Putins eiserne Zange schließt Ukrainer ein: Fluchtweg nur noch 3 Kilometer breit

Der Kampf um Pokrowsk steht offenbar kurz vor dem Ende. Aufnahmen des russischen Verteidigungsministeriums zeigen Putins Soldaten, die sich unbehelligt durch den Süden der strategisch wichtigen Stadt bewegen. Zu sehen sind zerstörte Gebäude, leere Straßen und russische Infanteristen im Viertel Shakhtarskyi. 

Experte sieht Pokrowsk bereits in russischer Hand

Seit mehr als einem Jahr versucht Russland, Pokrowsk mit einer Zangenbewegung von West und Ost abzuschneiden. Während russische Militärkarten die Stadt inzwischen als erobert ausweisen, gehen die von den Ukrainern herausgegebenen Karten weiterhin von einer Grauzone aus, die von keiner Seite kontrolliert wird. 

Nach Einschätzung des österreichischen Militärexperten Markus Reisner ist Pokrowsk bereits vor zwei Wochen militärisch gefallen: „Am nördlichen Rand der Stadt gibt es einige Plattenbauten, wo noch ein kleines Gebiet von ukrainischen Soldaten gehalten wird“, sagte er am gestrigen Donnerstag im Gespräch mit „ntv".

Die ukrainischen Kräfte blieben dort, um den Raum nördlich und nordöstlich zu verteidigen – und um „einen kleinen Korridor zum Kessel ostwärts der Stadt“ offenzuhalten. Über diese Engstelle versuchten vor allem Einheiten der 38. Marinebrigade, sich zurückzuziehen und so der Einkesselung zu entgehen.

Reisners Beschreibung deckt sich mit der Analyse des Institute for the Study of War (ISW). Demnach ist Pokrowsk zwar noch nicht vollständig umzingelt, aber die russischen Angriffskeile westlich und nordöstlich haben sich bis auf wenige Kilometer zusammengezogen. Die Stadt befindet sich damit in einer taktischen Umklammerung – die Verteidigung oder ein geordneter Rückzug wird täglich schwieriger. 

Myrnohrad – die zweite Gefahr

Nicht nur Pokrowsk, sondern auch das nordöstlich gelegene Myrnohrad droht abgeschnitten zu werden. Besonders brisant: Wie das ISW berichtet, sitzen in dem zusammenhängenden Siedlungsgebiet mehrere Tausend ukrainische Soldaten fest – darunter viele Verwundete, die kaum noch evakuiert werden können. Die Lücke, durch die sich Einheiten noch zurückziehen können, beträgt demnach weniger als drei Kilometer und wird stetig kleiner.

Ukrainische Truppen versuchen zwar immer wieder in kleinen Gruppen auszubrechen. Doch je schmaler der Flaschenhals wird, desto verlustreicher gestalten sich diese Vorstöße. Wie „ntv" berichtet, sind die Frontlinien auf beiden Seiten zwar löchrig – doch russische Drohnen überwachen die letzten offenen Wege aus der Stadt so intensiv, dass selbst kleine Bewegungen für die ukrainischen Soldaten lebensgefährlich werden.

Der Verlust von Pokrowsk hätte weitreichende Folgen

Pokrowsk und Umgebung gelten seit Beginn des Kriegs als wichtigster Verkehrsknotenpunkt im Westen des Donezker Gebiets. Mehrere Versorgungsrouten der Ukraine laufen hier zusammen; über die Stadt verlief lange der zentrale Nachschubkorridor für die Verteidigung des Donbass. 

Internationale Medien wie „Reuters" berichteten, dass Moskau Pokrowsk als „strategisch bedeutsame Einzelgewinnung“ betrachtet, weil die Stadt als logistisches Sprungbrett für weitere Vorstöße nach Westen dienen könnte. 

„Ein Verlust von Pokrowsk wäre sehr schmerzhaft, deshalb hoffe ich wirklich, dass es nicht dazu kommt“, sagte ein ukrainischer Offizier, der bei Pokrowsk stationiert ist, bereits Anfang November im Gespräch mit der „Deutschen Welle". Sollten die ukrainischen Truppen Pokrowsk verlieren, könnten alle eingesetzten russischen Kräfte in Richtung Kramatorsk, Slowjansk und Druschkiwka weiterziehen. Die Verteidigung dieser Städte wäre um ein Vielfaches schwieriger, so der Offizier.

Mit der Stadt verliert Kiew also nicht nur einen wichtigen urbanen Stützpunkt, sondern auch einen Teil der verbliebenen Kontrolle über den westlichen Donbass.