Seit Jahren gibt es in Pakistan in einigen Großstädten Initiativen, mit Pinken Bussen Frauen geschützte Transportmittel zu bieten. Das soll ihnen mehr Teilhabe an Ausbildung und in der Arbeitswelt ermöglichen. Doch, wie sich in Gesprächen mit Betroffenen zeigt, gibt es noch zahlreiche Hürden, die ein kulturelles Umdenken behindern.
Eine Meldung aus Pakistans Metropole Islamabad schaffte es im August in die deutschen Schlagzeilen: 20 Busse fahren dort nun ausschließlich weibliche Fahrgäste in fünf zentralen Stadtteilen. Denn die Angst vor sexualisierten Übergriffen hält viele Mädchen davon ab, mit einem Bus zu einer weiterbildenden Schule zu fahren. Und sie hält erwachsene Frauen davon ab, ein Studium oder eine qualifizierte Bürotätigkeit in größeren Städten aufzunehmen. Ein offensichtlicher volkswirtschaftlicher Schaden.
Denn mit einem Anteil von lediglich zwanzig Prozent zählt Pakistan innerhalb Asiens zu den Ländern mit der geringsten weiblichen Erwerbsbeteiligung, bei allgemein steigender beruflicher Qualifikation. Den Slogan „Na Dar, Na Rakawat“ (keine Angst, kein Hindernis), verkündeten Premierminister Shahbaz Sharif und sein Bildungsministerium und sicherten im August eine Übernahme der Projektkosten in Islamabad zu. Doch die bisherigen Erfahrungen aus verschiedenen Städten zeigen auch Schwachstellen auf.
Shams Ul Haq ist Terrorismus-Experte und Autor, bekannt für seine investigativen Recherchen. Nach dem Fall Kabuls 2021 interviewte er als erster deutscher Journalist Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Organisatorische Schwierigkeiten
Mit dem „First Bus Service“ für Frauen startete in Lahore bereits 2012 eine ähnliche Initiative. Pinke Busse gibt es beispielsweise seit 2019 in Peschawar, seit 2022 in der Provinz Gilgit-Baltistan und im Februar 2023 starteten die ersten rosafarbenen Busse in Karatschi. Sowohl feministische Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, als auch betroffene weibliche Fahrgäste kritisieren, dass Frauen noch stärker in der Gesellschaft ausgegrenzt werden könnten. Doch die größere Sorge gilt, dass die Projekte nicht dauerhaft finanziert werden. So wie in Lahore, wo wegen Vertragsverletzungen nach zwei Jahren der Betrieb eingestellt wurde.
Auch in Hyderabad wurden rosa Busse eingeführt, doch der Service kam nach kurzer Zeit aufgrund „mangelnder Fahrgastzahlen“ zum Erliegen. Ein zuständiger Manager erklärte, Fahrgastzahlen von 1.800 pro Tag seien unrentabel für die Betreiber, die sich wenig begeistert zeigen, vertragskonform einen Teil ihrer potenziellen Fahrgäste am Straßenrand stehen lassen zu müssen. Bei genauerem Hinsehen stellte sich heraus, dass an den Wochentagen 2.700 Personen befördert wurden, denen an den Wochenenden lediglich 1.000 gegenüberstanden.
Hier wurde zwar der Fahrplan angepasst, doch ein grundsätzliches Problem wurde damit übersehen: Die Routen werden danach ausgewählt, wo der Betrieb am einfachsten ist, und nicht „wo Frauen tatsächlich unterwegs sind“. Darauf weist Marva Nawaz hin, eine Jurastudentin, die den Service der Busse regelmäßig in Anspruch nimmt.
Ein weiteres Defizit sind die planmäßigen Fahrzeiten, die zumindest online kaum herauszufinden sind. Ein dazu befragter Verkehrspolizist gab an: „Es gibt auch manchmal Lücken von drei Stunden im Fahrplan“. Für die vorgesehenen Routen gibt es noch zu wenig Busse. Da ist vor allem die Geduld der Nutzerinnen gefragt.
Keine Busfahrerinnen am Start
Doch es gibt noch ein weiteres Manko. In einer Studie zu sexuellen Belästigungen in öffentlichen Verkehrsmitteln und den Haltebereichen aus dem Jahr 2014 gaben die befragten Frauen an, dass zwar 75 Prozent der Übergriffe durch mitreisende Männer, 20 Prozent durch das Buspersonal, aber immerhin noch fünf Prozent durch die Busfahrer stattfanden.
