Als die Mauer fiel, wollten die Menschen von Ost nach West. Geht es jetzt, im dritten Jahrzehnt danach, in die Gegenrichtung? Der Fernsehsender 3sat jedenfalls hat eine Familie gefunden, die es nach Riesa gezogen hat. Die Stadt, knapp 30.000 Einwohner groß, gilt selbst Einheimischen nicht gerade als Schmuckstück. Die Stahlindustrie hat sie geprägt, touristische Schönheiten sind da in den Hintergrund getreten. Vor die Kamera tritt ein Mann, der seinen Umzug nach Sachsen „natürlich biologisch“ begründet.
Der Osten ist die Region, „wo man noch leben kann“
Christian Fischer ist der Westen „zu woke“. „Wegen der liberalen Migrationspolitik“, so sagt er es, ist er aus Niedersachsen in den politisch sicheren Osten gezogen. Im sächsischen Riesa erklärt Christian Fischer vor der Kamera seine Gründe: „Meine Kinder wurden eingeschult. Und dann haben wir gesehen, dass bei den neu Einzuschulenden ein Ausländeranteil von 40, 50 Prozent ist. Da haben wir uns eine Region ausgesucht, in der man noch leben kann.“
Der Westen? Für ihn ist er schon abgeschrieben
Sachsen als das Land der Freiheit und der unbegrenzten Möglichkeiten? Das 3sat-Team trifft Martin Kohlmann, den Vorsitzenden der selbsternannten „Freien Sachsen“. „Dieses ganze Deutschland lässt sich nicht mehr bewahren“, zeigt er seine Sicht auf eine kleine Welt. „Aber etwas größer als der heutige Freistaat Sachsen kann man ein Stück Deutschland erhalten, was im Westen auf mittlere Sicht nicht mehr möglich ist.“
Gemeinschaft schaffen nur mehr die Rechten?
Untergang im Westen, Aufbruch im Osten? Dass solche Schwarzweiß-Malerei funktionieren kann, hat für die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl einen einfachen Grund „Der Aufstieg der extremen Rechten ist immer nur erklärbar über das Versagen der demokratischen Parteien“, urteilt sie. „Das große Problem ist, dass man dem Bedürfnis nach Gemeinschaft nicht mehr nachgekommen ist. Das wird komplett aufgesogen von den extremen Rechten.“
Und Nina Kolleck, Politikwissenschaftlerin an der Universität Potsdam, bestätigt: „Es ist heute fast schon Trend geworden, rechts zu sein.“
Die Welt soll wieder werden, wie sie nie war
„Wir liegen mit dem System im Krieg“, sagt Lennart, 19, Mitglied des „Dritten Wegs“. Für diesen „Krieg“ haben die Rechten von den Linken gelernt. „Graffiti sind eine optimale Form der Raumnahme“, schwärmt ein Wieland, 21. Das Haupt-Werkzeug sind die sozialen Medien. Und zwar ganz einfach, wie Maximilian Märk von der „Identitären Bewegung“ beschreibt. „Schnelle Schnitte – wenn man das mit den richtigen Begriffen ,Heimat‘ und ‚Identität‘ kombiniert, hat man den meisten Erfolg.“ Die Welt soll mal wieder so werden, wie sie wahrscheinlich nie war.
Das Rezept ist so erfolgreich, dass Dirk-Martin Christian, der Präsident des Verfassungsschutzes Sachsen, fast schon resigniert klingt: „Die Demokratie muss von der Mehrheit des Volkes getragen sein. Wenn diese Mehrheit schwindet, dann hilft auch die wehrhafte Demokratie nicht mehr viel.