Im Kampf gegen Mode-Müllberge verkauft Onlineshop jetzt Klamotten für 0 Euro

Eine Jeans beginnt ihre Reise auf einem Baumwollfeld in Kasachstan. Die Pflanzen werden meist noch von Hand geerntet – für ein Kilogramm Baumwolle werden bis zu 10.000 Liter Wasser benötigt. Anschließend wandert die Baumwolle durch die Türkei, Taiwan und Tunesien, bevor sie in China zu fertigen Jeans verarbeitet wird. Oft folgt noch ein „Beauty-Treatment“ in Frankreich oder der Türkei, bevor die Jeans in deutschen Geschäften landet.

Nach durchschnittlich sechs bis sieben Jahren endet die Lebenszeit einer Jeans: Viele landen auf Müllhalden, werden verbrannt oder – im besten Fall – recycelt. Ein Großteil der Kleidung aus Europa findet dabei den Weg in den globalen Süden, insbesondere nach Ghana.

Textilmüll in Ghana

Ghana zählt zu den Hauptexportzielen für deutschen Textilmüll. Wöchentlich erreichen rund 15 Millionen gebrauchte Kleidungsstücke aus aller Welt die Häfen des Landes – zunehmend auch neuwertige, ungetragene Ware, die durch Konsumspitzen wie den Black Friday entsteht.

Die enorme Masse an Retouren, Überproduktion und Altkleidern, oft in schlechterer Qualität, kann in Ghana nur zum Teil weiterverkauft werden. Etwa 40 Prozent der importierten Textilien gelten dort als Müll. Viele Kleidungsstücke bestehen aus Mischgeweben unbekannter Zusammensetzung, die weder in Deutschland noch in Ghana sortenrein recycelt werden können. Deshalb landet ein Großteil der Kleidung auf Deponien oder wird verbrannt – mit erheblichen ökologischen und sozialen Folgen.

Der Textilmüll am Strand von Jamestown.
Der Textilmüll am Strand von Jamestown. DUH

Fast Fashion als Umweltproblem

Fast Fashion steht für die Massenproduktion billiger Kleidung, die oft nur kurz getragen wird. Laut Bundesumweltministerium werden rund 40 Prozent der in Deutschland gekauften Kleidung kaum oder gar nicht getragen. In den USA landen jährlich etwa 15 Milliarden Kilogramm Textilien im Müll, in Europa rund 4,9 Milliarden Kilogramm. Viele Kleidungsstücke bestehen aus synthetischen Fasern – weniger als ein Prozent davon wird recycelt.

„Fast Fashion hat Mode zu Wegwerfprodukten gemacht“, kritisiert Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Um darauf aufmerksam zu machen, haben Umweltschützer weggeworfene Kleidung von afrikanischen Müllhalden gesammelt, online präsentiert und verschenkt. Auf der Webseite „Reclaim-Responsibility“ stellt die DUH 40 Shirts, Röcke, Rucksäcke und Westen vor. Interessierte konnten die Stücke gegen eine geringe Portogebühr und ein Pfand für die Mehrweg-Verpackung erhalten. Schon nach kurzer Zeit waren viele Kleidungsstücke vergeben und als „gerettet“ markiert.

Der Hintergrund: Anlässlich der Rabattaktion Black Friday soll auf die Überproduktion von Textilien hingewiesen werden – Menschen kaufen billige Kleidung, tragen sie kaum und werfen sie schnell weg. Das Ergebnis sind Berge aus Kleidung auf Müllhalden in Ländern wie Ghana. Ein Großteil des Textil-Mülls in Deutschland landet dort.

Klamottensammeln auf Mülldeponien

Dass Fast Fashion ein massives Ressourcen- und Klimaproblem darstellt und durch Billig-Shops wie Temu und Shein weiter befeuert wird, ist bekannt. Deshalb appelliert Metz an Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD), die bislang weitgehend unregulierte Massenproduktion auf Kosten von Umwelt und Arbeitskräften zu begrenzen.

Mit der kommenden Umsetzung einer erweiterten Herstellerverantwortung soll das Bundesumweltministerium sicherstellen, dass die Verantwortung der Hersteller nicht beim Verkauf endet, sondern bis zum Lebensende eines Produkts reicht. Einnahmen aus dieser Verantwortung könnten in einen Fonds fließen, der nachhaltige Geschäftsmodelle unterstützt.

Viola Wohlgemuth, Umweltschützerin der DUH, reiste kürzlich nach Accra in Ghana, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Dort besuchte sie mehrere Mülldeponien, sammelte gemeinsam mit einem lokalen Partner Kleidungsstücke, reinigte und reparierte sie. Die Produkte, wahrscheinlich in Europa aussortiert, wurden anschließend zurückgebracht.

„Die ökologischen und sozialen Folgen von Fast Fashion in Ghana sind verheerend – ehemalige Sandstrände bestehen heute aus Textilmüllbergen“, berichtet Wohlgemuth. Viele Kleidungsstücke bestehen aus Mischgeweben unbekannter Zusammensetzung, die nicht recyclebar sind. „Das ist praktisch Sondermüll. Das muss sich dringend ändern. Schöne Mode darf nicht unsere Umwelt kosten.“

Lösungsansätze: Kreislaufwirtschaft und langlebige Produkte

Eine echte Lösung liegt nicht nur im Recycling, sondern vor allem in Langlebigkeit und Wiederverwendung:

  • Leasing-Modelle: Bei MUD Jeans kann man eine Hose für 9,95 Euro pro Monat leasen und nach einem Jahr zurückgeben oder behalten.
  • Mechanisches Recycling: Textilien werden maschinell aufbereitet, Fasern wiederverwertet und zu neuen Stoffen gesponnen.
  • Chemisches Recycling: Fasern werden in Lösungsmitteln aufgelöst, um daraus neue Viskose oder Baumwollimitate herzustellen.
  • Second Hand und Plattformen: Vinted und Kleinanzeigen ermöglichen es, Kleidung weiterzugeben, anstatt sie neu zu produzieren. Allein 2023 konnten so über 678.000 Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden.

Aktuell werden jedoch nur rund ein Prozent aller Materialien tatsächlich wiederverwertet. Recycling ist teuer, energieintensiv und oft ineffizient. Für Unternehmen lohnt sich das nur, wenn die Endqualität stimmt und die Fasern wiederverwertbar sind. Deshalb bleibt die Langlebigkeit von Produkten entscheidend: Hochwertige Textilien, die lange getragen und weiterverkauft werden, reduzieren Müll und Emissionen am effektivsten.

Wer am Strand von Jamestown entlanggeht, einem Stadtteil von Accra in Ghana, der bekommt mitunter keinen Sand unter die Füße, sondern - unfassbare Massen an Klamottenmüll.
Wer am Strand von Jamestown entlanggeht, einem Stadtteil von Accra in Ghana, der bekommt mitunter keinen Sand unter die Füße, sondern: unfassbare Massen an Klamottenmüll. DUH