Paula W.: "Ich gerate immer wieder an Männer, die es nicht ernst meinen"

Ich nutze seit einiger Zeit Online-Dating und habe das Gefühl, dass ich irgendetwas falsch mache. Immer wieder habe ich das Gefühl, an Männer zu geraten, die es nicht ernst meinen. Was kann ich tun, um das zu ändern? Ich komme immer wieder an denselben Punkt: Es geht nicht richtig weiter und ich habe das Gefühl, dass Männer etwas anderes wollen als ich. Dabei tauchen bei mir immer wieder Fragen auf.

Ich bin schon länger Single – hat das Einfluss auf meine Chancen beim Online-Dating? Nutzen Männer und Frauen Dating-Apps aus unterschiedlichen Gründen? Zählen Charme und eine gute Ansprache online genauso wie im echten Leben – oder gelten dort andere Regeln? Viele nutzen inzwischen KI wie ChatGPT – auch ich formuliere damit manchmal Nachrichten. Verändert das, wie wir Beziehungen beginnen: mehr Effizienz, aber weniger Echtheit? Ist KI eher Fluch oder Segen?

Paula W.

Team Love
Wieland Stolzenburg, Regina Heckert, Nina Grimm, Wera Aretz, Stefan Woinoff (v.r.n.l.) FOCUS online

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  • Beziehungsexperte Wieland Stolzenburg: Autor und Psychologe hinter den Kulissen bekannter Reality-TV-Produktionen.
  • Sex-Expertin Regina Heckert: Sexualberaterin, Autorin und Leiterin der größten Tantraschule Deutschlands.
  • Familien-Expertin Nina Grimm: Familienpsychologin, Verhaltenstherapeutin, Bestseller-Autorin und Mutter.
  • Dating-Expertin Wera Aretz: Professorin für Wirtschaftspsychologie, systemische Paartherapeutin und Expertin für Online-Dating.
  • Beziehungsexperte 50+ Stefan Woinoff: Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychotherapeut und Experte fürs Dating in der zweiten Lebenshälfte.

„Ich bin schon länger Single – hat das Einfluss auf meine Chancen beim Online-Dating?“

Diese Frage stellen sich viele, die schon länger ohne feste Beziehung leben. Die Antwort ist jedoch differenzierter, als es auf den ersten Blick scheint. Eine längere Singlephase ist kein Makel, sondern Teil der eigenen Biografie – und oft ein Gewinn. Menschen, die längere Zeit allein leben, entwickeln nicht selten Eigenschaften, die in Partnerschaften besonders wertvoll sind: Selbstständigkeit, emotionale Reife und die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Sie wissen genauer, was ihnen wichtig ist, und gehen neue Beziehungen bewusster und realistischer an.

Dennoch kann Alleinsein auch ambivalente Gefühle auslösen. Wer seit Jahren keine Beziehung hatte, fragt sich irgendwann: „Kann ich das überhaupt noch – Nähe zulassen, mich einlassen, vertrauen?“ Solche Zweifel sind verständlich, doch sie bedeuten nicht, dass die Fähigkeit zu Bindung oder Nähe verloren geht. Bindungsfähigkeit ist kein statisches Merkmal – sie entwickelt sich weiter, auch in Phasen des Alleinseins.

Eine positive, zugewandte Haltung zu sich selbst kann beim Online Dating einen Unterschied machen. Wer seine Singlezeit mit Lebensfreude, Offenheit und Neugier gestaltet, wirkt authentisch, sympathisch und anziehend – und sendet das Signal: Ich bin im Reinen mit mir und offen für Neues.

Diese innere Haltung kann zur positiven Dating-Prophezeiung werden. Entscheidend ist weniger, wie lange jemand Single ist, sondern mit welcher Energie und Erwartung man in neue Begegnungen geht. Studien zeigen: Menschen mit einer optimistischen Grundhaltung kommunizieren anders – wärmer, humorvoller, zugänglicher – und ziehen dadurch häufiger jene an, die zu ihnen passen.

„Nutzen Männer und Frauen Dating-Apps aus unterschiedlichen Gründen?“

Die meisten Nutzerinnen und Nutzer greifen letztlich mit der Hoffnung auf eine langfristige Beziehung zu Dating-Apps – unabhängig vom Geschlecht. Auf dem Weg dorthin verfolgen viele jedoch mehrere Motive gleichzeitig: Neugier, Unterhaltung, Selbstbestätigung und Partnersuche liegen oft eng beieinander. Dating-Apps dienen daher längst nicht mehr nur der romantischen Anbahnung, sondern haben sich zu digitalen Räumen sozialer Interaktion entwickelt.

Empirische Studien weisen übereinstimmend auf geschlechtsspezifische Unterschiede in Nutzungsmotiven. Männer verwenden Dating-Apps insgesamt häufiger und mit stärkerem Fokus auf sexuelle Kontakte, während Frauen eher soziale Verbundenheit, emotionale Resonanz oder eine langfristige Partnerschaft suchen. In der Praxis zeigt sich dies häufig in Enttäuschungen – besonders bei Nutzerinnen, die eine Beziehung anstreben und feststellen, dass ihr Gegenüber keine verbindlichen Absichten hat.

Wer Dating-Apps nutzt, sollte sich daher der eigenen Motivation bewusst sein – und zugleich versuchen, die des Gegenübers zu verstehen. Treffen unterschiedliche Absichten aufeinander, etwa Casual Sex versus Beziehungssuche, entsteht schnell Frust. Offenheit und klare Kommunikation helfen, Missverständnisse zu vermeiden. Statt zu spekulieren, „was Männer oder Frauen wollen“, lohnt es sich, direkt zu fragen: „Wonach suchst du gerade wirklich?“ Denn letztlich nutzen Männer und Frauen Dating-Apps aus teils unterschiedlichen, aber nicht gegensätzlichen Gründen.

