Wie funktioniert die Wechselbeziehung von Organen und Zähnen?
Die traditionelle chinesische Medizin (TCM) bezieht sich hierbei auf die Vorstellung von Energiebahnen, den Meridianen, die den gesamten Körper durchziehen. Jeder Zahn hat ein Organ-Pendant im Körper. Beschwerden an dem entsprechenden Zahn können sich daher negativ auf das entsprechende Organ auswirken und umgekehrt.
Dieser Ansatz fußt auf der sogenannten Herdtheorie, wonach Beschwerden an bestimmten Körperstellen nicht unbedingt durch Fehlfunktionen an diesen Stellen verursacht werden. Der Herd dieser Entzündungen kann durchaus auch woanders liegen. Es gibt aber keine wissenschaftlichen Beweise, dass diese Theorie tatsächlich funktioniert.
Dr. medic stom. (RO) Diana Svoboda MSc, MSc ist Zahnärztin und Leiterin der diPura Fachklinik in Essen. Ihre Schwerpunkte: ästhetische Zahnmedizin, Implantologie und moderne Sportzahnmedizin. Sie ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen ihre persönliche Auffassung auf Basis ihrer individuellen Expertise dar.
Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Mundhygiene?
Eine gewissenhafte Mundhygiene ist nicht nur für die Gesundheit der Zähne sehr wichtig, sie hat auch Einfluss auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und sogar Krebs. Der Zahnmedizin ist schon seit längerem bekannt, dass Entzündungen im Zahnfleisch solche Erkrankungen begünstigen können.
Eine mangelnde Mundhygiene kann eine Erkrankung des Zahnhalteapparates, die so genannte Parodontitis, zur Folge haben. Diese chronische Entzündung des Zahnhalteapparates kann sich negativ auf den ganzen Körper auswirken.
Ein klassisches Symptom einer Parodontitis ist ein gerötetes, angeschwollenes und blutendes Zahnfleisch. Zeitgleich bilden sich auch tiefe Zahntaschen. Unbehandelt führt die Erkrankung zu Knochenabbau und letztendlich zum Zahnverlust.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen Parodontitis und Diabetes?
Der Zusammenhang dieser beiden Erkrankungen gilt schon seit mehreren Jahren als gut erforscht. Eine Parodontitis kann die Blutzuckerwerte eines Diabetikers um das sechsfache verschlechtern.
Die parodontalen Entzündungsstoffe der Parodontitis senken die Aufnahmefähigkeit der Körperzellen für Zucker. Das lebensnotwendige Hormon Insulin kann den Zucker aus dem Blut nicht mehr in die Zellen transportieren. Umgekehrt haben schlecht eingestellte Diabetiker ein dreifach erhöhtes Risiko, an einer Parodontitis zu erkranken. Bestimmte verzuckerte Eiweiße im Blut der betroffenen Patienten können die parodontalen Entzündungsquellen anregen und die Zahnfleischentzündung noch verstärken.
Diabetiker sollten daher regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen bei ihrem Zahnarzt wahrnehmen, damit die Gefahr einer Erkrankung an Parodontitis kontrolliert werden kann. Diabetiker mit Parodontitis sollten in einem besonders engen Recall eingebunden werden, da bei ihnen der Blutzuckerspiegel schwerer einzustellen ist.
Dadurch haben diese Patienten ein achtmal höheres Risiko, an Nierenerkrankungen zu leiden. Auch die Gefahr einer ischämischen Herzerkrankung ist um das zweifache höher als bei gesunden Patienten.
Parodontitis soll auch mit Krebserkrankungen, Adipositas und Rheumatoider Arthritis zusammenhängen. Wie stellen sich die Zusammenhänge dar?
Es ist schon länger bekannt, dass Parodontitis-Patienten häufiger Tumore im Kopf-Hals-Bereich entwickeln. Als Auslöser gilt unter anderem auch das humane Papillom-Virus, kurz HPV. Eine Parodontitis kann eine HPV-Infektion begünstigen. Ein Zusammenhang von Parodontitis und Adipositas wird aktuell weiter erforscht.
Fest steht aber, dass die Erkrankung bei adipösen Patienten häufiger vorkommt. Vermutlich hemmen bestimmte Fettgewebshormone, die so genannten Adipokine, die Regeneration und Wundheilung im Mundbereich, sodass dort Entzündungen begünstigt werden. Der Zusammenhang von Parodontitis und Rheumatoider Arthritis ist ebenfalls schon seit längerem bekannt.
Patienten, die unter der Gelenkerkrankung leiden, erkranken auch häufiger an der Entzündung des Zahnhalteapparates. Auch hier gibt es wieder eine Wechselwirkung und Parodontitis-Patienten leiden überdurchschnittlich oft auch an Rheumatoider Arthritis. Wahrscheinlich gelangen Bakterien (Porphyromonas gingivalis), die auch in der Parodontaltasche zu finden sind, über die Blutbahn in die Gelenke, wo sie in der Gelenkflüssigkeit und in den Knorpelzellen Entzündungsreaktionen auslösen.
Zurück zur Herdtherapie. Wie stellt der Zahnarzt denn fest, dass körperliche Beschwerden von einem kranken Zahn kommen? Sollte der Patient speziell auf seine Beschwerden hinweisen?
Eine ausführliche medizinische Anamnese ist sehr wichtig, um eine Herddiagnose stellen zu können. Im Zahn- und Kieferbereich können folgende krankheitsauslösende Herde ursächlich sein: tote und wurzelgefüllte Zähne, verlagerte Zähne, Zysten oder Granulome, Wurzelreste, Fremdkörper oder chronische Knochenentzündungen sowie chronische Entzündungen des Zahnnervs.
Der Patient kann die Anamnese natürlich unterstützen, indem er seinem Arzt von seinen allgemeinen chronischen Erkrankungen berichtet. Wenn sich diese Erkrankungen jeglicher Therapie widersetzen, kann das ein erster Hinweis für einen Herd sein. Häufig gilt das für Krankheiten wie Rheuma, funktionelle Muskel- und Gelenkbeschwerden, Migräne und Kopfschmerzen sowie Ekzeme und Hauterkrankungen.
Wie finden Patienten einen Zahnarzt, der auf eine ganzheitliche Behandlungsmethode spezialisiert ist?
Es gibt Gesellschaften für ganzheitliche Zahnmedizin, wo sich interessierte Patienten informieren können, wie zum Beispiel die Internationale Gesellschaft für Ganzheitliche ZahnMedizin e.V. oder den Bundesverband der naturheilkundlich tätigen Zahnärzte in Deutschland e.V.