Schock wegen Erbschaftssteuer: 71-Jährige soll 168.000 Euro zahlen – „Absolut widerlich“

Als Jill Lemon im Frühjahr ihre Mutter Audrey verlor, musste sie nicht nur den Tod eines Elternteils verkraften. Fast zeitgleich flatterte eine Steuerrechnung von 148.000 Pfund (circa 168.000 Euro) ins Haus. Das Vermögen ihrer Eltern hatte eine Bewertung von 1,2 Millionen Pfund (circa 1,36 Millionen Euro) erreicht und damit die steuerfreie Grenze deutlich überschritten. Sie bezeichnet die Summe gegen über "The i Paper" als "absolut widerlich". 

Der Ärger der 71-Jährigen richtet sich jedoch nicht nur gegen die Rechnung selbst. Sie empfindet das System als ungerecht, weil das Vermögen ihrer Eltern bereits zu Lebzeiten mehrfach besteuert wurde. "Warum sollten meine Eltern das Geld, für das sie so hart gearbeitet und im Laufe ihres Lebens verdient haben, nicht an uns weitergeben können?", sagt Jill. Sie kritisiert, dass steigende Immobilienwerte immer mehr Familien in die Erbschaftssteuer treiben, obwohl sie sich selbst nicht als wohlhabend sehen.

148.000 Pfund Erbschaftssteuer nach Tod der Eltern: Ein Henne-Ei-Problem?

Besonders belastend war für die Familie die strikte Regel, wonach ein Teil der Erbschaftssteuer bereits vor der Nachlassgenehmigung fällig wird. Dadurch entsteht für viele Betroffene eine paradoxe Situation: Sie müssen zahlen, bevor sie überhaupt Zugriff auf das Vermögen der Verstorbenen haben. Im Fall der Lemons half zufällig ein zusätzliches Konto der Eltern, um die erste Rate von 29.000 Pfund (circa 33.000 Euro) abzudecken. 

Ohne dieses Geld wäre die Familie in einer schwierigen Lage gewesen. Das geerbte Haus darf ohne Nachlassverfahren nicht verkauft werden und ohne Verkauf fehlt das Geld zur Begleichung der Steuerschuld.

Nach Tod ihrer Mutter: Emotionale Belastung durch Bürokratie

Für Jill war dieses bürokratische Chaos mitten in der Trauerphase kaum zu bewältigen. Die Organisation der Unterlagen und die Kommunikation mit den Behörden empfand sie als zusätzliche emotionale Last. "Es ist ein schreckliches System und alles daran ist schrecklich", beschreibt sie die Wochen nach dem Tod ihrer Mutter. 

Das Erbschaftssystem in Großbritannien: So funktioniert es

Das englische Erbschaftssteuersystem, bekannt als Inheritance Tax (IHT), zeichnet sich durch einige zentrale Eckpunkte aus: Grundsätzlich gilt ein Freibetrag ("Nil Rate Band") von 325.000 Pfund (circa 370.000 Euro), über diesen Wert hinaus werden Vermögenswerte laut des Finanz- und Rechtswebsite "Haufe" mit 40 Prozent besteuert. 

Für selbstgenutztes Wohneigentum, das direkt an Kinder vererbt wird, wird der Freibetrag auf 500.000 Pfund (circa 570.000 Euro) erhöht, erklärt der Finanzblog "Koos Koster".

Während Jill Lemon das System als unfair empfindet, erfüllt es aus der Sicht von Befürwortern wichtige Funktionen: Es stellt ein Instrument der Umverteilung dar, indem große Nachlässe stärker belastet werden, während kleinere Vermögen durch Freibeträge geschont sind. Außerdem schafft der Steuermechanismus Anreize, Vermögen nicht einfach generationenübergreifend anzuhäufen, sondern aktiv zu wirtschaften.