Was ist Medical Gaslighting?
Unter Medical Gaslighting versteht man Situationen, in denen medizinisches Fachpersonal die Symptome oder Beschwerden von Patientinnen und Patienten nicht ernst nimmt – also sie herunterspielt, ignoriert oder als übertrieben darstellt. Den Betroffenen wird dann häufig das Gefühl vermittelt, ihre Wahrnehmung sei falsch oder ihre Beschwerden seien rein psychischer Natur, obwohl es durchaus körperliche Ursachen geben kann.
Das hat oft gravierende Folgen: Diagnosen werden verzögert gestellt, notwendige Behandlungen finden nicht rechtzeitig statt, und viele verlieren das Vertrauen in ihre eigene Wahrnehmung oder auch in das Gesundheitssystem insgesamt. Besonders häufig berichten Frauen, Menschen mit chronischen Erkrankungen oder psychischen Vorerkrankungen sowie Angehörige marginalisierter Gruppen von solchen Erfahrungen.
Neben den gesundheitlichen Risiken ist Medical Gaslighting auch emotional sehr belastend und kann das Verhältnis zwischen Ärztinnen und Ärzten und Patientinnen bzw. Patienten nachhaltig beeinträchtigen.
Dr. med. David Christel ist Spezialist für Lipödemchirurgie und Bodycontouring. Mit präziser Diagnostik und viel Erfahrung verhilft er Patientinnen zu neuer Lebensqualität und einem gestärkten Körpergefühl. Er ist Teil unseres EXPERTS Circles. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Wie äußert sich Medical Gaslighting im Zusammenhang mit der Diagnose und Behandlung von Lipödem?
Ein typisches Beispiel für Medical Gaslighting ist, wenn Betroffenen pauschal geraten wird, einfach abzunehmen oder mehr Sport zu treiben. Solche Maßnahmen bringen bei einem Lipödem aber oft nur wenig Besserung. Diese Fehleinschätzung führt dazu, dass sich viele Patientinnen nicht ernst genommen fühlen und das Vertrauen in eine wirksame Behandlung verlieren. Häufig wird das Lipödem dadurch erst spät erkannt, weil die Beschwerden über lange Zeit hinweg als banal oder selbstverschuldet abgetan werden.
Die Folgen sind weitreichend: Neben den körperlichen Einschränkungen leiden viele Betroffene unter psychischen Belastungen wie Scham, Selbstzweifeln oder einem verminderten Selbstwertgefühl. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, ist es entscheidend, die Symptome frühzeitig ernst zu nehmen, sorgfältig zu diagnostizieren und den Betroffenen mit Empathie und Offenheit zu begegnen.
Welche Rolle spielt die Gender-Health-Gap bei der Versorgung von Patientinnen mit Lipödem?
Die Gender-Health-Gap spielt bei der Versorgung von Patientinnen mit Lipödem auch eine Rolle. Ein wichtiger Aspekt ist, dass frauenspezifische Erkrankungen wie das Lipödem bislang nur unzureichend erforscht sind. Das erschwert nicht nur die Entwicklung gezielter Therapien, sondern trägt auch zur Stigmatisierung der Erkrankung bei.
Auch in der Versorgung zeigt sich diese Ungleichheit: Die Kostenübernahme für Behandlungen wie die Liposuktion wurde bisher häufig von Krankenkassen abgelehnt, obwohl nachweislich eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität eintritt. Ab 2026 soll sich das ändern. Diese Hürden machen aber deutlich, wie stark strukturelle und gesellschaftliche Faktoren die Versorgung von Frauen mit Lipödem beeinflussen. Um diese Lücke zu schließen, sind eine bessere Forschung, Sensibilisierung für frauenspezifische Gesundheitsbedürfnisse und gezielte Aufklärung entscheidend.
Warum wird das Lipödem bei Frauen oft spät oder gar nicht diagnostiziert?
Das Lipödem wird bei Frauen häufig spät oder gar nicht diagnostiziert, und das hat mehrere Gründe. Zum einen fehlt es noch immer an Bekanntheit und Bewusstsein für diese Erkrankung – sowohl bei Betroffenen als auch bei vielen medizinischen Fachkräften.
Häufig wird das Lipödem mit Adipositas verwechselt, weil sich die Fettansammlungen an Beinen und Armen ähneln. Dadurch kommt es oft zu Fehldiagnosen, und viele Frauen erhalten über Jahre hinweg keine passende Behandlung.
Welche Symptome deuten darauf hin, dass eine Frau möglicherweise an einem Lipödem leidet?
Charakteristisch sind symmetrische Fettansammlungen an Beinen, Hüften und auch an den Armen, während Hände und Füße ausgespart bleiben. Hinzu kommen Schwellungen, ein Spannungs- oder Schweregefühl, Druckempfindlichkeit und Schmerzen in den betroffenen Bereichen.
Viele Betroffene berichten außerdem von einer erhöhten Neigung zu blauen Flecken, Besenreisern, einem groben Hautbild oder Cellulite sowie davon, dass sich die Fettverteilung trotz Gewichtsabnahme nicht verändert. Typisch ist auch eine klare Abgrenzung an den Fuß- oder Handgelenken, die sogenannte Kragenbildung.
Welche modernen Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Lipödem, und wie können Betroffene die richtige Unterstützung finden?
Zur Behandlung stehen zwei Ansätze zur Verfügung. Die konservative Therapie besteht aus manueller Lymphdrainage und Kompression. Sie dient dazu, Schwellungen zu verringern und Schmerzen zu lindern. Ergänzend können eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung die Beschwerden positiv beeinflussen. Diese Maßnahmen heilen das Lipödem aber nicht.
Die operative Therapie, die sogenannte Liposuktion, ist derzeit die effektivste Methode, um das krankhaft vermehrte Fettgewebe dauerhaft zu entfernen. Dabei wird das Gewebe unter größtmöglicher Schonung der Lymphgefäße abgesaugt. So lassen sich Schmerzen, Spannungsgefühle und der Umfang der betroffenen Stellen deutlich reduzieren, und viele Patientinnen gewinnen spürbar an Lebensqualität und Beweglichkeit.