Kann und soll beschränkt werden, wie Erdgeschosse in der Weilheimer Innenstadt künftig genutzt werden dürfen? Um darüber zu entscheiden, hat die Stadt eine Strukturanalyse erstellen lassen – und deren Antwort ist klar.
Weilheim – Die Laden- und Gastronomienutzungen in der Altstadt zu stärken und zu schützen – und Weilheims Innenstadt auf diese Weise lebendig und attraktiv zu halten: Das ist erklärtes Ziel der Bebauungspläne, die der Stadtrat Zug um Zug für die Quartiere innerhalb des Stadtmauerrings aufstellt. Dass deshalb künftig Wettannahmestellen, Betriebe der Erotikbranche oder Vergnügungsstätten in Erdgeschosszonen altstadtweit ausgeschlossen werden sollen, darüber ist man sich einig. Schwieriger wird es schon bei der Frage, ob man dort Wohnungen erlaubt. Und bei der geplanten Vorgabe, Nutzungen wie Maklerbüros oder Fitnessstudios in Erdgeschossen auszuschließen, gingen die Meinungen auseinander. Diesbezüglich gab es auch Gegenwind von Hauseigentümern und Freiberuflern.
Zahl der Einzelhändler in der Innenstadt ist seit 2018 um 25 Prozent gesunken
Der Stadtrat suchte deshalb Rat und ließ vom Münchner Büro der CIMA Beratung+Management GmbH, die 2018 schon ein Einzelhandelskonzept für Weilheim erstellt hat, eine kleine „Funktionale Strukturanalyse“ für die Innenstadt erarbeiten. Nach Abzug des Zuschusses aus der Städtebauförderung hat die Stadt dafür rund 2000 Euro ausgegeben, wie das Rathaus auf Anfrage unserer Zeitung erklärte. Die Ergebnisse hat Weilheims Standortförderer Stefan Frenzl im Juli bereits im Bauausschuss des Stadtrates vorgestellt (wir berichteten). Demnach sank die Zahl der Einzelhandelsbetriebe in der Innenstadt seit 2018 von 121 auf 91; das ist ein Rückgang um 25 Prozent. Zugleich ist die Anzahl sogenannter Komplementärnutzungen – das sind zum Beispiel Ärzte, Kanzleien oder Maklerbüros – fast im gleichen Maße angestiegen, nämlich von 120 auf 148. Leerstände gibt es laut Gutachten aktuell 17; im Jahr 2018 waren es acht.
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Gutachter betont: „Weilheim ist immer noch eine attraktive Einkaufsstadt“
Seine Einschätzungen und Schlussfolgerungen hat CIMA-Projektleiter Jan Vorholt nun in der Novembersitzung des Stadtrates vorgestellt. Die „Transformation der Innenstadt“ und der Strukturwandel im Einzelhandel zeigten sich auch in Weilheim. Vorholt sprach von einer „Abwärtsspirale“ infolge zunehmenden Onlinehandels und diverser Krisen, die andernorts noch stärker sichtbar sei. „Weilheim ist immer noch eine attraktive Einkaufsstadt“, betonte er, doch „der Anteil derer, die nur zum Einkaufen kommen, geht zurück“, andere Nutzungen würden zunehmend wichtiger.
Für CIMA ist deshalb klar: Lediglich in A-Lage – das sind laut Gutachten nur die Schmied㈠straße und der Marienplatz – solle die Stadt in Erdgeschosszonen Nutzungen wie Maklerbüros, Arzt- oder Physiopraxen ausschließen. Sonst könnte es zu noch mehr Leerständen kommen und drohten weitere Besucherverluste. Würden solche Nutzungen, wie zunächst geplant, gänzlich ausgeschlossen, so wären in Weilheims Innenstadt aktuell 30 bestehende Betriebe eigentlich nicht zulässig, schilderte Vorholt. Tatsächlich gilt aber immer Bestandsschutz für schon existierende Nutzungen.
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Es ist noch nicht bei allen Immobilieneigentümern angekommen, dass in A-Lagen nicht mehr die Mieten verlangt werden können wie vor 10 oder 15 Jahren.
Der Stadtrat folgte einstimmig der vorgelegten Analyse und beauftragte das Stadtbauamt, die „vorhandenen und laufenden Bebauungspläne für die Innenstadt“ entsprechend zu überarbeiten. Somit werden nur in A-Lage die genannten Nutzungen etwa für Freiberufler oder Sportstudios in Erdgeschossen straßenseitig ausgeschlossen – und Ausnahmen bleiben möglich. In B-Lage (Admiral-Hipper-Straße, Pöltnerstraße, Rathausplatz, Kirchplatz, Kreuzgasse, Apothekergasse) und in „Nebenlagen“ (unter anderem Hofstraße, Ledererstraße, Obere Stadt) bleiben solche Komplementärnutzungen grundsätzlich erlaubt. Wohnnutzung im Erdgeschoss soll in Weilheims Innenstadt – straßenseitig – gemäß Vorholts Rat nur in absoluten Ausnahmefällen möglich sein.
Innenstadt Weilheim: Admiral-Hipper-Straße bleibt „B-Lage“
Es gehe nicht darum, Eigentümer einzuschränken, betonte BfW-Sprecherin Brigitte Holeczek, doch man müsse aufpassen, die Innenstadt weiter attraktiv zu halten. Dafür müsse man auch deren Aufenthaltsqualität steigern, forderte Roland Bosch (ÖDP). Sein Vorschlag, auch Kirchplatz und Admiral-Hipper-Straße als A-Lage zu behandeln, wurde nicht aufgegriffen. Die mehrmonatige Durchfahrtssperrung der Hipper-Straße während des Rathaus-Umbaus 2022 nannte Brigitte Gornau (Grüne) als positives Beispiel, wie die Attraktivität gesteigert werden könnte.
Dagegen warnten Marion Lunz-Schmieder (CSU) und Matthias Türmer (FDP) davor, in der Innenstadt Autoverkehr auszuschließen. Auch bei Verkehrsberuhigung sei es möglich, dass etwa Senioren weiter mit dem Auto in die Innenstadt fahren, konterte Bernhard Kerscher (SPD). Laut ihm muss die Stadt angesichts der unumkehrbaren Entwicklungen langfristig womöglich auch überlegen, ganze Stadtviertel „einer Wohnnutzung zuzuführen“.