Im Weißen Haus sind der US-Präsident und eine saudische Delegation aufeinandergetroffen: Für Donald Trump geht es um rund eine Billion Dollar, die Saudi-Arabien in den Erdgassektor der USA und in den Kauf von Waffen- und Computerchips investieren will. Für den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman geht es vor allem um seine Rückverwandlung vom Paria der Weltgemeinschaft zu einem Staatenlenker mit Reputation.
Gleich mehrere internationale Geheimdienste, darunter die CIA, hatten den Premierminister als treibende Kraft hinter dem Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im Konsulat seines Landes in Istanbul vor sechs Jahren benannt.
Bei Treffen mit bin Salman wird Trump plötzlich feinfühlig
Davon wollte indes Trump nichts hören bei der Pressebegegnung mit Mohammed bin Salman am Dienstag im Weißen Haus. Er reagierte mit beleidigender Polemik auf die ABC-Korrespondentin Mary Bruce, die danach zu fragen wagte. "Sie müssen unseren Gast nicht mit einer solchen Frage in Verlegenheit bringen", sagte der ansonsten nicht für einen feinfühligen Umgang mit Besuchern bekannte Präsident mit einem Seitenblick auf Mohammed bin Salman, kurz MBS genannt.
Dann warf er Journalistin Bruce vor, "eine schreckliche, aufsässige und einfach nur furchtbare Frage" gestellt zu haben. Der Sender ABC sei zudem ein "mieses Unternehmen", der für Rundfunk zuständige Regierungsbeauftragte Brendan Carr solle prüfen, ob ihm die Sendelizenz entzogen werde.
Außerdem: "Viele Leute mochten diesen Herrn, von dem Sie sprechen, nicht", so Trump über das Opfer Khashoggi, dem er nach dem Mord selbst noch mit "harten Strafen" gedroht hatte. "Ob man ihn nun mochte oder nicht, so etwas passiert eben."
Langjährige Allianz: Washington garantiert Riads Sicherheit
Seit der Gründung der absolutistischen Monarchie im September 1932 beruhen die bilateralen Beziehungen zu den USA auf einem simplen Deal: Washington garantiert die Sicherheit, Riad die verlässliche Lieferung von Öl.
Saudi-Arabien ist der wichtigste strategische Partner der USA im Nahen Osten. In dieser Partnerschaft hat es oft geknistert und geknallt, vom saudischen Ölembargo 1973 bis zum Al-Qaida-Großangriff auf die USA vom 11. September 2001, ausgeführt vom saudischen Unternehmersohn Osama Bin Laden und vorwiegend saudischen Terroristen.
Auch der Mord an Khashoggi, der unter anderem für die "Washington Post" schrieb, belastete das Verhältnis massiv. Jetzt, das war die Botschaft aus dem aktuellen Treffen im Weißen Haus mit dem Überflug einer Flugzeugformation und viel demonstrierter Nähe, geht es zurück zur alten Einvernehmlichkeit.
Die Herrschaft der weit verzweigten Al-Saud-Dynastie über Saudi-Arabien, die seit der Gründung des Königreichs existiert, stützt sich maßgeblich auf die Garantie der USA, im Falle eines Angriffs auf das Wüstenkönigreich einzugreifen. Im Gegenzug erhalten die Vereinigten Staaten lukrative Vergünstigungen und weitgehende Rückendeckung bei ihrer Nahostpolitik, die in der arabisch-muslimischen Region größtenteils unpopulär ist.
Obama brachte mit Iran-Deal das Bündnis ins Wanken
Unter Barack Obama geriet dieses Arrangement kurzzeitig in Schieflage – der demokratische Präsident erreichte einen Atomdeal mit dem schiitischen Iran, dem großen Gegenspieler des sunnitischen Saudi-Arabien, und stoppte zeitweilig bestimmte Waffenlieferungen.
Trump hat diesen Kurs nach seiner ersten Wahl 2016 wieder radikal gewendet: Seine erste Auslandsreise führte ihn im Mai 2017 nach Riad. Dort kündigte er gemeinsam mit König Salman ein Rüstungspaket an, das sich in den Schlagzeilen als "110-Milliarden-Dollar-Deal" wiederfand: Es ging um Käufe von Panzern, Kriegsschiffen, THAAD-Raketenabwehr, Munition, Kommunikations- und Cybertechnik.
Der Präsident machte Saudi-Arabien zum zentralen Pfeiler seiner Iran-Eindämmung und zum wichtigsten Rüstungskunden der USA – und sich zum persönlichen Partner des Kronprinzen und seiner Familie.
Trump und der Rüstungsdeal: "Ich habe ihm den Arsch gerettet"
Daran erinnerte am Dienstag, nach dem bemerkenswerten Auftritt von Trump und MBS im Weißen Haus, auch Bob Woodward, Bestseller-Autor und einer der beiden investigativen Reporter der "Washington Post", die 1972 die Watergate-Affäre enthüllten. Woodward interviewte am 22. Januar 2020 Trump und sprach ihn dabei auf die Rolle von MBS bei der Ermordung Khashoggis an.
"Ich habe mich sehr stark engagiert", sagte Trump laut Woodwards Mitschnitt, den er in einem Buch und jetzt noch einmal auf X veröffentlichte. "Ich weiß alles über die gesamte Situation." – "Was ist denn passiert, Sir?", fragte Woodward.
Trump: "Ich habe ihm den Arsch gerettet. Das ist passiert." – "Wem haben Sie den Arsch gerettet?" "MBS", sagte Trump. "Sie sind sehr hart gegen ihn vorgegangen. Aber ich habe den Kongress dazu gebracht, ihn in Ruhe zu lassen. Ich habe sie dazu gebracht, aufzuhören…"
Ehrenerklärung für MBS: "Er wusste nichts davon"
Trump verstand sich nicht nur im Gespräch mit Woodward als Anwalt des Kronprinzen, sondern agierte auch am Dienstag im Oval Office in dieser Weise. "Sie erwähnen jemanden, der äußerst umstritten war", beschied der Präsident die ABC-Journalistin, möglicherweise anspielend darauf, dass sich Khashoggi einst zur Muslimbruderschaft bekannte, bis in die 1990er-Jahre als Journalist Kontakte zum damals gegen die sowjetische Invasion in Afghanistan kämpfenden Osama bin Laden unterhielt und für saudische Diplomaten arbeitete.
Trump gab eine bemerkenswerte Ehrenerklärung für den Kronprinzen ab. „Er wusste nichts davon“, versicherte Trump. Und der Präsident, der noch im Februar den ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj aus dem Weißen Haus geworfen und im Mai den südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa im Oval Office vor der versammelten Presse eines Völkermords an weißen Farmern beschuldigt hatte, mahnte: "Man muss unsere Gäste nicht in Verlegenheit bringen."
Das klang unmittelbar nach dem Mord an Khashoggi noch anders. 2018 versicherte der Präsident in der CBS-Sendung "60 Minutes": "Wir gehen der Sache auf den Grund. Und es wird harte Bestrafungen geben."