Fußball, Skisport, Alltag: Wie Sie einem Kreuzbandriss vorbeugen

Zunächst ein bisschen Anatomie, leicht verständlich: Das vordere Kreuzband ist ein unscheinbarer, aber extrem wichtiger Stabilisator für unser Kniegelenk. Am Fußballplatz, beim Skifahren oder im Tennis schützt es das Knie vor dem Durchrutschen des Schienbeins nach vorne und stabilisiert Rotationsbewegungen. 

Reißt das Kreuzband, fühlt sich das Knie oft "wackelig", instabil und schmerzhaft an – eine Sportverletzung, die besonders Profis und ambitionierte Amateursportlerinnen trifft.

Das passiert im Knie, wenn die Kreuzbänder reißen

Der typische Kreuzbandriss erfolgt blitzschnell – meist bei einer abrupten Bewegung: ein Sprint, ein Richtungswechsel, ein Sprung mit ungünstiger Landung. Besonders gefährlich sind Situationen, in denen der Fuß am Boden bleibt, während der Körper sich dreht. 

Ein klassisches Beispiel: Im Fußball ein Pressschlag, im Ski alpin ein Sturz auf der Abfahrt. Das Knie "knackt", das Kreuzband reißt – viele Betroffene berichten von einem deutlichen Geräusch im Moment der Verletzung.

Im Detail:

  • Meist betroffen ist das vordere Kreuzband, das in Sekundenschnelle reißen kann – oft bei X-Bein-Stellung und Verdrehung.
  • Ein plötzlicher Schmerz, rasche Schwellung, Instabilität im Knie – danach ist oft keine normale Bewegung mehr möglich.

Im Sport oder zuhause: So erkennen Sie einen Kreuzbandriss

Akut: 

  • Plötzlicher, starker Schmerz nach einem Verdrehen oder Sturz
  • unmittelbar starke Schwellung des Knies
  • Instabilitätsgefühl – als ob das Gelenk "nachgibt"
  • manchmal ist ein hörbares Knacken vernehmbar.

Chronisch: 

  • Anhaltende Unsicherheit beim Gehen, insbesondere bei Drehbewegungen.
  • Das Knie knickt weg ("giving-way").

Ist das Kreuzband angerissen, sind die Symptome meist weniger klassisch

  • oft nur leichte Instabilität
  • gelegentliche Schmerzen
  • und manchmal erst verspätete Schwellung. Eine gründliche Untersuchung, gegebenenfalls eine MRT, ist empfehlenswert.

Dr. Markus Klingenberg ist ein erfahrener Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, spezialisiert auf arthroskopische Eingriffe und Fußchirurgie. Er leitet die Abteilung für Arthroskopie an der Beta Klinik in Bonn. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.

Sobald nach Sport, Unfall oder Sturz starke Schmerzen, Schwellung oder Unsicherheit auftreten, sollte ein Orthopäde rasch die Diagnose klären – auch, um Folgeschäden (wie Meniskus- oder Knorpelverletzungen) zu vermeiden.

Prävention: So können Sie Ihr Risiko senken

Die beste Nachricht: Kreuzbandrisse sind häufig vermeidbar! Studien zeigen, dass gezieltes Training das Risiko um bis zu 70 Prozent reduzieren kann.

  1. Neuromuskuläres Präventionstraining: Setzt auf Übungen für Koordination, Balance, Kraft und Schnellkraft. Das "Stop-X"-Programm bietet über 30 Übungen, auch im Videoformat – empfohlen von der Deutschen Kniegesellschaft.
  2. Fokus auf Muskelbalance: Die hintere Oberschenkelmuskulatur (Hamstrings) stabilisiert das Knie genauso wie der Quadrizeps – ein ausgewogenes Training ist besonders für Frauen entscheidend.
  3. Rumpfstabilisation und Plyometrie: "Core"-Stabilität ist Basis für jedes Knie, Sprung- und Landetraining helfen, gefährliche Bewegungsmuster zu vermeiden.
  4. Geschlechterspezifisch trainieren: Trainingspläne für Mädchen und Frauen sollten biomechanische und hormonelle Besonderheiten berücksichtigen und frühzeitig ansetzen – am besten schon in der Jugend.
  5. Aufwärmen und Ausrüstung: Vor jeder Sporteinheit: Aufwärmen! Im Wintersport ist eine regelmäßig gewartete Ausrüstung ebenfalls wichtig.

Tipp für den Alltag:

  • Integriere Präventionsübungen ins Warm-up, mindestens zwei Mal pro Woche zehn bis 15 Minuten.
  • Bei bekannten Knieproblemen: Orthopädische Kontrolle vor Saisonstart wahrnehmen.
  • Markus Klingenberg

    Bildquelle: Markus Klingenberg

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Bei Frauen ist das Risiko für einen Kreuzbandriss acht mal höher

Hier kommt die überraschende Statistik: Fußballerinnen und Sportlerinnen haben ein bis zu achtfach erhöhtes Risiko für einen Kreuzbandriss im Vergleich zu Männern! In der aktuellen Bundesliga-Saison 2025/2026 fehlt fast jede vierte Spielerin wegen dieser Verletzung.

