Der britische „Guardian“ hat in einem Leitartikel die wirtschaftliche und politische Situation Deutschlands unter Kanzler Friedrich Merz analysiert. Die Zeitung beschreibt eine düstere Stimmung im Land. Zunächst habe es Anlass zum Optimismus gegeben, weil Deutschland wieder eine stabile Regierung bekommen hatte. Doch „sechs Monate nach Merz' Amtsantritt ist die Angst zurück“, befindet der „Guardian“.
Der Krieg in der Ukraine, Chinas wirtschaftlicher Druck und die Handelspolitik der USA hätten das exportorientierte Modell Deutschlands ins Wanken gebracht, so der Leitartikel. Mögliche „hausgemachte“ Ursachen bleiben jedoch unerwähnt.
Auch der Versuch, mit massiven Investitionen die Wirtschaft anzukurbeln, habe bisher nicht die erhofften Ergebnisse gebracht. Stattdessen wachse die Unsicherheit in der Bevölkerung. Besonders die wirtschaftliche Stagnation und auch das Erstarken der AfD bereiten der linksliberalen Zeitung Sorgen.
Große Pläne, aber wenig Fortschritt
Nach seinem Wahlsieg hatte Merz ein ambitioniertes Programm vorgestellt, das Deutschland aus der wirtschaftlichen Lethargie führen sollte. Dazu gehörten 500 Milliarden Euro für Infrastrukturprojekte und den grünen Umbau der Wirtschaft sowie eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben.
Diese Maßnahmen sollten Deutschland auf eine neue Ära vorbereiten, in der die USA als verlässlicher Partner weniger präsent seien. Doch nun zeigen erste Prognosen, dass das Wachstum bis 2026 unter einem Prozent bleiben könnte. Auch das Vertrauen der Unternehmen sei gesunken, was sich negativ auf die Konjunktur auswirkt.
Wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung
Die wirtschaftliche Stagnation hat laut dem „Guardian“ auch politische Folgen. Aktuelle Umfragen zeigen, wie unzufrieden die Bevölkerung mit der Arbeit der schwarz-roten Koalition ist. Gleichzeitig gewinnt die AfD weiter an Zustimmung und liegt in den Umfragen vorne. Der „Guardian“ sieht darin eine Gefahr für die politische Mitte in Deutschland. Die Zeitung warnt davor, dass die Unzufriedenheit der Bürger die politische Landschaft nachhaltig verändern könnte.
Weil die AfD in den Umfragen führt, ist die Enttäuschung unter den Wählern nicht nur für den Kanzler und seine Koalitionsregierung ein Problem, sondern für die „gesamte Mainstream-Politik“, resümiert der „Guardian“.
Kritik an alten Rezepten, Lob für Milliarden-Schulden
Im Leitartikel wird außerdem davor gewarnt, dass Merz auf Druck seiner Kritiker zu alten Sparmaßnahmen zurückkehren könnte. Als ehemaliger BlackRock-Manager und Verfechter strikter Haushaltsdisziplin sei er dafür bekannt, soziale Ausgaben zu kürzen. Doch laut dem „Guardian“ wäre dies ein Fehler.
Stattdessen brauche Deutschland dringend Investitionen, um sich in einer „multipolaren Weltwirtschaft“ zu behaupten. Ein Rückfall in alte Sparmaßnahmen würde die deutsche Wirtschaft schwächen, so die Warnung. Damit stellt sich die britische Zeitung hinter die milliardenschweren Schuldenpläne der Regierung.