Nicht nur Stopp bei Ukrainern: Was jetzt bei Bürgergeld-Reform geplant ist

Vor rund einem Monat verkündeten Union und SPD eine Einigung beim großen Streitthema Bürgergeldreform. Doch noch immer ist das entsprechende Gesetz viele Schritte von der Umsetzung entfernt. Immerhin haben sich das Kanzleramt von Friedrich Merz (CDU) und das Arbeitsministerium von Bärbel Bas (SPD) am Mittwoch auf weitere Details geeinigt.

Für die größte Aufmerksamkeit gesorgt hat die Streichung des Bürgergelds für Ukrainer, die seit dem 1. April nach Deutschland geflüchtet sind. Weil ihr Sonderstatus gestrichen wird, werden sie künftig wie Asylbewerber behandelt. Das Einsparpotenzial für die Regierung ist allerdings gering. In Zukunft werden Länder und Kommunen die Asylbewerberleistungen zahlen, bekommen allerdings Ausgleichszahlungen dafür vom Bund.

Jetzt liegt konkrete Spar-Rechnung für Bürgergeldreform vor

Bei der Reform vom Bürgergeld hin zu einer Grundsicherung ist das Einsparpotenzial in einer neuen Version nun genauer beziffert. Sinkt die Zahl der Leistungsempfänger um 100.000, "kann dies zu erheblichen Minderausgaben im Rechtskreis SGB II führen", heißt es in dem Dokument. Konkret würden – ausgehend von durchschnittlichen Zahlungsansprüchen – die Leistungen zum Lebensunterhalt, die Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie die Sozialversicherungsbeiträge jährlich um rund 850 Millionen Euro sinken.

Diese Zahl kursierte zuletzt schon im Arbeitsministerium, steht nun aber erstmals in einem mit dem Kanzleramt abgestimmten Papier. Damit die von Merz im Wahlkampf versprochene zweistellige Milliardensumme eingespart werden kann, müssten rechnerisch fast 1,2 Millionen Menschen aus dem Bürgergeld geholt werden. 

Grundsicherung wird nur durch bessere Konjunktur viel sparen

Zwar nannten Merz, Bas und andere Koalitionspolitiker in den vergangenen Monaten niedrigere Einsparziele. So sagte der Kanzler im Oktober, bei 100.000 Menschen, die vom Bürgergeld raus- und in den Arbeitsmarkt hineinkommen, spare der Staat 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro. So oder so: Um signifikante Einsparungen zu erreichen, müssten Hunderttausende der derzeit mehr als 5 Millionen Regelleistungsempfänger in Arbeit kommen. 

Der aktualisierte Referentenentwurf gibt dazu eine realistische Einschätzung ab: "Voraussetzung – auch für die Wirkung dieses Gesetzentwurfs – ist und bleibt allerdings eine konjunkturelle Belebung, die die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes erhöht und die Beschäftigungschancen von Leistungsbeziehenden spürbar verbessert."

Etwas erschwert werden die Einsparungen zudem dadurch, dass es eine kleine, aber interessante Änderung gibt im Vergleich zur Version von Oktober: Im aktualisierten Entwurf sind nun 50 Millionen Euro Mehrkosten bei der Verwaltung vorgesehen, im vorherigen Papier waren für die Reform noch 48 Millionen Euro Mehrkosten vorgesehen.

Verschärfung bei Schlichtungsverfahren mit Jobcentern

Neben den Zahlen gibt es nun auch einige Konkretisierungen, wie die Bürgergeldreform aussehen soll. Unter anderem gibt es eine Verschärfung beim Schlichtungsverfahren – es soll abgeschafft werden. Das Schlichtungsverfahren war erst bei der letzten Bürgergeldreform geschaffen worden.

Damit sollten Streitigkeiten zwischen Jobcenter und Leistungsempfängern außergerichtlich beigelegt werden. Wenn es zum Beispiel Streitigkeiten gibt, wie viele Bewerbungen ein Bürgergeldempfänger schreiben muss, sollte mit Schlichtungsverfahren eine Einigung auf Augenhöhe gefunden werden. 

Im Mai veröffentlichte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) eine Zwischenbilanz des Instruments. Das Fazit: Die Schlichtungsverfahren werden selten genutzt, die Geschäftsführungen der Jobcenter bewerten das Instrument eher zurückhaltend.

Womöglich auch deshalb hat sich die Koalition nun auf die Abschaffung der Schlichtungsverfahren geeinigt. Die Jobcenter sollen somit „schneller, verbindlicher und unbürokratischer handeln können“, heißt es in dem jüngsten Referentenentwurf.

Gesetz womöglich erst im Dezember im Kabinett

Mehr Verbindlichkeit im Vergleich zur Version im Oktober gibt es auch beim Erstgespräch der Bürger beim Jobcenter: Die Leistungsberechtigten sollen dazu persönlich erscheinen müssen. Bislang gibt es dafür noch Ausnahmen.

Klar ist allerdings weiterhin: Der Gesetzentwurf hat noch einen weiten Weg vor sich. Ursprünglich sollte er in dieser Woche im Kabinett verabschiedet werden. Manche Parlamentarier rechnen nun eher damit, dass sich die Runde erst Mitte Dezember mit dem Thema befassen wird. Bis dahin steht unter anderem noch die Verbändeanhörung an.

In diesem Prozess und nach Einbringung in den Bundestag sind weitere Änderungen am Gesetzestext möglich. Eine weitere Hürde könnte es in der SPD geben: Am Montag haben zahlreiche Sozialdemokraten ein Mitgliederbegehren gegen die Bürgergeldreform eingereicht.