In Deutschland waren im Oktober 2,9 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Das sind – positiv betrachtet – 44.000 weniger als einen Monat zuvor oder – negativ betrachtet – rund 120000 mehr Arbeitslose als vor einem Jahr. Damit ist die Quote im internationalen Vergleich zwar noch niedrig, für Deutschland selbst aber ist das der zweithöchste Wert seit mehr als 14 Jahren. Nur im September war sie etwas höher.
Steigende Arbeitslosenzahlen verunsichern, doch das individuelle Risiko bleibt überschaubar: Nur 0,6 Prozent aller Beschäftigten verlieren im Schnitt im kommenden ihren Job – ein historisch niedriger Wert. Noch 2019 war das Risiko größer. Allerdings ist er seit seinem Tiefpunkt im Sommer 2022 wieder leicht gestiegen.
Parallel dazu häufen sich die Sparprogramme großer Konzerne. Zuletzt kündigte Chip-Hersteller Infineon an, rund 500 Mitarbeiter zu entlassen, bei Volkswagen läuft ein Abbauprogramm, dass mehr als 10000 Stellen treffen wird, BASF hat bereits mehr als 3000 Stellen an seinem Hauptsitz in Ludwigshafen abgebaut … und so weiter.
Warum Stellenabbau nicht automatisch Entlassungen bedeutet
Trotzdem ist von einer Entlassungswelle nichts zu spüren. In den vergangenen zwölf Monaten meldeten sich rund 6,9 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos – minimal mehr als im Vorjahr. Davon kamen 2,6 Millionen aus einem sozialversicherungspflichtigen Job. Der Anstieg ist zwar da, bleibt aber im historischen Vergleich moderat.
Dass das Risiko, seinen Job zu verlieren, trotz allen Stellenabbaus so gering ist, liegt daran, dass „Stellenabbau“ nicht gleich „Entlassung“ bedeutet. In der Regel bauen Firmen Stellen dadurch ab, dass sie frei werdende Posten einfach nicht mehr neu besetzen. Wenn Mitarbeiter in Rente gehen, das Unternehmen wechseln oder eine Abfindung annehmen, schrumpfen Belegschaften ganz ohne Massenentlassungen.
Meist reicht das für die Sparprogramme aus, wenn nicht, werden Mitarbeitern Angebote für Abfindungen oder Frührenten gemacht – wirkliche Entlassungen gibt es kaum.
Mit diesem Profil haben Sie schlechte Chancen
Zwar finden seit 2023 wieder mehr Arbeitslose einen neuen Job – zuletzt rund vier Prozent mehr pro Jahr. Doch gleichzeitig verlieren noch mehr Menschen ihre Stelle. Die Lücke zwischen denen, die Arbeit finden, und denen, die arbeitslos werden, wächst also weiter. Im Jahresdurchschnitt 2025 liegt das Minus bisher bei rund 520000 Personen – ein Wert, der in den vergangenen 18 Jahren nur während der Finanz- und Corona-Krise größer war.
Die Zahlen legen die Vermutung nahe, dass es bestimmte Gruppen unter den Erwerbstätigen sind, die besonders Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben:
- Berufsanfänger: Wer gerade jetzt sein Studium, seine Ausbildung oder die Schule abschließt und einen Job suchen muss, hat schlechte Karten. Tatsächlich ist die Jugendarbeitslosigkeit von 2022 bis 2024 von 4,4 auf 5,3 Prozent angestiegen. Das ist international noch immer ein niedriges Niveau, aber immerhin eine Steigerung von rund 20 Prozent. Zudem hatten im Mittel der vergangenen zwölf Monate nur rund 3,4 Millionen junge Menschen einen Job. Das ist der niedrigste Wert seit März 2022.
- Berufsrückkehrer: Wer eine Krankheit überwunden hat, ein Kind erzogen, einen Angehörigen gepflegt hat oder aus anderen Gründen nach einer längeren Auszeit vom Erwerbsleben wieder einen Job sucht, trifft auf einen schwierigen Arbeitsmarkt.