„Zählen Charme und eine gute Ansprache online genauso wie im echten Leben?“

Charme und eine freundliche Ansprache spielen auch im Online-Dating eine zentrale Rolle – jedoch in anderer Form als im direkten Kontakt. Während im realen Leben Mimik, Stimme und Körpersprache über Sympathie entscheiden, basiert digitale Anziehung fast vollständig auf Sprache. Humor, Empathie, Individualität und eine persönliche Ansprache werden zu den entscheidenden Mitteln, um Interesse zu wecken und emotionale Nähe herzustellen.

Forschungsergebnisse zeigen, dass Nachrichten, die auf Profilinhalte des Gegenübers eingehen, persönliche Details aufgreifen und authentische Wertschätzung vermitteln, häufiger zu weiterführenden Gesprächen und realen Begegnungen führen. 

Ein gelungenes Anschreiben ist damit weit mehr als ein formaler Einstieg – es legt den Grundstein dafür, ob aus einem Match ein Dialog entsteht oder der Kontakt im digitalen Raum versandet. Die überzeugendste Ansprache wirkt respektvoll, individuell und glaubwürdig – sie vermittelt: Ich interessiere mich für dich.

Was Sie beim Online-Dating vermeiden sollten

Kopierte Floskeln statt echter Neugier: Ein charmantes Anschreiben lebt von Aufrichtigkeit. Standardfragen wie „Na, wie war dein Wochenende?“ oder austauschbare Komplimente wirken distanziert. Wer sich stattdessen auf ein konkretes Detail aus dem Profil bezieht oder eine persönliche Verbindung herstellt, signalisiert echtes Interesse – und bleibt im Gedächtnis.

Zu viel Selbstdarstellung, zu wenig Interesse am Gegenüber: Viele bemühen sich, besonders witzig oder beeindruckend zu wirken – und verlieren dabei das Gegenüber aus dem Blick. Charme entsteht nicht durch Selbstinszenierung, sondern durch Resonanz. Wer zuhört, nachfragt und Raum für Dialog lässt, schafft Nähe und ermöglicht Verbindung.

Ironie oder Zweideutigkeit ohne Kontext: Da im digitalen Kontext Tonfall und Mimik fehlen, kann Ironie leicht missverstanden werden. Was humorvoll gemeint ist, wirkt schnell überheblich oder sarkastisch. Eine klare, positive und respektvolle Sprache ist daher die verlässlichste Grundlage – sie funktioniert im digitalen Raum ebenso wie im echten Leben.

Aussagen am Ende des Gesprächs: Anstatt das Gespräch mit einer Aussage zu beenden, lohnt es sich, am Schluss eine offene Frage zu stellen. Das zeigt Interesse, macht neugierig und lädt zum Weiterschreiben ein – der einfachste Weg, damit aus einem Match ein echtes Gespräch entsteht.

Wer ehrlich, aufmerksam und humorvoll kommuniziert, bleibt auch online im Gedächtnis – und hat die besten Chancen, dass aus einem Chat ein echtes Kennenlernen wird.

„Viele nutzen KI wie ChatGPT für ihre Nachrichten. Verändert das, wie wir Beziehungen beginnen?“

In einer Welt, in der Aufmerksamkeit knapp und der Konkurrenzdruck in Dating-Apps hoch ist, kann künstlich formulierte Eloquenz zum strategischen Vorteil werden. Laut einer aktuellen Umfrage von McAfee (2023) nutzt bereits ein Viertel aller Dating-App-Nutzerinnen und Nutzer KI, um ihre Profiltexte oder Anschreiben zu gestalten – insbesondere dann, wenn sie unsicher sind oder kreative Ideen suchen.

Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten für eine erfolgreiche Erstansprache. Die Hemmschwelle, ein Gespräch zu beginnen, sinkt; zugleich wirken die Formulierungen oft klarer, humorvoller und ansprechender. KI kann somit die Anfangsphase der Kommunikation erleichtern und zwischenmenschliche Begegnungen begünstigen.

Doch jede Medaille hat ihre Kehrseite. Je stärker Kommunikation „optimiert“ ist, desto größer wird die Diskrepanz zwischen Online-Eindruck und realer Begegnung. Wenn Nachrichten perfekt klingen, ihre Verfasserinnen und Verfasser im echten Leben jedoch ganz anders wirken, ist Enttäuschung oft vorprogrammiert.

Zudem geht durch KI-generierte Nachrichten ein wichtiger Interpretationsraum verloren. Früher ließen sich aus Satzbau, Rechtschreibung und Stil subtile Rückschlüsse auf Persönlichkeit, Bildung oder Emotionen ziehen. Wenn jedoch KI Texte formuliert und sprachlich glättet, verschwinden diese feinen Signale.

So entsteht eine paradoxe Situation: KI macht es leichter, ins Gespräch zu kommen – aber schwerer, sich wirklich kennenzulernen. Was früher spontane Unsicherheiten oder kleine Unvollkommenheiten waren, die Nähe erzeugen konnten, wird heute oft geglättet.

Dabei ist zu berücksichtigen: KI ist nur so gut wie der Mensch, der sie steuert. Richtig eingesetzt, wird sie zum kreativen Sparringspartner und hilft, der eigenen Individualität Ausdruck zu verleihen.

Prof. Dr. Wera Aretz, Diplom-Psychologin und Wirtschaftspsychologie-Professorin, ist zertifizierte Paartherapeutin und Expertin für Online-Dating. Sie ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen ihre persönliche Auffassung auf Basis ihrer individuellen Expertise dar.