Der Rentenstreit führt die Koalition an den Abgrund. Wüst und Söder stützen Merz öffentlich. Ein Zeichen, wie dramatisch die Lage ist. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.
München – In seiner Regierungserklärung bat der Kanzler um etwas, was ihm die meisten Deutschen nach sechs Monaten im Amt nicht mehr schenken wollen: Geduld. Und wer wollten ihnen das verdenken? Die Wirtschaft stagniert seit 2019, die Arbeitslosenzahlen steigen, die Industrie flieht. Geduld ist ein Luxus, den sich unser Land nicht mehr leisten kann.
Und doch: Eine bessere Wahl als Friedrich Merz, der viel verspricht, aber wegen der Blockade der SPD nur in Minischritten vorankommt, hat unser Land nicht. Dass die Rivalen Wüst und Söder ihn öffentlich stützen (müssen), zeigt den Ernst der Lage. Den Kanzler zu torpedieren, die Union zu blamieren und in die Arme der AfD zu treiben, ist das Geschäftsmodell der SPD. Dann wäre nächstes Mal sogar eine rot-rot-grüne Mehrheit drin, hoffen viele Genossen.
Rentenstreit in der Union: Der Kanzler darf nicht fallen
Das müssen auch die Rebellen von der JU und die sie anfeuernden Wirtschaftskapitäne wissen: Geht der Kanzler im Rentenstreit unter, dann treibt das Staatsschiff in stürmischer See ins Ungewisse. Bündnisse mit der AfD scheiden für CDU und CSU so lange aus, wie die AfD zentrale Fragen nicht im Sinne ihrer Anschlussfähigkeit an die Mitte klären kann und will. Dazu zählt die abstoßende Nähe zu Russland, der laxe Umgang mit Rechtsextremen, das problematische Verhältnis zu NATO und EU, die Sicherheit und Wohlstand garantieren.
Er wolle keinen Unterbietungswettlauf bei den Renten, sagt Merz. Und er hat Recht: Die Inkaufnahme breiter Rentnerarmut wäre der Untergang der Union als Volkspartei. Natürlich hat Merz unnötige Fehler gemacht. Er sprach zu wenig mit den Jungen in der Partei und weckte so Hoffnungen, es könne noch was gehen im Rentenstreit. Viel früher hätte er den Rebellen sagen müssen, dass er beim Koalitionspartner SPD im Wort steht.
Aus dem Renten-Dilemma gibt es nur einen Ausweg. Die SPD muss ihn beschreiten.
Rentenstreit in der Union: Schwarz-Rot im Dilemma
Doch muss das Land auch von der SPD mehr staatspolitische Verantwortung erwarten dürfen. Wer nicht will, dass Rentner abrutschen oder der Staat pleite geht, muss sagen, wie er das finanzieren will. Für ihre törichten Stotter-Sätze auf dem Arbeitgebertag, die Renten zahlten ja nicht die Rentner, sondern die Steuerzahler, ist die SPD-Co-Chefin Bärbel Bas zu Recht ausgelacht worden.
Wenn die Jungen mehr Geld haben wollen und die Alten auch, gibt es nur einen Weg: Das Renteneintrittsalter muss an die Lebenserwartung gekoppelt werden, so wie es Dänemark und Schweden mit wenig Geschrei getan haben. Einen anderen tragfähigen Ausweg aus dem schwarz-roten Dilemma gibt es nicht.