Beim „Puglia by UTMB“-Race waren auf der Königsdistanz satte 145 Kilometer zu absolvieren. Markus Brennauer ging das Wagnis ein – und musste hart kämpfen.
Matera – „Meine Schulter tat höllisch weh, trotzdem lief ich weiter.“ Gerade mal 25 Minuten nach dem Start in Matera (Italien) wäre das längste Rennen in der Karriere des Markus Brennauer beinahe vorbei gewesen. Gleich zu Beginn des zweiten Downhills beim Traillauf „Puglia by UTMB“ blieb der Realschullehrer an einer Wurzel hängen, stürzte auf sein linkes Knie und die rechte Schulter. Trotz großer Schmerzen rannte er weiter. 140 km lagen zu diesem Zeitpunkt vor ihm.
„Als ich fünf Minuten später mit der rechten Hand ein Gel aus meiner Weste holen wollte, ist die Schulter zurück in die Gelenkpfanne gesprungen“, so Brennauer. Ein absoluter Schreckmoment für den Penzberger. Er überlegte, ob es nicht besser wäre, das Rennen zu beenden. Doch die Schmerzen ließen in den nächsten Minuten deutlich nach, sodass er sich entschied, erst mal weiterzulaufen.
Der 45-Jährige erreichte am Ende tatsächlich das Ziel. Für die Langdistanz mit 145 Kilometern und 3800 Höhenmetern benötigte er 17:25 Stunden. Das waren knapp sechs Stunden mehr, als er eigentlich geplant hatte. Die Gründe dafür waren mannigfaltig: Regen, Matsch, weglose Streckenabschnitte, die schon erwähnte ausgekugelte Schulter „und suboptimales Energiemanagement“, wie es der Athlet des TSV Penzberg formulierte.
Knapp die Hälfte kam nicht ins Ziel
Mit dem elften Platz war der Trailläufer „natürlich nicht zufrieden“; Ziel war ein Podestrang. Dennoch galt für Brennauer: „Ich bin froh und stolz, das Rennen trotz widrigster Umstände beendet zu haben.“ Knapp die Hälfte der Starter haben das Ziel nicht erreicht. 142 Frauen und Männer kamen in die Wertung. Gesamtsieger wurde der Tscheche Marek Causidis (13:36:37); er war laut Brennauer mehr als zwei Stunden langsamer, als die vom Veranstalter prognostizierte Siegerzeit. Schnellste Frau war Anastasia Davydova (16:35:08), die als „neutrale Athletin“ geführt wurde.
Da Brennauer langsam gestartet war, lag er zum Zeitpunkt, als das Missgeschick mit der Schulter passierte, „irgendwo zwischen Platz 20 und 25“. Vor sich sah er den Schein von Stirnlampen der Läufer, die vor ihm lagen. Nach knapp einer Stunde, mittlerweile war es 23 Uhr, hatte er sich fünf Plätze nach vorne kämpfen können. Der strömende Regen, der Wind und der immer matschiger werdende Untergrund erschwerten das Vorankommen. „Meine Motivation schwankte hin und her. Es waren überhaupt nicht meine Bedingungen.“ Hinzu kam das Bewusstsein, dass er nicht noch einmal auf seine rechte Seite fallen durfte, was angesichts der extrem anspruchsvollen Strecke in der Dunkelheit durchaus im Bereich des Möglichen lag.
Nach 25 Kilometern, Markus Brennauer lag mittlerweile auf Platz 15, war er erneut kurz davor, aufzugeben. Ein kurzer, extrem steiler und extrem matschiger Abschnitt lag vor ihm. „Ich wusste nicht, wie ich da hochkommen soll, da ich bei jedem Schritt nach oben wieder nach unten gerutscht bin. Ich konnte meinen rechten Arm nicht benutzen, um mich an den Büschen an der Seite hochzuziehen. Zudem wollte ich nicht stürzen.“ Erst nach mehreren Minuten fand er eine einigermaßen sichere Aufstiegsmöglichkeit, indem er sich durch Gestrüpp nach oben kämpfte. 15 Minuten später rutschte er dann fast 200 Höhenmeter eine Schlammpiste hinunter, sich dabei ausschließlich auf dem linken Arm abstützend.
Laufen durch wegloses Gelände
Die Strecke wurde nun immer schwieriger. Kilometer wegloses Gelände durch Wiesen, Stein- und Geröllfelder, sumpfige Passagen und frisch umgeackerte Felder folgten. Dabei orientierte sich Brennauer wie auch die anderen Teilnehmer an den gelben reflektierenden Bändern, die alle 50 bis 100 Meter angebracht waren. Bei der Verpflegungsstation bei Kilometer 44 lag der Penzberger auf Rang zehn. Supporter Alexander Schreck versorgte ihn am Checkpoint mit neuen Gels.
