Russlands jüngster, angeblich erfolgreicher Test des atomar betriebenen Marschflugkörpers Burewestnik (Nato-Code: „Skyfall“) hat im Westen Besorgnis ausgelöst, doch führende Atomwaffenexperten sehen die neue „unbesiegbare“ Waffe Wladimir Putins mit großer Skepsis.
Trotz der theoretisch unbegrenzten Reichweite und der Fähigkeit, tief zu fliegen, halten Experten das System für ineffektiv, leicht abzufangen und extrem gefährlich.
Die Achillesferse: Warum Putins Wunderwaffe operativ nutzlos ist
Der Burewestnik, zu Deutsch „Sturmvogel“, ist ein Marschflugkörper, der einen bordeigenen Nuklearreaktor nutzt. Dieses Design ermöglicht zwar theoretisch extrem weite Flüge, doch sein größter operativer Mangel ist die Geschwindigkeit.
William Alberque, Senior Associate beim Pacific Forum und ehemaliger Nato-Direktor für nukleare Nichtverbreitung, sieht darin einen fatalen Nachteil. „Der Burewestnik ist ein Flugkörper, der keine Schallgeschwindigkeit erreicht. Und wenn wir irgendwas aus dem Ukraine-Krieg gelernt haben, dann, dass solche Systeme einfach abzuschießen sind“, erklärt der Experte der „Süddeutschen Zeitung“.
Alberque äußert sich auch gegenüber dem britischen „Telegraph“ zu Russlands neuem Marschflugkörper. Er stuft ihn dabei als „effektiv ein Flugzeug, und nicht einmal ein Tarnkappenflugzeug“ ein. Er weist weiter darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Unterschall-Flugkörper zu orten, mit jedem zurückgelegten Kilometer steigt, zumal der bordeigene Nuklearreaktor die Detektion durch „verirrte Neutronen“ erleichtern würde.
„Eines der dümmsten Systeme, die man sich vorstellen kann“
Angesichts der hohen Abfangraten in der Ukraine ist die „Ära der Unterschall-Marschflugkörper gewissermaßen vorbei“, so Alberque. Er ist überzeugt, dass der Burewestnik aufgrund seiner Geschwindigkeit von nur etwa 800 Stundenkilometern keine sehr lange Lebensdauer hätte, sobald er den russischen Luftraum verlassen würde.
Alberques drastische Gesamtbewertung in der „Süddeutschen Zeitung“: Der Burewestnik sei „eines der dümmsten Systeme, die man sich vorstellen kann“.
Die Gefahr eines Super-GAUs: Burewestnik als „fliegendes Mini-Tschernobyl“
Noch gravierender als die operative Ineffizienz ist das hohe radioaktive Risiko des Burewestnik-Konzepts. Das Design – ein Nuklearreaktor, der mit einer Kernwaffe kombiniert wird – wurde bereits in den 1950er-Jahren in den USA wegen der unkalkulierbaren Risiken verworfen.
Alberque mahnt, dass die ständige Weiterentwicklung dieses Systems durch Russland zeige, „wie unverantwortlich Putin bei der Entwicklung solcher Waffensysteme sei“. Das größte Risiko besteht im Falle eines Abschusses: Wenn ein Burewestnik getroffen würde, „bedeute das, dass radioaktives Material aus dem Nuklearreaktor über einen großen Landstrich verteilt würden: Wie ein Mini-Tschernobyl im Himmel“, warnt Alberque in der „Süddeutschen Zeitung“.
Burewestnik kann zur Gefahr für die eigene Bevölkerung werden
Die potenzielle Freisetzung radioaktiven Materials, selbst bei einem Abschuss über Russland, könnte Moskau schwere innenpolitische Probleme bereiten, da der Flugkörper beim Absturz auf bewohntes Gebiet zur Gefahr für die eigene Bevölkerung werden könnte.
Der Nuklearexperte Jeffrey Lewis beschreibt die Waffe im „Telegraph“ als „ein kleines fliegendes Tschernobyl“ und stuft sie als „instabilisierend“ ein. Die Tatsache, dass bereits 2019 bei einem Unfall im Zusammenhang mit einem Burewestnik-Test mindestens fünf Wissenschaftler ums Leben kamen, unterstreicht die inhärente Gefahr und die Fehleranfälligkeit des Systems.
Psychologie statt militärischer Wert: Putins Kalkül
Angesichts der hohen Kosten und des geringen militärischen Nutzens halten Experten den Burewestnik primär für ein psychologisches und propagandistisches Werkzeug.
Der einzige Verwendungszweck, der Alberque einfällt, ist „die Psychologie, die Propaganda. Wladimir Putin präsentiert ein verrücktes Waffensystem, das kaum operativen Wert hat, bei dem der Angstfaktor im Westen aber hoch ist“, so der Experte in der „Süddeutschen Zeitung“. Das System könnte aber auch als „Verhandlungsmasse“ dienen, um in zukünftigen Rüstungskontrollabkommen Moskaus Position zu stärken.