Gericht nennt Spionage-Vorwürfe gegen AfD "vage Mutmaßungen“

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) hatte harte Vorwürfe gegen die AfD erhoben: Gegenüber dem "Handelsblatt" äußerte er den Verdacht, dass die AfD parlamentarische Anfragen – etwa zum Zustand der kritischen Infrastruktur – nutze, um mit diesen Informationen Russland zu versorgen.

Georg Maier: AfD forscht gezielt kritische Infrastruktur aus

Das "Handelsblatt“ schrieb daher von Anhaltspunkten dafür, "dass die AfD für Russland spionieren könnte“.

Maier hatte gesagt: „Schon seit geraumer Zeit beobachten wir mit zunehmender Sorge, dass die AfD das parlamentarische Fragerecht dazu missbraucht, gezielt unsere kritische Infrastruktur auszuforschen.“ 

Auch auf Bundesebene gebe es zahlreiche parlamentarische Anfragen dieser Art, ergänzte der Thüringer Innenminister: „Es drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass die AfD mit ihren Anfragen eine Auftragsliste des Kremls abarbeitet.“

AfD nennt Vorwurf „irrwitzig“ 

Die AfD hatte den Vorwurf als "irrwitzig“ zurückgewiesen. Gegen die Berichterstattung im "Handelsblatt“ klagten der Thüringer Landesverband der AfD, die Fraktion sowie zwei Landtagsabgeordnete vor dem Berliner Landgericht.

Sie sahen in den Vorwürfen eine Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte. Das Gericht wies die Klage aber ab, weil von einer schweren Persönlichkeitsverletzung nicht die Rede sein könne.

Allerdings wirft die weitere Begründung der Richter ein schiefes Licht auf die "Spionage-Vorwürfe“ des Thüringer Innenministers gegen die AfD an sich.

Landgericht: Spionage-Vorwürfe sind vage Mutmaßungen

Zum Inhalt des "Spionage“-Verdachts stellt das Gericht fest: Sich einfach auf die Aussagen Maiers zu stützen, würde für eine mediale Verdachtsberichterstattung gegen die AfD nicht genügen.

Denn Maiers Aussage genüge nicht „zur Begründung eines Mindestmaßes an Beweistatsachen", da sich Maier bei seinem Spionage-Verdacht „lediglich auf vage und nicht näher konkretisierte Mutmaßungen über die Motivation der parlamentarischen Anfragen durch Abgeordnete der AfD berufen“ habe.

Die Richter dehnten diese Kritik ausdrücklich auch auf die ebenfalls im "Handelsblatt“ zitierte Äußerung des CDU-Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Geheimdienste-Kontrollgremiums, Marc Henrichmann (CDU), aus. 

Henrichmann hatte dem Thüringer Innenminister zugestimmt: „Russland macht seinen offenkundigen Einfluss im Parlament, insbesondere in der AfD, natürlich geltend, um zu spionieren und sensible Informationen abzugreifen.“ 

„Für den Kernvorwurf der Spionage keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich“

Der Rechtsanwalt der AfD-Kläger, Christian Conrad von der Kanzlei Höcker, sagte gegenüber FOCUS online, das Verfahren sei zwar presserechtlich verloren worden: „Trotzdem hat das Gericht zum Kernvorwurf der Spionage, den Innenminister Maier erhoben hat, klar gemacht, dass dafür - Stand jetzt - keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich sind.“

Dank der besonderen Aufmerksamkeit des Gerichts habe „sich das Verfahren daher für die Mandanten sehr gelohnt". 

Von Thüringens Innenminister Georg Maier gab es bislang keine Reaktion auf das Berliner Urteil. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Marc Henrichmann teilte FOCUS online mit, man beteilige sich "grundsätzlich nicht“ an der Bewertung laufender presserechtlicher Verfahren.