Schwarz-Rot streicht Klima-Vorgabe und verschiebt damit das grüne Fliegen

Ab 2026 sollte Fliegen in Deutschland sauberer werden – doch der Plan liegt auf Eis. Die Ampel-Regierung hatte vorgeschrieben, dass Kerosin ab dann 0,5 Prozent Power-to-Liquid (PtL) enthalten muss. PtL ist synthetisches E-Kerosin aus Strom und CO2 – klimaneutral, wenn der Strom aus Wind und Sonne kommt und das CO2 umweltfreundlich gewonnen wird, etwa direkt aus der Luft.

Die Quote war Teil einer Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) und sollte bis 2030 auf zwei Prozent steigen – genug, um 200.000 Tonnen E-Kerosin in Deutschland einzusetzen. Damit wollte die Ampel-Regierung den Markt für klimafreundliches Flugbenzin ankurbeln und den Luftverkehr schrittweise dekarbonisieren. Zwei Milliarden Euro waren für neue PtL-Anlagen vorgesehen, doch die Förderung schrumpfte schnell auf 100 Millionen Euro. Doch mit der neuen Bundesregierung wurde die nationale E-Kerosin-Quote schließlich komplett aus dem Gesetz gestrichen.

Rückschritt auf dem Weg der Dekarbonisierung

Die Luftfahrtindustrie hatte die Bundesregierung seit über einem Jahr gewarnt: Die PtL-Quote bedrohe die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Airlines gegenüber ausländischen Konkurrenten. Lieferengpässe bei synthetischem E-Kerosin hätten zudem zu Strafzahlungen und höheren Flugticketpreisen führen können. „Die Bundesregierung muss ihre nationale Sonderlösung rasch zu den Akten legen. Sonst zahlen Airlines und Passagiere Strafen für einen Kraftstoff, den es gar nicht gibt“, so Kay Lindemann, Leiter Konzernpolitik bei Lufthansa, dem Tagesspiegel.

Für Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), ist die Entscheidung ein schwerer Rückschlag für die Dekarbonisierung des deutschen und europäischen Flugverkehrs: "Mit der Abschaffung bremst die Bundesregierung den dringend nötigen Hochlauf von E-Kerosin", so Resch.

Und plötzlich streicht Schwarz-Rot wichtige Klima-Regel für Flugzeuge

Besonders unverständlich ist für Befürworter klimafreundlicher Flugkraftstoffe, dass die schwarz-rote Koalition parallel zur Abschaffung der E-Kerosin-Quote über Wasserstoff und E-Fuels für den Straßenverkehr diskutiert. „Hier läuft etwas gewaltig schief“, kritisiert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). „Grüner Wasserstoff und E-Fuels sind knapp und teuer – sie müssen dem Flug- und Schiffsverkehr vorbehalten bleiben, wo es kaum Alternativen gibt. Auf der Straße muss die Bundesregierung endlich die direkte Elektrifizierung priorisieren.“

Ein Flugzeug wird gewartet
Umweltverbände und die Luftfahrtbranche streiten sich über die klimaneutrales Flugbenzin. Getty Images

"Versprechen für die Zukunft, Zurückrudern in der Gegenwart"

Für Jakob Graichen vom Öko-Institut in Freiburg folgt die Entscheidung der Bundesregierung und der Widerstand der Luftfahrtindustrie gegen die nationale PtL-Quote einem bekannten Muster: „Versprechen zum Klimaschutz für die Zukunft, Zurückrudern in der Gegenwart.“ Die PtL-Roadmap war erst vor vier Jahren unter Kanzlerin Merkel beschlossen worden – gemeinsam mit Luftfahrt- und Mineralölindustrie. „Aus dieser Zeit stammt auch das Zwei-Prozent-Ziel“, sagt Graichen.

Dass dieses Ziel nun wieder in Frage gestellt wird, weckt Zweifel an der Glaubwürdigkeit: „Die große Frage ist, wie verlässlich Bundesregierung und EU hinter den europäischen Quoten stehen – und was jetzt getan wird, um bis 2030 ein ausreichendes Angebot sicherzustellen.“

Die PtL-Quote für Deutschland ist prinzipiell nur verschoben, nicht aufgehoben: Ab 2030 müssen mindestens 1,2 Prozent des Kerosins an EU-Flughäfen synthetisch sein, wie der Europäische Rat im Oktober 2023 beschlossen hat. Bis 2050 soll der Anteil auf 35 Prozent steigen.

Graichen zweifelt nicht daran, dass E-Kerosin in der Luftfahrt gebraucht wird: „Die EU-Quoten sichern weiterhin die Nachfrage für strombasierte Kraftstoffe.“ Der Rückzieher der Bundesregierung vergrößere jedoch die Marktunsicherheit: „Ziele, die in wenigen Jahren beschlossen und wieder aufgehoben werden, bieten keine verlässliche Grundlage für Investitionen. Wer in PtL investiert, muss darauf vertrauen können, dass sein Kraftstoff auch abgenommen wird.“

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Experte sieht derzeit keinen Markt für E-Kerosin 

Die aktuelle Unsicherheit beim E-Kerosin sei nicht nur der Politik anzulasten, sagt Andreas Menne, Spezialist für Low Carbon Technologies am Fraunhofer-Institut in Oberhausen. „Politik und Wirtschaft haben durch Untätigkeit und Aussitzen die Entscheidung quasi alternativlos gemacht“, erklärt Menne.

Zudem hätten strenge Regulierungen und schwer erfüllbare Nachhaltigkeitsanforderungen die wirtschaftliche Umsetzung von Produktionsverfahren erschwert. Menne hält die Entscheidung der Bundesregierung deshalb für nachvollziehbar: „Ein Kompromiss wäre möglich gewesen, wenn beide Seiten kooperiert hätten.“

Neben der Regulierung seien die hohen Produktionskosten ein Problem, vor allem durch den teuren Strom, der 70 bis 80 Prozent der Herstellkosten ausmacht. Im Ausland sei Strom deutlich günstiger. „Wir müssten mit Steuergeld Wertschöpfung im Ausland finanzieren – und trotzdem würden die Flugpreise steigen. Das ist politisch kaum vermittelbar.“ Sein Fazit: Es gibt derzeit keinen funktionierenden Markt für E-Kerosin in Deutschland.

Die Folgen für das Klima sind klar: Die Luftfahrtindustrie trägt aktuell weniger zur CO₂-Einsparung bei. „E-Kerosin bleibt zukünftig unverzichtbar. Elektrifizierung im Flugverkehr ist keine Option, Wasserstoff fehlt an Technologie und Menge“, so Menne.

Die Lösung liegt für ihn auf der Hand: Politik und Wirtschaft müssen Rahmenbedingungen schaffen, um E-Kerosin preiswert herzustellen – etwa durch internationale Kooperationen mit sonnenreichen Ländern wie Namibia, Chile oder Staaten im Nahen Osten und Nordafrika. „Deutschland ist in der Forschung führend. Jetzt brauchen wir aber tragfähige Geschäftsmodelle. E-Kerosin ist für den Klimaschutz unverzichtbar – aber so wie bisher darf es nicht weitergehen.“