Die nächsten Kilometer waren nun geprägt von schmalen Singletrails und Matsch. So kam es, dass Brennauer bei einem Downhill nach 50 Kilometern erneut stürzte. Dieses Mal aber auf die linke Schulter, wobei ein Busch am Streckenrand den Aufprall abfederte. Kurz nach dem Sturz musste der Routinier seine Stirnlampe wechseln, da der Akku der ersten Leuchte leer war. „Ich war stundenlang alleine in der Dunkelheit unterwegs.“ Nur hin und wieder tauchten in der Dunkelheit Streckenposten auf – und Hunde. Immer wieder sprangen diese von Grundstücken auf die Strecke und stellten sich lautstark bellend in den Weg. „Ich habe glücklicherweise keine Angst vor Hunden, aber trotzdem bin ich einige Male erschrocken“, sagte Brennauer.
Nach 85 Kilometern war Castellaneta erreicht. Dort wartete sein Supporter erneut und nahm kein Blatt vor den Mund: „Du siehst richtig schlecht aus. Ganz blass“, sagte Alexander Schreck. „Ich habe mich zu diesem Zeitpunkt hundeelend gefühlt“, berichtete der Penzberger, der sich erst mal hinsetzte und sich die Schuhe von seinem Supporter ausziehen ließ. Die waren mit dem Schlamm der Nacht vollständig bedeckt. „Teilweise hatte man gefühlt ein, zwei Kilo Schlamm an den Schuhen. Dadurch wurde das Laufen noch schwieriger als es ohnehin schon war“, so Brennauer.
Dass es ihm so schlecht ging, lag aber primär daran, dass er zu wenig gegessen hatte. In den ersten vier, fünf Stunden hatte er die geplanten 100 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde zu sich genommen. Doch im späteren Verlauf war er eigenem Bekunden nach „nachlässig geworden mit der Verpflegung“. Trotz allem lief er weiter und hängte sich an zwei Italiener, die zeitgleich mit ihm die Verpflegungsstation verließen. Von nun an war es ein ständiges Auf und Ab.
Ein ständiges Auf und Ab
„Teilweise hatte ich richtig gute Phasen und konnte relativ schnell laufen. Teilweise war selbst das Gehen viel zu anstrengend. Ich konnte deutlich spüren, wann die aufgenommenen Kohlenhydrate in der Muskulatur eintrafen und wann der Energiespeicher wieder leer war.“ Da die Abstände zu den anderen mittlerweile recht groß waren, konnte Brennauer seine Platzierung halten. Der Regen hatte in den frühen Morgenstunden aufgehört, durch die Sonne erreichten die Temperaturen 20 Grad Celsius. Der Penzberger wechselte ständig zwischen Gehen und Laufen. Als seine GPS-Uhr auf 100 Kilometer umsprang, befand er sich mal wieder in der Gravina-Schlucht, die die Teilnehmer mehrere Male queren mussten.
Bei Kilometer 104 waren fast alle Höhenmeter geschafft. Eigentlich wollte Brennauer nun seine Stärke im flachen Gelände ausspielen, doch sein Körper hatte andere Pläne. „Ich merkte, dass mein Magen nur noch sehr langsam die zugeführte Nahrung weiterleitete. Darum stieg ich auf Cola um, die mein Magen allerdings auch nur bedingt vertrug.“ Von nun an musste der Realschullehrer auch in der Ebene zwischen Laufen und Gehen wechseln.
Kurz vor der letzten Verpflegungsstation, bei Kilometer 128, wurde Brennauer vom Augsburger Timon Günther eingeholt. Für die nächsten sieben Kilometer liefen sie gemeinsam und beschlossen, zusammen ins Ziel zu laufen. Doch nach 135 Kilometern teilte Brennauer seinem Leidensgenossen mit, dass er nicht auf ihn warten müsse. „Ich bin dann immer 400 Meter gelaufen und 200 Meter gegangen“, schilderte der Penzberger die Situation. 4,5 Kilometer vor dem Ziel führte das Schlussstück bei Castellaneta Marina direkt am Meer entlang. „Natürlich sah der Strand traumhaft aus. Aber der Sand kostete noch einmal richtig viel Kraft.“
„Muskulär war es eigentlich kein Problem. Und beim nächsten Mal werde ich mit anderen Kohlenhydratprodukten arbeiten, in der Hoffnung, dass ich diese besser vertrage“, so lautete das Fazit von Brennauer. Wann er sich wieder auf eine ähnliche Distanz wagen wird, steht noch nicht fest.