In den rosa Bussen werden ausschließlich Schaffnerinnen eingesetzt, deren Arbeit zu einem großen Teil darin besteht, Frauen zu helfen, die noch nicht allein gereist sind. Eine der Schaffnerinnen, Shafaq, berichtet von der wachsenden Zahl von Frauen, die es einfacher finden, den rosa Bus zu nutzen. „Hier bei mir sind sie in einem geschützten Raum.“ Sie schätzt ihren männlichen Kollegen, den Busfahrer, mit dem sie häufig zusammen eingeteilt ist. Aber sie kennt auch andere.
Und an dieser Stelle hat das Projekt Pink Bus eine weitere Schwachstelle. So wurde zwar bei der Einführung der rosa Busse in Karatschi seitens der offiziellen Stellen mitgeteilt, dass auch Frauen die Busse fahren würden. Aber erst sechs Monate später wurde ein spezielles Ausbildungsprogramm ins Leben gerufen, dass die ersten zwölf Fahrerinnen ausbilden sollte. Die meisten der Bewerberinnen stammten aus weniger privilegierten Verhältnissen und hatten zuvor keinen Zugang zu Fahrzeugen.
„Zwei der 12 Frauen, die wir ausgebildet haben, hatten einen Führerschein für leichte Nutzfahrzeuge (LTV) und haben nach der Ausbildung den Führerschein für schwere Nutzfahrzeuge (HTV) erworben“, bestätigte Huma Ashar, Gender-Spezialistin bei der staatlichen Transportbehörde SMTA. Sie könnten nach einer dreimonatigen Probephase die rosa Busse lenken. Die anderen müssen erst drei Jahre Fahrpraxis nachweisen, um ihren Führerschein erweitern zu können. Das dürfte mangels Gelegenheit schwierig werden.
Frauenpolitik als Wirtschaftsfaktor
Einen Führerschein brauchen auch diejenigen, die davon profitiert haben, dass die Stadtverwaltung kostenlos rosafarbene Elektro-Scooter an einige Frauen verteilt hat. Wer sich kein eigenes Fahrzeug leisten kann, kann in naher Zukunft in Karatschi allerdings auch auf Pink Taxis zugreifen.
Der bekannte Politiker Bilawal Bhutto Zardari kündigte Ende September an, dass die rosa Taxiflotte noch in diesem Jahr starten soll. Gleichzeitig soll ein Feedback- und Beschwerdeverfahren eingeführt werden, über das die Fahrgäste Probleme in Echtzeit melden können. Bei seiner Rede betonte er, wieviel Wirtschaftskraft brach liegt, wenn Frauen von der gesellschaftlichen Teilnahme effektiv ausgeschlossen sind.
Die pakistanische Managerin Sabina Adnan wies in einem Zeitungsartikel darauf hin: „Wenn der Nahverkehr sicher und erschwinglich ist, suchen Frauen eher Arbeit und behalten diese auch. Investitionen in einen sicheren und zuverlässigen Nahverkehr sind daher nicht nur eine Frage der Rechte, sondern auch eine kluge Wirtschaftspolitik“.
Sie setzt sich für subventionierte Fahrpreise für Frauen mit niedrigem Einkommen ein, und fordert flexible Fahrpläne für Schichtarbeiterinnen und gezielte Verbindungen zu Beschäftigungszentren als Teil der Verkehrsplanung der Provinzen. Adnan schrieb: „Wir sollten die Busse feiern, aus ihren Grenzen lernen und dann schnell zu den Maßnahmen übergehen, die Pakistan zu einem Land machen, in dem die Busfahrt eines Kindes etwas Alltägliches und nicht etwas Mutiges ist“.
Die Angst reist immer mit
Wer allerdings glaubt, dass nur ein in dieser Hinsicht vermeintlich rückständiges Land wie Pakistan sich mit diesen Themen beschäftigt, täuscht sich. Verkehrsprojekte für Frauen gibt es in vielen Ländern. So wie in den Vereinigten Arabischen Emirate, wo es Frauenabteile in den U-Bahnen gibt oder rosa Taxis von Frauen gefahren werden. Gesonderte Frauenabteile gibt es auch in den Zügen in Indonesien oder Japan. Selbst in der deutschen Hauptstadt Berlin forderten jüngst Politiker gesonderte Frauen-Abteile in der U-Bahn, und lösten damit eine wutentbrannte Diskussion über die „übergriffigen Männer“ aus.
Und selbst wenn es tagsüber auf vielbefahrenen Linien noch kein Thema ist, so bieten in Städten wie Freiburg, München oder Köln Nachttaxis Frauen schon längst einen Rabatt, um sie sicher nachhause zu bringen. Das Sicherheitsempfinden bleibt subjektiv, aber Fakt ist, die Straftaten gegen Frauen und Mädchen steigen auch in Deutschland an. Noch bevor ein Verdrängungsmechanismus greift, ist die Politik gefragt, hier wirkungsvoll einzugreifen.