Die Gründe sind vielfältig und spannend zugleich:

  • Anatomie: Frauen haben meist ein breiteres Becken und engere Durchtrittsstellen fürs Kreuzband. Das Band ist zudem oft dünner und schwächer.
  • Biomechanik: Frauen "springen und landen" anders: Sie zeigen häufiger eine X-Bein-Stellung, was das Kreuzband stärker belastet. Das Zusammenspiel der Muskeln ist oft weniger ausgeglichen.
  • Hormone: Östrogen und Zyklusschwankungen beeinflussen Kollagen und Bindegewebe – das Kreuzband ist in bestimmten Phasen des Zyklus messbar verletzungsanfälliger.
  • Training: Viele Trainingspläne und Belastungsmuster sind männlich orientiert und optimieren nicht das Bewegungssystem von Sportlerinnen.

Neuesten Analysen zufolge spielt auch Stress und psychischer Druck eine Rolle: Sportlerinnen erleiden häufig Kreuzbandrisse in Karrierephasen mit großer Belastung.

Oberdorf und Bassino zeigen: Auch die Profis bleiben nicht verschont

Aktuelle Fälle zeigen die dramatischen Folgen: Lena Oberdorf, einer der bekanntesten DFB-Spielerinnen, musste nach zwei Kreuzbandrissen pausieren – und auch die italienische Skirennfahrerin Marta Bassino verpasst Olympia 2026 wegen einer schweren Knieverletzung. Das zeigt: Kreuzbandrisse sind kein "Frauenthema", betreffen aber Frauen besonders oft und können Karrieren nachhaltig verändern.

Kreuzbandriss Lena Oberdorf
Erst im Juli 2024 hatte sich National- und Bayernspielerin Lena Oberdorf das Kreuzband bei einem Spiel gerissen. Im Oktober 2025 dann die Hiobsbotschaft: Das Kreuzband im Rechten Knie ist erneut durch. Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Wintersport und Hobbysport: Wer ist besonders gefährdet?

Neben Fußball und Handball sind es im Winter vor allem Skifahrerinnen:

Beim Skifahren ist das Bein fixiert. Hinzu kommen plötzliche Drehbewegungen und Stürze nach hinten ("Phantomfuß"). Auch schlechte Ausrüstung oder Ermüdung sind kritisch. Viele Kreuzbandrisse passieren daher am Nachmittag im Skiurlaub, wenn die Konzentration nachlässt und die Muskulatur ermüdet ist.

Weitere Risikofaktoren sind:

  • Mangelnde Vorbereitung und Aufwärmen vor dem Sport
  • Vernachlässigtes muskuläres Gleichgewicht und schwache Rumpfmuskulatur
  • Fehlende propriozeptive und koordinative Schulung (z.B. Gleichgewichtstraining)

Fazit: Mut zur Prävention – und sofort reagieren im Verdachtsfall!

Ob Freizeit oder Profisport – ein Knie ohne Kreuzband funktioniert wie ein Haus ohne tragendes Fundament. Wer frühzeitig auf Prävention setzt, regelmäßig Koordination und Muskelbalance trainiert und Warnzeichen am Knie ernst nimmt, kann schwere Sportverletzungen vermeiden und lange sportlich aktiv bleiben.

Operativ oder konservativ? So wird ein Kreuzbandriss behandelt

Die Therapie eines Kreuzbandrisses wird individuell entschieden – je nach Aktivitätsgrad, Alter, Begleitverletzungen und Instabilitätsgrad des Kniegelenks.

Konservative Therapie:

Geeignet bei stabilen Teilrissen, niedrigem Aktivitätsniveau und fehlender Instabilität. Hier stehen 

  • Physiotherapie
  • entzündungshemmende Therapie
  • Knieorthese
  • und Muskelaufbau

im Mittelpunkt.

Operation:

Empfohlen bei ausgeprägter Instabilität, sportlichen Anforderungen, Begleitverletzungen und für Profisportler. Das gerissene Kreuzband wird meistens durch eine körpereigene Sehne (Patellasehne, Quadrizepssehne oder Hamstrings) ersetzt. Nach der OP erfolgen 

  • mehrmonatiger Reha
  • gezieltes Training
  • und eine schrittweise Rückkehr zum Sport.

Wichtig: Nach dem ersten Kreuzbandriss steigt das Risiko eines erneuten Risses deutlich! Die richtige Nachsorge und Prävention sind essenziell.