Warum eine 800er-Ibu nur mit dem Koffein-Trick sinnvoll ist

Kein Arzneimittel geht in deutschen Apotheken öfter über den Handverkaufstisch als dieser Dauerbrenner. Es kann gegen Schmerzen, Fieber und Entzündungen eingesetzt werden. Erwachsene nehmen Ibuprofen meistens in Form von Tabletten gegen Schmerzen ein, während kleine Kinder in der Regel den Saft oder die Zäpfchen gegen Fieber erhalten. 

Während die Dosierung bei Kindern von ihrem Körpergewicht abhängt, nehmen Erwachsene bis zu dreimal täglich 400 Milligramm nach dem Essen ein. Sowohl die Einzel- als auch die Tagesgesamtdosis verdoppelt sich für Erwachsene, wenn das Ibuprofen ärztlich verordnet wurde

Der Ceiling-Effekt "deckelt" die Wirkung von Ibuprofen

Aber auch ohne ärztliche Verordnung nehmen manche Menschen 800 Milligramm ein, da sie glauben, so ihre Schmerzen besser bekämpfen zu können. Aber das ist ein Trugschluss.

Während das Risiko für Nebenwirkungen ansteigt, nimmt die schmerzhemmende Wirkung nicht zu, wenn man die Dosis erhöht. Ibuprofen hat einen Ceiling-Effekt. Das heißt, dass die schmerzhemmende Wirkung gedeckelt ist – und zwar bei 400 Milligramm. 

Warum also verordnen Ärzte mehr als 400 Milligramm? 

In den meisten Fällen, weil höhere Dosen eine stärkere Entzündungshemmung aufweisen. Dabei wirken zwei 400-Milligramm-Tabletten genauso effektiv gegen Entzündungen wie eine 800-Milligramm-Tablette. Es sei denn, die 800-Milligramm-Tablette ist retardiert, denn dann wird der Wirkstoff nicht auf einmal, sondern nach und nach freigesetzt. Diese Tabletten werden aber eher selten verordnet.

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Glaubt man trotzdem, dass 800 Milligramm effektiver gegen Schmerzen sind als 400, dann könnte das auch am Placeboeffekt liegen. Die Erwartung einer stärkeren Schmerzlinderung könnte dazu beitragen, dass der Körper vermehrt schmerzlindernde Endorphine ausschüttet. Es könnte aber auch daran liegen, dass man zu klein für sein Gewicht ist. 

Bei übergewichtigen Personen sind möglicherweise höhere Dosen Ibuprofen erforderlich, da ihr erhöhtes Körpergewicht die Pharmakokinetik, also wie der Körper das Arzneimittel verarbeitet, und die Pharmakodynamik, wie das Arzneimittel wirkt, beeinflusst. Das heißt aber nicht, dass Ibuprofen bei ihnen keinen Ceiling-Effekt hat. Sie brauchen lediglich mehr davon, weil es bei ihnen schwächer wirkt als bei Normalgewichtigen.

Wie man mit Koffein den Ceiling-Effekt durchbricht

Koffein wirkt, indem es im Gehirn die Adenosinrezeptoren A1 und A2A blockiert, durch die der körpereigene Botenstoff Adenosin normalerweise seine Wirkung entfaltet. Eine verminderte Adenosinwirkung hat viele Effekte: 

  • Man fühlt sich wacher,
  • die Konzentration  steigt,
  • das Reaktionsvermögen verbessert sich
  • und vieles mehr. 

Was uns aber interessiert, ist die Wirkung von Koffein auf die Schmerzempfindlichkeit. Da Adenosin über die genannten Rezeptoren die Schmerzwahrnehmung beeinflusst, kann Koffein durch deren Blockierung manche Schmerzmittel verstärken. Kombiniert man Ibuprofen mit Koffein, kommt diese schmerzhemmende Wirkung also noch obendrauf. Die Schmerzen werden effektiver gehemmt.

In Studien wurde dieser Effekt für die Kombination von Ibuprofen mit 100 Milligramm Koffein bestätigt. Bleibt die zusätzliche Schmerzlinderung allerdings aus, könnte sich der Körper bereits an Koffein gewöhnt haben, indem er die Zahl der Adenosinrezeptoren erhöht hat. Koffein hat nämlich einen Gewöhnungseffekt: Um das gebildete Adenosin weiterhin wirken zu lassen, bildet der Körper einfach mehr Adenosinrezeptoren, wodurch Koffein schlechter wirkt – bis man die Dosis erhöht. 

Dass Adenosin die Schmerzempfindlichkeit steigert, wird auch auf anderem Wege deutlich. Trinkt man üblicherweise viel Kaffee und macht dann plötzlich einen Koffeinentzug, stehen dem Adenosin auf einmal viel mehr Rezeptoren zur Verfügung. Es kommt zu Entzugskopfschmerzen.

Über den Autor

#DerApotheker hat Pharmazie studiert und arbeitet seit über einem Jahrzehnt als approbierter Apotheker. Unter seinem Pseudonym veröffentlicht er Geschichten aus seinem Arbeitsalltag und hat sich nach eigenen Aussagen "der Aufklärung verschrieben". Er verschickt unter anderem einen kostenpflichtigen Newsletter und ist als @derapothekeraufinsta auf Instagram aktiv.