignoriert, was derjenige will, der jeden Monat Geld überweist. Schon krass dreist und leider gefordert und gefördert vom linken Staat."  Zum Originalkommentar

Kritik an der Politik

Der politische Hintergrund prägt diese Leserreaktionen deutlich. Viele sehen im Vorstoß von Landrat Jendricke ein Zeichen von Pragmatismus, das der SPD auf kommunaler Ebene Glaubwürdigkeit verschafft – im Gegensatz zur zögerlichen Linie der Bundespartei. In den Kommentaren wird häufig betont, dass die SPD in Berlin zu weich agiere und die Stimmung an der Basis verkenne. Tatsächlich hat die Bundesregierung wiederholt betont, Zwangsarbeit sei mit dem Grundgesetz unvereinbar. Jendrickes Modell wird daher als lokaler Versuch verstanden, Härte zu demonstrieren, ohne die rechtliche Grenze zu überschreiten. Es ist Ausdruck eines politischen Dilemmas: der Wunsch, Kontrolle zu zeigen, ohne verfassungsrechtliche Prinzipien zu verletzen.

"Die Funktionäre der SPD werden es nie kapieren, deshalb hilft nur, sie aus der Regierung zu werfen, dann lieber eine Minderheitsregierung, als diese SPD, die dem Land schadet, wo sie nur kann."  Zum Originalkommentar

"Ausgerechnet ein SPD-Politiker setzt sich für Ordnung ein? Es geschehen noch Wunder."  Zum Originalkommentar

Forderung nach strengeren Sanktionen

Mehrere Leser fordern, die rechtlichen Grundlagen zu verschärfen, damit Arbeitsverweigerung stärker sanktioniert werden kann. Sie argumentieren, dass bestehende Regelungen zu wenig abschreckend wirkten. Fachjuristen verweisen dagegen auf die Schutzfunktion des Sozialrechts: Bürgergeld ist keine freiwillige Leistung, sondern Teil des Existenzsicherungsanspruchs. Sanktionen sind möglich, dürfen aber nicht dazu führen, dass Menschen ihre Wohnung oder Existenzminimum verlieren. Jede Reform müsste daher das Grundrecht auf Menschenwürde wahren. 

"Was? 10 %? Das ist wirklich schockierend. (Ironie) Hier muss man dringend Gesetze ändern."  Zum Originalkommentar

"Bei der Begeisterung so mancher der hier Meinenden ob der geplanten Maßnahmen, würde ich für die Einrichtung von Umerziehungslagern plädieren."  Zum Originalkommentar

Spott, Ironie und grundsätzliche Gesellschaftskritik

Einige Leser begegnen der Debatte mit Spott oder Ironie. Sie zweifeln daran, dass Druck tatsächlich hilft, Menschen in Arbeit zu bringen, und sehen das Projekt eher als politisches Symbol.

"Wetten, dass nach zwei Wochen die Krankenscheine wegen Überarbeitung reinkommen?"  Zum Originalkommentar

Ist eine Arbeitspflicht für junge Bürgergeld-Empfänger der richtige Weg zu mehr Eigenverantwortung – oder gefährdet sie das Solidaritätsprinzip? Diskutieren Sie mit! Welche Lösungen braucht Deutschland, um junge Menschen besser in Arbeit und Gesellschaft einzubinden?

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