- Befristete Angestellte: Zeitarbeiter und befristet Beschäftigte sind meist die Ersten, deren Verträge nicht verlängert werden.
Diese Branchen sind am stärksten betroffen
Die meisten neuen Arbeitslosen – fast 360000 Personen – kamen aus dem Bereich „Erbringung wirtschaftlicher Dienstleistungen“ – also etwa Beratung, PR, Gebäudereinigung, Sicherheit, Callcenter oder Eventmanagement.
- Aber auch Immobilienmakler, Architekten, Biotechniker, Werbeagenturen, Marktforscher, Schmuck- und Grafikdesigner, Übersetzer, Fotografen, Tierärzte, Autovermietungen und Unternehmen, die landwirtschaftliche Maschinen oder Baumaschinen vermieten, Reisebüros, Wach- und Sicherheitsdienste, Hausmeister, Gebäudereiniger, Callcenter und Event-Veranstalter waren betroffen. Formal zu dieser Gruppe gehörend, aber mit 221000 Personen separat ausgewiesen, sind zudem Leiharbeiter.
Der Wirtschaftszweig mit den zweitmeisten Zugängen in die Arbeitslosigkeit, ist der Handel – vom Supermarkt bis zum Online-Shop:
- also Groß- und Einzelhändler für alle erdenklichen Gebrauchsgüter von Lebensmitteln über Elektronik bis zu landwirtschaftlichen Maschinen und Brennstoffen. Darunter fallen unter anderem Supermärkte, Ladengeschäfte, Baumärkte, Autohändler, Bekleidungsgeschäfte, Tankstellen, Buchläden, Sport- und Spielwarengeschäfte, Kunsthändler, Marktstände und Internet-Versandhändler.
Aus den beiden genannten Wirtschaftszweigen stiegen die Zugänge in die Arbeitslosigkeit zudem überdurchschnittlich stark. Während es rund 5 Prozent mehr Zugänge als ein Jahr zuvor gab, waren es im Handel 6,4 Prozent mehr und bei den wirtschaftlichen Dienstleistungen ohne Leiharbeiter sogar 7,2 Prozent. Für Leiharbeiter hingegen besserten sich die Zahlen um 2,0 Prozent.
Platz 3 der Wirtschaftszweige mit den meisten Übergängen in die Arbeitslosigkeit ist das verarbeitende Gewerbe mit rund 300000 Personen. Das sind sogar 9 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Dazu gehören alle industriellen Betriebe, die etwas herstellen:
- Schlachtereien, Bauern, Molkereien, Mühlen, Bäckereien, sonstige Lebensmittelproduzenten, Getränkehersteller, die Textilindustrie, die Holz- und Papierindustrie, Druckereien, die chemische Industrie, Pharma-Unternehmen, Glashersteller, Baustoffproduzenten, Metallbetriebe, die Tech-Industrie, Medizintechnik-Hersteller, Maschinenbauer, Autobauer, Schiffs- und Flugzeugbauer und Möbelhersteller.
Und besonders überraschend: Im Gesundheits- und Sozialwesen meldeten sich deutlich mehr Menschen arbeitslos – mit über 7 Prozent mehr als im Vorjahr. Ausgerechnet ein Bereich, der lange als krisensicher galt.
Die höchsten Steigerungsraten auf niedrigerem Niveau verbucht die öffentliche Verwaltung, aus der rund 15 Prozent mehr Menschen arbeitslos wurden als noch ein Jahr zuvor sowie die Energiewirtschaft und der Bergbau mit rund 13 Prozent (22.000 Personen).
Etwas besser sieht es in der Bauwirtschaft und der Land- und Forstwirtschaft aus: Hier ging die Zahl der Arbeitslosen sogar leicht zurück.
Kurzum: Deutschland verliert derzeit weniger Jobs als befürchtet – aber es entstehen auch kaum neue. Und ausgerechnet im Gesundheitswesen zeigt sich, dass selbst vermeintlich sichere Branchen nicht mehr unangreifbar sind.