Wie Recherchen des "Spiegel" zeigen, distanzieren sich zwei Gesprächspartnerinnen stark vom Inhalt der Boateng-Doku. Die renommierte Investigativ-Reporterin Gabriela Keller beschwert sich: "Es ist für mich sehr irritierend, in so einer Krisen-PR der ARD aufzutauchen. Dafür habe ich nicht mein Einverständnis gegeben, besonders, weil ich in der Doku kaum vorkomme."
Journalistin aus Boateng-Doku: "Welche Rolle spiele ich da? Als Feigenblatt?"
Sie habe ein mehrstündiges Interview gegeben, in der Doku seien dann aber nur "drei, vier sehr allgemeine Sätze" erschienen. "Ich frage mich natürlich: Welche Rolle spiele ich da? Als Feigenblatt?", schimpft Keller. Von ihr vorgetragene wesentliche Fakten zur Einordnung des Falls Boateng kämen "praktisch nicht vor".
In den sozialen Medien wurde die Doku bereits scharf kritisiert. Nun übt auch die TikTokerin Gizem Çelik, die ebenfalls Teil des Films war, Kritik. Sie sei im Vorfeld nicht darüber informiert worden, dass Boateng in dem Film zu Wort kommen wird. "Als ich das Interview gegeben habe, war der Stand zu 100 Prozent: Jérôme Boateng ist nicht Teil dieser Doku." Als sie erfuhr, dass der Fußball-Weltmeister doch interviewt wurde, habe sie "starke Bauchschmerzen" gehabt.
Diesen Vorwurf weist die ARD dem "Spiegel" gegenüber zurück und behauptet, dass gegenüber den Interviewpartnern kommuniziert worden sei, dass Boateng angefragt war.
Zwei weitere Gesprächspartner erheben Vorwürfe
Auch mit ihren Wortbeiträgen ist Çelik unzufrieden. Sie habe "klare Worte gefunden", am Ende seien allerdings nur ihre neutralsten Aussagen Teil der Doku geworden. "Ich hatte das Gefühl, das, was am Ende ausgewählt wurde, kommt meiner Haltung und meiner Gesamtaussage im Interview überhaupt nicht nahe." Auch Keller kritisiert, dass in der Doku "alles nebulös" bleibe.
Anwalt Dr. Alexander Stevens schrieb in einem Beitrag auf Instagram, dass "geschätzt 95 Prozent" seines Interviews entfernt worden seien. "Nur drei aus dem Kontext gerissene Statements blieben. Meine kritische Analyse des Falls Boateng wurde so komplett verzerrt." Er vermutete dahinter Absicht, da sich der BR vor Kurzem von ihm getrennt hatte, und distanzierte sich von der Doku.
ARD will Fall "journalistisch aufgearbeitet" haben
Boateng wurde 2024 vom Landgericht München I wegen vorsätzlicher Körperverletzung an einer Ex-Freundin schuldig gesprochen und verwarnt. In der Doku spricht er außerdem über den Selbstmord seiner ehemaligen Lebensgefährtin Kasia Lenhardt. Lenhardt nahm sich im Februar 2021 das Leben, nachdem Boateng wenige Tage zuvor in einem "Bild"-Interview Vorwürfe gegen sie erhoben hatte.
Im Statement der ARD heißt es, dass man den Fall "journalistisch aufgearbeitet" und bis kurz vor Erscheinen "alle relevanten Erkenntnisse überprüft" habe. Die Doku werfe "einen differenzierten, kritischen und multiperspektivischen Blick auf Jérôme Boatengs ganzes Leben".
Hilfe bei Suizid-Gedanken
Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns in diesem Fall entschieden, über das Thema Suizid zu berichten. Sollten Ihre Gedanken darum kreisen, sich das Leben zu nehmen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Hilfe finden Sie bei kostenlosen Hotlines wie 0800-1110111 oder 0800 3344533.