Unter Merz erlebt die CDU eine Anti-Story, die sich tiefer reinfrisst, als viele denken

Friedrich Merz führt eine Koalition, die schon beim Start eher wie ein notdürftig gezimmertes Übergangsbauwerk wirkte und weniger wie ein stabiles Regierungsprojekt. Trotzdem wurden einige tragende Balken gesetzt. 

Die CDU brachte die SPD dazu, über Wehrpflicht und Bundeswehrstärkung neu nachzudenken, die Asylpolitik nicht länger zu verdrängen und das EU-Lieferkettengesetz, das besonders deutsche Unternehmen belastete, spürbar abzuschwächen. Alles Punkte, die der Union innenpolitisch Rückenwind verschafften.

Doch das Problem beginnt dort, wo Friedrich Merz den größten Anteil daran hat – und im nächsten Moment alles wieder „mit dem Hintern einreißt“. Dieses Muster zieht sich wie ein roter Faden durch seine Regierungsarbeit. Und genau dieses Muster erzeugt inzwischen eine Anti-Story, die sich tiefer in die CDU hineinfrisst, als vielen bewusst ist.

1. Wenn der eigene Chef die falsche Geschichte erzählt

Die CDU braucht eine Story: die eines verlässlichen Modernisierers, der klare Linien hält. Doch Merz erzählt ungewollt eine andere – eine, die ihn schwächer erscheinen lässt als er eigentlich ist. Es ist die Story eines Parteichefs, der das Haus baut, die Wände hochzieht, die Fenster einsetzt – und dann aus Rücksicht auf die SPD selbst die tragenden Pfeiler lockert. 

Die Basis erlebt, wie Merz über Wochen für CDU-Positionen kämpft, kurz vor dem Ziel aber wieder umschwenkt, um den Koalitionspartner nicht zu verprellen. Das Rentenpaket wurde dadurch zum Symbol: Man konnte förmlich zusehen, wie die Balken in sich zusammenfallen.

2. Die Wucht der Anti-Story: „Ihr zählt nur, wenn ihr zustimmt“

Diese Anti-Story wirkt zerstörerisch, weil sie sich nicht um Fakten, sondern um Gefühle dreht. In der Jungen Union hört man Sätze wie: „Unsere Anliegen sind nur relevant, wenn wir das Stimmvieh liefern.“ 

Die jungen Abgeordneten wissen, dass sie die kommenden Renten finanzieren müssen – und erleben gleichzeitig, wie Merz die Interessen der älteren Wählerschaft und der SPD über ihre eigenen stellt.

Hier entsteht ein Narrativ, das gefährlicher ist als jeder politische Fehler: die Story, dass Merz seine eigene Leute als austauschbar ansieht. Und dass ihm die Zustimmung der SPD wichtiger ist als die der eigenen Partei. Das beschädigt Loyalität. Und Loyalität ist die einzige Währung, die eine politische Führung wirklich stabil hält.

3. Die SPD als lachender Dritter – und Merz als unfreiwilliger Gebäudemeister

Die SPD bekommt in dieser Koalition erstaunlich viel – weit mehr, als ihre politischen Kräfteverhältnisse hergeben. 15 Prozent Zustimmung, aber maximale Wirkkraft. 

Und warum? Nicht, weil sie überragend verhandelt, sondern weil Merz ihr zu viel Raum gibt. Die CDU spürt das. Die Mitglieder spüren das. Und sie erzählen es weiter.

So entsteht die abschüssige Anti-Story: Die SPD sagt, was sie will – und Merz sorgt dafür, dass sie es bekommt. Diese Erzählung ist politisch toxisch, denn sie lässt die eigene Basis zweifeln, ob ihr Vorsitzender wirklich für ihre Ziele kämpft und für das, wofür die Abgeordneten in ihren Wahlkreisen gewählt worden sind.

Fazit: Warum diese Anti-Story für Unternehmen und Leser relevant ist

Vertrauen kommt wie eine Schnecke und galoppiert davon wie ein Pferd. Merz liefert ein unbequemes Lehrstück dafür, wie Führung nicht funktionieren darf. 

Eine Anti-Story, die die eigenen Leute klein macht und den Koalitionspartner groß, frisst die Loyalität von innen heraus. Unternehmen kennen dieses Prinzip: Wer die eigenen Teams konsequent übergeht, verliert zuerst die Motivation – und dann die Substanz. Und bekommt seine Strategie garantiert nicht umgesetzt. 

Meinen Mandanten predige ich immer wieder: Wer als CEO den Wandel nicht glaubwürdig verkörpert, braucht keinen Rückhalt bei seinem Team zu erwarten. 

Oder wie es meine Oma gesagt hätte: Der Fisch stinkt immer vom Kopf her. Daher gilt: Politik kann nur funktionieren, wenn Führungskräfte ihre eigene Basis stärken und nicht ständig demonstrieren, dass andere ihnen wichtiger sind.

Menschen gewichten das Negative stärker als das Positive. Unser Selbsterhaltungstrieb sagt: Besser ein Pessimist der lebt, als ein Optimist, der tot ist. Genau darum glauben wir schlechte Nachrichten bereitwilliger als positive. Und darum sind Negativ-Storys so viel stärker. Merz läuft Gefahr, dass diese Negativstory ihm die Positivstorys seiner Arbeit zunichte macht.

Prof. Dr. Veit Etzold ist ein anerkannter Redner, CEO-Coach und Strategieberater mit über 20 Jahren Erfahrung in verschiedenen Branchen. Er lehrt Marketing und Neuromarketing an der Hochschule Aalen. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.